Maria Stuart. Stefan Zweig

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Maria Stuart - Stefan Zweig

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       Habit de deuil, vous sert de couverture,

       Depuis le chef jusques à la ceinture,

       Qui s'enfle ainsi qu'un voile quand le vent

       Soufle la barque et la cingle en avant,

       De tel habit vous étiez accoutrée

       Partant, hélas! de la belle contrée

       Dont aviez eu le sceptre dans la main,

       Lorsque, pensive et baignant votre sein

       Du beau cristal de vos larmes coulées

       Triste marchiez par les longues allées

       Du grand jardin de ce royal château

       Qui prend son nom de la beauté des eaux.«

      Und in der Tat, kaum in einem andern Bilde hat das Sympathische und Milde dieses jungen Antlitzes sich sieghafter dargetan als hier, da eine ernste Besinnlichkeit das sonst unruhige Auge verklärt und die einförmige schmucklose Farbe die reine Blässe ihrer Haut heller aufleuchten läßt; in der Trauer fühlt man das Edle, das Königliche ihrer Menschlichkeit ungleich deutlicher als bei den Bildern von vordem, die sie in Prunk und Pracht ihrer Würde darstellen, überhäuft mit Juwelen und geschmückt mit allen Insignien der Macht.

      Diese edle Melancholie spricht auch aus den Strophen, die sie selbst in diesen Tagen als Totenklage dem verstorbenen Gemahle widmet, Verse, die nicht unwürdig sind ihres Meisters und Lehrers Ronsard. Selbst nicht von königlicher Hand geschrieben würde diese leise Nänie zum Herzen sprechen durch den schlichten Ton ihrer Aufrichtigkeit. Denn keineswegs einer leidenschaftlichen Liebe zum Verstorbenen rühmt sich hier die Zurückgebliebene – nie hat Maria Stuart im Dichterischen gelogen, immer nur in der Politik –, einzig ihre Verlorenheit und Verlassenheit läßt sie sprechen:

       »Sans cesse mon cœur sent

       Le regret d'un absent

       Si parfois vers les cieux

       Viens à dresser ma veue

       Le doux traict de ses yeux

       Je vois dans une nue;

       Soudain je vois dans l'eau

       Comme dans un tombeau

       Si je suis en repos

       Sommeillant sur ma couche,

       Je le sens qu'il me touche:

       En labeur, en recoy

       Toujours est près de moy.«

      Daß diese Trauer Maria Stuarts um Franz II. mehr als eine poetische Fiktion, daß sie ein ehrliches und aufrichtiges Bedauern gewesen, ist nicht zu bezweifeln. Denn mit Franz II. hat Maria Stuart nicht nur einen wohlgesinnten, nachgiebigen Kameraden, einen zärtlichen Freund verloren, sondern auch ihre europäische Stellung, ihre Macht, ihre Sicherheit. Bald wird die kindliche Witwe den Unterschied spüren, wie viel es bedeutet hat, die Erste an einem Hofe, die Königin gewesen zu sein, und wie wenig, plötzlich die Zweite zu werden, eine Pensionistin von des Nachfolgers Gnaden. Erschwert wird diese an sich schon bedrückende Lage durch die Feindseligkeit, die ihr Katharina von Medici, ihre Schwiegermutter, kaum daß sie wieder die erste Frau am Hofe geworden ist, entgegenbringt; es scheint, daß Maria Stuart einmal diese hochfahrende und heimtückische Mediceerin durch ein törichtes Wort tödlich beleidigt hat, indem sie verächtlich die geringe Herkunft der »Kaufmannstochter« mit ihrer eigenen, von Geschlecht zu Geschlecht ererbten Königswürde verglich. Solche Unbedachtsamkeiten – auch gegen Elisabeth wird sich das unberatene, ungestüme Mädchen ähnliche zuschulden kommen lassen – sind zwischen Frauen verhängnisvoller als offene Beleidigungen. Und kaum gelangt Katharina von Medici, die ihren Ehrgeiz zwei Jahrzehnte lang erst um Diana von Poitiers, dann um Maria Stuarts willen bezähmen mußte, zu politischer Macht, so läßt sie die beiden Gestürzten ihren Haß herrisch und herausfordernd fühlen.

