Koppelgeschichten - von und mit Pferd. Gabi Lohmann
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Bitte Firlefanz um seine Mitarbeit, sag ihm mit deinem Körper, mit allen ‚Hilfen‘, was du von ihm willst und er wird versuchen, dir zu gefallen. Firlefanz ist so ein Pferd. Er will es ja richtig machen, er verträgt nur keinen Zwang.“
Horsts Ansage brachte mich zum Grübeln. Topgun, ja, ihn hatte ich zu nichts zwingen müssen. Ihm hatte ich nur angedeutet, was ich wollte, und er hatte es getan. Firlefanz war ganz anders. Er reagierte viel schneller und sensibler als Topgun. Kaum kam eine Hilfe nicht richtig, schon lag ich im Dreck. Topgun hätte so etwas nie getan, er hätte versucht herauszufinden, was ich von ihm wollte.
Horst hatte in der Zwischenzeit Firlefanz eingefangen und hielt mir den Steigbügel gegen. Resignierend schwang ich mich wieder in den Sattel.
Horst hielt mich fest. „Bevor du jetzt los reitest, schließ deine Augen und hör auf meine Stimme. Verlass dich auf Firlefanz. Es kann ja nichts passieren. Wir sind in der Halle und hier kann er nicht weglaufen!“
Ergeben schloss ich die Augen und ließ Firlefanz antreten. Deutlich spürte ich die Anspannung des Pferdes und mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass nicht nur ich unsicher war. Auch Firlefanz wusste nicht, was auf ihn zukam. Langsam drang Horsts Stimme zu mir durch. „Du sollst über seinen Hals streichen, hab ich gesagt. Ja, so ist es richtig. Fühl das Pferd: mit den Händen, mit den Beinen – mit deinem ganzen Körper. Lass dich einfach tragen und vertrau ihm.“
Mit jedem Schritt fühlte ich mehr, wie die Anspannung von Firlefanz und mir abfiel. Gut, wir wurden nicht an diesem ersten Tag zu einem Team, aber im Laufe der Wochen rauften wir uns mehr und mehr zusammen.
Firlefanz würde nie ein Topgun werden – und das war gut so. Mit Firlefanz war jeder Ritt ein kleines Abenteuer. Der kleine Fuchs hatte es faustdick hinter den Ohren und war immer für eine Überraschung gut. Aber wenn man ihn zu nehmen wusste, dann konnte man auch mit ihm ‚tanzen‘!
Stefan war damals insgesamt über ein Vierteljahr in China. Die Heimreise, die ihm zwischendrin zugestanden hätte, nutzte er, um mich zu sich zu holen. So verbrachen wir eine Woche zusammen in diesem für mich sehr fremden Land. Stefan gefiel das Land, das Leben, die Menschen – mich zog es zurück zu seinem Pferd!
Eine Woche bevor Stefan zurückkam, machte es dann ‚Klick‘ bei Firlefanz und mir. Ich weiß bis heute nicht, was der Auslöser war. Ich stieg auf und irgendetwas war anders. Firlefanz konnte meine Gedanken lesen!
War die Dressur mit Topgun schon ein Genuss, ein ‚Tanz mit dem Pferd‘, so wurde sie mit Firlefanz zur Kür. Dieses Pferd versuchte, sich selbst zu übertreffen. Manchmal so übereifrig, dass es schon komisch anmutete.
Am Montag schien mir das Ganze ein Zufall zu sein. So etwas wie: Pferd und Reiter haben gleichzeitig ihren guten Tag oder so. Am Dienstag wiederholte es sich aber wieder: Reiten, das einfach nur Spaß machte!
Am Mittwoch zur Springstunde trat ich wie immer mit gemischten Gefühlen an. Firlefanz pflegt mit mir in einem Wahnsinnstempo über die Stangen zu fegen. Ich bestimmte die Richtung, er die Geschwindigkeit. Doch dieser Mittwoch war anders: Kaum spürte ich Firlefanz Bewegung unter mir, wusste ich es: Firlefanz reagierte auf jedes meiner Körpersignale. Zügel, pah, wofür braucht man die! Am leicht durchhängenden Zügel ging es durch den Parcours. Ich ignorierte Horsts Anweisungen, denn ich fühlte, das Einzige was Firlefanz jetzt brauchte, waren die Signale von meinem Körper. Es war gigantisch. Noch nie war Firlefanz so gesetzt und kontrolliert gesprungen. Nach dem letzten Sprung strahlte ich über das ganze Gesicht. Horst einziger Kommentar war: „Zusammengerauft!“
Ja, Firlefanz und ich hatten uns gefunden. Elf lange Wochen hatte es gedauert, aber jetzt war der kleine Fuchs bereit, alles für mich zu tun.
