Killer ohne Gnade: Ein Jesse Trevellian Thriller. Alfred Bekker

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Killer ohne Gnade: Ein Jesse Trevellian Thriller - Alfred Bekker

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Tonys letzte Bemerkung hatte einen Unterton, der Harry nicht gefiel.

      "Harry, du warst in den letzten Jahren wie ein Sohn für mich", sagte er dann mit leiser, verhaltener Stimme. Und sein Blick wurde sehr ernst dabei.

      "Und ich werde nie vergessen, was du für mich getan hast, Onkel Tony!"

      "Das Gedächtnis ist eine flüchtige Angelegenheit, Harry. Glaub mir. Ich bin älter als du... Jeder hat seinen Preis, für den er selbst den Namen seiner Mutter vergessen würde."

      Big Tonys Blick war jetzt eisig. Und obwohl er eigentlich ein kleiner, unscheinbarer Mann mit krummen Rücken war, wirkte er jetzt beinahe furchteinflößend. Ein Feuer brannte in seinen Augen. Das Feuer jenes unbändigen Willens, der ihn ganz nach oben getrieben hatte. Immer weiter und höher. Bis an einen Punkt, an dem es nur noch den Blick zurück zu geben schien. Und die Sorge darum, dass nicht alles, was er errichtet hatte, wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrach, sobald er selbst mal nicht mehr existierte.

      "Weißt du, nach dem Tod meiner Frau und meiner Kinder hatte ich schon gedacht, dass meine Kraft mich verlassen hätte", sinnierte er. "Wofür das alles? Wofür die Toten und das Blut, auf dem das alles errichtet wurde, wenn es niemanden gibt, der es weiterführt..." Big Tonys Zeigefinger schnellte vor wie die Klinge eines Klappmessers. Sein Blick war hellwach.

      "Das hat sich durch dich geändert, Harry. Und es täte mir sehr weh, wenn du mich hintergehen würdest!"

      "Das würde ich nie tun, Onkel Tony!"

      "Hör zu, ich will dir deine Sünden nicht einzeln unter die Nase reiben. Du bist jung und du hast deshalb ein Recht darauf, Fehler zu machen. Also Schwamm über die Vergangenheit. Ich weiß, dass du hinter meinem Rücken einiges getan hat, was mir nicht gefällt..."

      "Hör zu, ich kann..."

      Big Tony hob die Hand. Es war eine energische Geste, die keinen Widerspruch zuließ.

      "Ich will keine Erklärungen, Harry."

      "Ich habe nur das Interesse der Familie im Sinn!"

      "Ja, ich weiß. Das verbindet uns. Und wenn es anders wäre, hätte ich dich nie in die Position gebracht, in der du heute bist."

      Harry Antonelli lehnte sich etwas zurück. Seine Augen wurden schmal. Er atmete tief durch und biss sich auf die Lippe. Er verkniff sich eine Bemerkung.

      "Ich will keine Alleingänge mehr, Harry! Damit das ein für allemal klar ist!"

      "Aber..."

      "Es ist genug Blut geflossen, Harry... Ich will nicht, dass alles in Gefahr gerät, was ich aus kleinsten Anfängen heraus aufgebaut habe!"

      "Vor zehn Jahren hättest du nicht so geredet", erwiderte Harry zwischen den Zähnen hindurch. Sein Blick war finster.

      Und er wunderte sich selbst über die Entschlossenheit, die aus seinen Worten herausklang.

      Big Tony sah seine Neffen nachdenklich an. Ich muss auf ihn aufpassen, ging es ihm durch den Kopf. Harry hat eine Menge Temperament. So wie ich früher... Aber er darf nicht übermütig werden!

      "Ich werde versuchen, ein Treffen mit den anderen Familien anzusetzen", erklärte Big Tony dann. "Und ich möchte, dass du dabei bist."

      "Sitzen die Tarrascos auch am Tisch?"

      "Natürlich!"

      "Onkel, die haben systematisch versucht, deine Leute umzudrehen, einzuschüchtern und für sich zu gewinnen! Die haben jemanden bei den Behörden, der dafür gesorgt hat, dass unsere Nachtclubs dauernd im Hinblick auf ihre hygienischen Verhältnisse überprüft werden... Und der Brandanschlag auf das Exquisite? Hast du das schon vergessen?"

      "Dafür haben sie bezahlt!"

      "Dafür habe ich gesorgt!"

      "Ja, und damit beinahe einen Krieg vom Zaun gebrochen. Solche Dinge regelt man anders, mein Junge!"

      "So? Das glaube ich nicht. Onkel, die müssen den Respekt vor dem Namen Antonelli behalten, sonst bricht alles nach und nach in sich zusammen. Alles, was du mit soviel Mühe aufgebaut hast!" Harry war aufgesprungen. Es hielt ihn nicht mehr auf dem Stuhl. Voller Leidenschaft ballte er die Fäuste.

      "Ich habe nur getan, was du hättest tun müssen. Aber du hattest nicht die Kraft dazu..."

      "Das ist nicht wahr!", rief Big Tony. Seine Stimme überschlug sich. Auf einmal hatte er ein beengendes Gefühl in der Halsgegend. Wie eine Schlinge, die sich langsam zuzog.

      Mein Gott, er hat recht!, ging es ihm durch den Kopf. Aber das wollte er nicht wahrhaben. Alles in dem alten Mann sträubte sich dagegen. Wo ist dein alter Elan geblieben?

      Wütend funkelte er seinen Neffen an.

      "Hör zu, Harry, wir brauchen die Tarrascos und die anderen Familien, wenn wir gegen die Russen und die Puertoricaner bestehen wollen!"

      Harry lachte höhnisch.

      "Ein fauler Frieden ist das!"

      "Mag sein. Aber im Moment haben wir keine andere Wahl und ich hoffe, dass der Schaden, den die von dir eingeleiteten Aktionen angerichtet haben, sich wieder beheben lässt..."

      Harry schüttelte den Kopf.

      "Du solltest die Tarrascos zertreten, Onkel! Jetzt! Bevor sie dasselbe mit dir tun! Noch wären wir groß genug, um sie mit einem Schlag zu vernichten."

      "Ich habe deine Meinung zur Kenntnis genommen, Harry", sagte Big Tony dann in einem Tonfall, der einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte. Seine Stimme war kaum mehr als ein zerbrechliches Wispern und doch klang darin eine furchtbare Entschlossenheit mit. "Ich entscheide hier immer noch. Und du solltest dir genau überlegen, ob du das akzeptieren kannst oder nicht!"

      Harry atmete tief durch.

      Der Ärger war ihm anzusehen.

      Sein Kopf war dunkelrot angelaufen. Am liebsten hätte er seine Wut herausplatzen lassen. Aber Harry war bei allem Temperament klug genug, um zu wissen, wann er nachgeben musste. Und jetzt war so ein Zeitpunkt.

      "Ich habe deine Autorität nie angezweifelt, Onkel", sagte er kleinlaut.

      Big Tony nickte leicht. Harry wusste, dass der große Tony Antonelli im Ernstfall nicht einmal davor zurückschreckte, Mitglieder der eigenen Familie umzubringen, wenn es sein musste.

      Die beiden Männer sahen sich an.

      Ein stummes Duell. Ein gegenseitiges Abschätzen.

      Im Moment ging es noch eindeutig zu Gunsten des alten, grau gewordenen Leitwolfs aus.

      Noch.

      *

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