Wolfsblut. Jack London
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Kampf mit den Zähnen
Die rothaarige Wölfin hatte zuerst den Klang von Menschenstimmen und das Gebell der Schlittenhunde gehört, und sie war auch zuerst von dem Manne im Flammenkreis weggesprungen. Die anderen Wölfe hatten nur zögernd die Beute, der sie so lange gefolgt waren, aufgegeben, und sie verweilten noch ein paar Minuten lang und versicherten sich erst der Töne, bevor sie ihrem Beispiel folgten.
An der Spitze des Rudels lief ein großer, grauer Wolf, einer der vielen Führer. Er zwang die andern, den Spuren der Wölfin zu folgen, und er knurrte drohend oder schnappte zu, wenn die jüngeren Glieder des Rudels ihn überholen wollten. Auch beschleunigte er den Schritt, als er ihr, die langsam über die Schneefläche trabte, nahe kam.
Sie lief neben ihm her, als sei das der ihr gebührende Platz, und hielt mit dem Rudel Schritt. Er knurrte sie nicht an, noch zeigte er ihr die Zähne, wenn sie zufällig einen Satz ihm voran machte. Im Gegenteil behandelte er sie freundlich, für ihren Geschmack sogar zu freundlich, denn er drängte sich gern an sie heran, und dann zeigte sie ihm knurrend die Zähne, und einmal biß sie ihn sogar in die Schulter. Allein er bezeigte keine Empfindlichkeit, sondern sprang nur zur Seite und machte steifbeinig ein paar linkische Sätze, wobei er in Haltung und Benehmen einem verlegenen jungen Burschen vom Lande glich.
Dies war sein einziger Verdruss, wie er so mit dem Rudel dahinlief, allein sie hatte deren mehr. Auf ihrer andern Seite lief ein hagerer, alter Wolf, ergraut und mit den Narben mancher Schlacht bedeckt. Er lief ihr immer zur Rechten, denn er hatte nur ein Auge, und zwar das linke. Auch er hatte die Neigung, ihr so nahe zu kommen, daß seine narbenvolle Schnauze ihr die Schulter oder den Hals berührte, allein diese Aufmerksamkeiten, wie ähnliche des Gefährten ihr zur Linken, wies sie mit den Zähnen zurück. Wenn aber beide Liebhaber sie zu gleicher Zeit bedrängten, so mußte sie sich nach beiden Seiten hin mit raschen, scharfen Bissen wehren, um sie fortzutreiben, während sie zugleich mit dem Rudel Schritt halten und auf den Weg aufpassen mußte. In solchen Augenblicken knurrten die beiden Nebenbuhler sich drohend und zähnefletschend an. Sie hätten miteinander gekämpft, wenn nicht Werbung und Eifersucht vor der dringenderen Not des Hungers in den Hintergrund getreten wären.
Nach jeder Abweisung, wenn der alte Wolf den scharfen Zähnen des Gegenstandes seines Verlangens auswich, stieß er gegen einen jungen, dreijährigen Rivalen, der auf seiner blinden Seite lief. Dieser junge, aber völlig ausgewachsene Wolf besaß gegenüber dem schwachen und verhungerten Zustande des Rudels mehr als durchschnittliche Kraft und Kühnheit. Nichtsdestoweniger lief er neben dem alten Einäugigen nur so hin, daß sein Kopf mit der Schulter des letzteren in gleicher Linie blieb. Wagte er sich weiter vor, was nur selten geschah, so schnappte der Alte zähnefletschend nach ihm und trieb ihn an den früheren Platz zurück. Manchmal blieb er jedoch langsam und vorsichtig zurück und drängte sich zwischen den Führer und die Wölfin. Dies trug ihm jedesmal zwei-, ja dreifache Ahndung ein. Während die Wölfin ihm nur die Zähne wies, pflegte der Alte sich gegen ihn zu drehen; tat dies jedoch auch einmal die Wölfin, so mischte sich auch der junge Führer zur Linken ein.
Zu solchen Zeiten blieb der junge Wolf, von drei scharfen Gebissen angegriffen, eiligst stehen, setzte sich fest auf die Hinterbeine, stemmte die Vorderfüße steif auf den Boden, sträubte das Haar und knurrte drohend. Solch ein Aufenthalt an der Spitze des trabenden Rudels verursachte immer eine große Verwirrung am Ende desselben. Die Wölfe prallten von hinten auf den jungen und drückten ihr Mißfallen durch scharfe Bisse in seine Hinterbeine und Flanken aus. So brachte er sich stets in großes Ungemach, denn der Mangel an Nahrung erzeugt verdrießliche Stimmung, doch mit der unerschöpflichen Hoffnungsfreudigkeit der Jugend wiederholte er immer wieder das Manöver, obwohl es ihm nichts als Unbehagen eintrug.