Und dann kam Stefan zurück …
Ich holte ihn früh morgens vom Flughafen ab und freute mich riesig, nicht mehr allein zu sein. Nach einer ausgiebigen Begrüßung und einem Schläfchen bis in den Nachmittag hinein ging es zum Stall. Firlefanz begrüßte mich mit lautem fordernden Wiehern, kaum dass er meine Stimme hörte. Damit hatte er schon vier Wochen nach unserem ersten Kennenlernen begonnen und ich freute mich über diese Art des Willkommens. Wenn sie wohl auch eher der mitgebrachten Möhre als mir galt. Stefans Stirnrunzeln entging mir. Auch das Herumschmusen zur Begrüßung war nicht in Stefans Sinn. ‚Ich würde sein Pferd ja total verhätscheln‘ war sein Kommentar. Ausgelassen hat er seinen Unmut dann an Firlefanz. Er sattelte ihn gröber als nötig und ich stand untätig daneben. Dabei hatte ich ständig das Gefühl, dass Firlefanz mich Hilfe suchend anschaute.
Das Reiten wurde zum Desaster. Stefan versuchte Firlefanz zum Gehorsam zu zwingen und Firlefanz lehnte sich dagegen auf. Stefan war stocksauer!
Jetzt war nicht mehr die Rede davon, dass ich ihm sein Pferd ab und an mal abnehmen solle. Nein, im Gegenteil, er verbot mir kategorisch, je wieder auf Firlefanz zu steigen. Longieren, Bodenarbeit, ok – aber nie wieder reiten. Ich hätte sein Pferd schließlich total ‚verkorkst‘.
Unsere Freundschaft bekam einen mächtigen Knacks! Es tat mir in der Seele weh, die beiden kämpfen zu sehen. Wusste ich doch inzwischen, wie viel der kleine Wallach zu ‚verschenken‘ hatte.
Auch Horst schaute dem Treiben zwischen Firlefanz und Stefan mit gemischten Gefühlen zu. Firlefanz war schließlich Stefans Pferd und er hatte die Aufgabe, die beiden zusammen auszubilden. Aber Stefan war nicht bereit, auf Horst zu hören.
Zum Eklat kam es dann während einer Springstunde. Mit Firlefanz war meine Freude am Reiten zurückgekehrt. Wenn nicht Firlefanz, so wollte ich doch wenigsten auf einem anderen Pferd weiter reiten. Horst überließ mir eines seiner Sportpferde. Etwas, was Stefan noch mehr verärgerte. Ritt ich in seinen Augen doch so schlecht, dass man mir nie und nimmer ein wertvolles Turnierpferd anvertrauen durfte!
Titus, ein Springpferd, wie es im Buche steht, hatte starke Ähnlichkeit mit Topgun. Stangen in der Reitbahn hießen: Springen. Der Reiter gab Richtung und Geschwindigkeit vor und bestimmte im besten Fall auch noch den Absprung. Diskussionen gab es keine. Wenn ich alles richtig machte, war eine Runde ohne Abwürfe garantiert. Während ich also in aller Ruhe mit Titus Hindernis um Hindernis hinter mir ließ, kämpfte Firlefanz mit Stefan um die Vorherrschaft – und diesmal gewann Firlefanz! Kaum hatte ich den letzten Sprung überwunden, fetzte der kleine Fuchs los! Stefan war machtlos. Aber anstatt zu versuchen, den kleinen Kerl in einer Ecke auszubremsen, ließ Stefan zu, dass sie über die Sprünge gingen. Die ersten zwei gingen noch gut, aber am Dritten waren sie viel zu schnell. Firlefanz rutschten in der Kurve die Hufe weg und so schlitterten sie in das Hindernis. Firlefanz Versuch, in letzter Sekunde noch abzuspringen, machte die Sache noch schlimmer. Unter unserem vielstimmigen Aufschrei ging das Hindernis zu Bruch und wir alle atmeten auf, als Stefan und Firlefanz wieder auf die Beine kamen. Stefan fluchte lauthals und ‚Schei..gaul‘ war einer der harmlosesten Ausdrücke. Firlefanz flüchtete in die weit entfernteste Ecke der Halle.
Inzwischen hatte Stefan mich als Ursache allen Übels ausgemacht und fiel lauthals über mich her. ‚Sein Pferd hätte ich auf dem Gewissen, unreitbar sei der Gaul jetzt‘ und, und, und … Ich weiß nur noch, dass ich sehr froh war, auf Titus hoch über Stefan zu sitzen. In diesem Moment hätte ich ihm nicht gegenüberstehen wollen. Nicht so Horst. Der war stinksauer und ging seinerseits auf Stefan los.
Ich weiß nicht mehr, was die beiden sich alles geheißen haben. Aber als sich zum Schluss die