      Aber Maria Stuart – deutlich tritt jetzt der entscheidende Zug ihres Charakters ans Licht: ihr unbändiger, unbeugsamer, männlich harter Stolz – wird nirgends bleiben wollen, wo sie nur Zweite ist, nie wird ihr hohes und heftiges Herz sich mit einer kleinen Stellung, mit einem halben Rang begnügen. Lieber wählt sie das Nichts, lieber den Tod. Einen Augenblick denkt sie daran, sich für immer in ein Kloster zurückzuziehen, allen Rang abzuschwören, da sie den höchsten in diesem Lande nicht mehr erreichen kann. Aber noch ist die Verführung des Lebens zu groß, noch wäre für eine Achtzehnjährige ewiger Verzicht wider die innere Natur. Und dann: noch immer kann sie für die verlorene Krone eine andere, eine ebenso kostbare, eintauschen. Schon meldet sich der Gesandte des Königs von Spanien als Werber für Don Carlos, den zukünftigen Herrn zweier Welten, schon sendet der österreichische Hof geheime Unterhändler, die Könige von Schweden und Dänemark bieten ihr Thron und Hand. Und schließlich ist noch immer die Erbkrone ihr eigen, jene von Schottland, und noch immer der Anspruch auf die andere, die nachbarliche, die englische Krone in Schwebe. Immer harren ja noch unermeßliche Möglichkeiten dieser mädchenhaften Königswitwe, dieser eben erst zu voller Schönheit herangeblühten Frau. Nur sind sie nicht mehr wie vordem geschenkt und entgegengetragen vom Schicksal, von jetzt ab muß alles errungen werden, mit Geschick und Geduld zähen Gegnern abgekämpft. Aber mit so viel Mut im Herzen, mit so viel Schönheit im Antlitz, mit so viel Jugend im heißen blühenden Leibe kann man auch höchstes Spiel unbedenklich wagen. Und mit entschlossener Seele tritt Maria Stuart in den Kampf um ihr Erbe.

      Freilich: der Abschied von Frankreich wird ihr nicht leicht. Zwölf Jahre hat sie an diesem fürstlichen Hofe gelebt, und das schöne, reiche, sinnlich freudige Land war ihr schon mehr Heimat geworden als das Schottland der versunkenen Kindertage. Hier sind die mütterlichen Verwandten, die sie umhüten, hier die Schlösser, in denen sie glücklich gewesen, hier die Dichter, die sie rühmen und verstehen, hier die leichte, die ritterliche Anmut des Lebens, der sie sich im tiefsten zugeboren weiß. Von Monat zu Monat zögert sie darum, obwohl längst auf das dringlichste berufen, mit der Rückkehr in ihr eigenes Königreich. Sie besucht in Joinville, in Nancy ihre Verwandten, sie wohnt in Reims der Krönung ihres zehnjährigen Schwagers, Karls IX., bei; immer sucht sie, wie von geheimnisvoller Ahnung gewarnt, anderen und anderen Vorwand, um die Reise zu verschieben. Und es ist, als warte sie eigentlich auf irgendeine Schicksalsfügung, welche ihr die Heimfahrt nach Schottland ersparte.

      Denn so neu und unerfahren die Achtzehnjährige in Staatsdingen auch sein mag: dies muß Maria Stuart doch schon erfaßt haben, daß in Schottland harte Prüfung ihr bevorsteht. Seit dem Tode ihrer Mutter, die für sie als Regentin das Erbe verwaltete, haben die protestantischen Lords, ihre schlimmsten Gegner, die Oberhand und verbergen kaum ihr Widerstreben, eine gläubige Katholikin, eine Anhängerin der verhaßten Messe, ins Land zu rufen. Offen erklären sie – der englische Gesandte meldet es begeistert nach London –, »man solle die Reise der Königin von Schottland noch um einige Monate verzögern, und wären sie nicht zu Gehorsam verpflichtet, so würde ihnen wenig daran liegen, sie überhaupt zu sehen«. Heimlich haben sie längst schlimmes Spiel getrieben, sie haben versucht, der Königin von England den nächsten Thronberechtigten, den protestantischen Earl of Arran, als Gatten anzubieten und damit widerrechtlich Elisabeth eine

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