Wäre Speise vorhanden gewesen, so würden Werbung und Kampf Hand in Hand gegangen sein, und das Rudel hätte sich bald zerstreut. Aber die Lage der Wölfe ward verzweifelt. Durch die lange Hungersnot abgemagert, liefen sie weniger rasch als sonst. Im Nachtrab hinkten die Schwachen, die Jungen und die ganz Alten. An der Spitze trabten die Stärksten, doch sahen alle mehr wie Skelette denn wie ausgewachsene Wölfe aus, trotzdem waren ihre Bewegungen, mit Ausnahme der lahmen Tiere, leicht und mühelos. Die dünnen Muskeln schienen von Stahl zu sein und unerschöpfliche Kraft in sich zu bergen, hinter jeder Zusammenziehung derselben lag immer noch eine andere in endloser Folge.
Sie liefen an jenem Tage viele Meilen weit, und auch die ganze Nacht hindurch liefen sie. Auch der nächste Tag fand sie noch in Bewegung. Sie trabten über die weite Fläche einer gefrorenen, toten Welt. Kein Leben regte sich. Sie allein regten sich in der ungeheuren Öde. Sie allein waren lebendig, und sie suchten andere lebendige Wesen, um sie zu verschlingen, damit sie weiter leben könnten.
Sie passierten niedrige Wasserscheiden und kamen an einem Dutzend kleiner Ströme vorüber in eine tiefer gelegene Gegend, wo ihr Suchen endlich belohnt wurde. Hier stießen sie auf Elche, und der erste, den sie fanden, war ein mächtiger Elchbulle. Hier war Leben, hier war Fleisch und kein geheimnisvolles Feuer, keine fliegenden Brände, die es schützten. Gespaltene Hufe und gezacktes Geweih kannten sie, und dem gegenüber schlugen sie die gewohnte Geduld und Vorsicht in den Wind. Der Kampf war kurz und verzweifelt. Auf allen Seiten wurde der große Elch angegriffen. Zwar brachte er ihnen Wunden bei, zerschmetterte ihnen mit schlau berechneten Schlägen der großen Hufe den Schädel, zermalmte sie, zerbrach ihnen die Knochen mit dem großen Geweih und zerstampfte sie unter seinem Gewicht im Schnee. Dennoch gab es keine Rettung für ihn, und der Kampf endigte damit, daß die Wölfin ihn an der Kehle packte, während die Zähne der andern überall in sein Fleisch einschlugen, und sie ihn zu verzehren begannen, ehe noch sein letzter Atemzug getan und sein Todeskampf vorüber war.
Nun gab es Speise in Fülle. Der Elch wog über achthundert Pfund, was auf jeden der ungefähr vierzig Wölfe zwanzig Pfund Fleisch ausmachte. Wenn sie aber auch lange und andauernd fasten konnten, so vertrugen sie auch eine reichliche Mahlzeit, und bald waren ein paar umhergestreute Knochen alles, was von dem herrlichen Geschöpf übrig war, das noch vor wenigen Stunden dem Rudel die Stirn geboten hatte.
Nun legten sie sich zu langer Ruhe und zum Schlafe nieder. Doch mit dem vollen Magen fing unter den jüngeren Wölfen Uneinigkeit, Streit und Hader an. Und dies dauerte an, bis das Rudel sich auflöste. Denn die Zeit der Not war vorüber. Sie waren in einem Lande, wo es Wild gab, und sie jagten nun vorsichtiger, indem sie nur lahme und krüppelige Tiere aus kleinen Elchrudeln aussuchten.
Dann kam in diesem Lande der Fülle ein Tag, wo das Rudel sich teilte und ein Teil in anderer Richtung abzog. Die Wölfin, der junge Führer an ihrer Linken und der alte Einäugige ihr zur Rechten führten die Hälfte des Rudels nach dem Mackenzie-Fluss hinunter und in das Land der Seen im Osten. Von Tag zu Tag verminderte sich dieser Rest des Rudels. Zu zweien, immer ein Wolf und eine Wölfin, machten sie sich aus dem Staube. Dann und wann wurde auch ein Einzelwolf von den scharfen Zähnen der Nebenbuhler ausgetrieben. Zuletzt blieben nur noch vier übrig: die Wölfin, der junge Führer, der Einäugige und der ehrgeizige Dreijährige.
Die Wölfin zeigte jetzt grimmige Laune, bald trugen ihre drei Bewerber alle die Spuren ihrer Zähne. Dennoch verteidigten sie sich nie, noch vergalten sie Gleiches mit Gleichem. Bei den ungestümsten Angriffen drehten sie ihr die Schulter zu und suchten, mit dem Schweife wedelnd und mit zierlichen Schritten sie umtänzelnd, ihren Zorn zu beschwichtigen. Waren sie aber auch ihr gegenüber ganz zahm, so waren sie wild genug gegeneinander. Der Dreijährige wurde in seinem Ärger eines Tages gar zu frech. Er zauste den Einäugigen auf der blinden Seite und riß ihm das Ohr in Fetzen. Wenn auch der alte Wolf nur auf einer Seite sehen konnte, so brachte er gegen die Jugendkraft des Gegners doch die Weisheit und Erfahrung vieler Jahre ins Feld, und sein verlorenes Auge, seine narbenvolle Schnauze zeugten von der Natur dieser Erfahrungen. Er hatte zu viele Kämpfe überlebt, um über das, was er zu tun hatte, einen Augenblick im Zweifel zu sein.