Tattoo. Andreas Richter
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Kaum war Lars alleine im Raum, setzte er sich auf einen der Konferenzstühle, lockerte die Krawatte und öffnete den obersten Hemdknopf, atmete tief durch. Erst jetzt bemerkte er die Anspannung, die nun von ihm abfiel wie ein schwerer Mantel. Kurz darauf rief er die Website der Fluggesellschaft auf, mit der er fliegen würde. Er buchte seinen Rückflug auf einen früheren Flug um, der in etwas mehr als zwei Stunden abheben sollte.
Anschließend packte er rasch seine Sachen zusammen und bat die Teamassistentin im Empfangssekretariat, ihm ein Taxi zu rufen. Dann ging er zu den Sanitärräumen und schloss sich in einer der WC-Kabinen ein. Er zog das Jackett aus und drückte den Ärmel des weißen Hemdes auf seinen Oberarm.
Die Zeichnung. Sie schimmerte durch den Stoff.
Lars schüttelte den Kopf. Er verstand das alles nicht. Doch er brauchte Antworten – und sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er sich damit nicht zu viel Zeit lassen sollte.
4.
Was ist denn das?«, fragte Melanie verwundert.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Lars, »aber es könnte eine Tätowierung sein.« In Anzugshose und mit freiem Oberkörper stand er im Wohnzimmer.
Sie runzelte die Stirn. »Aha, es könnte also eine Tätowierung sein, aber du bist dir nicht ganz sicher – alles klar, ich verstehe.«
Lars kannte diesen abfälligen Tonfall nur zu genau. Niemand beherrschte ihn besser als Melanie.
Sie sagte: »Also, wenn dies eines dieser Airbrush-Tattoos ist, die nach einigen Wochen wieder verblassen, muss ich dir leider sagen, dass das ziemlich albern ist. Für meinen Geschmack bist du deutlich zu alt für solchen Blödsinn.«
»Es ist kein Airbrush und auch nichts anderes, das ich auf meinen Arm habe malen lassen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es dort hin gekommen ist. Ich wachte heute früh auf und da waren diese Farben auf meinem Arm. Sie lassen sich nicht abwaschen, ich habe alles versucht. Morgen Vormittag gehe ich zum Hautarzt und lasse es anschauen, ich habe mir bereits einen Termin besorgt. Es sieht aus wie eine Tätowierung, aber es kann unmöglich eine Tätowierung sein.«
»Nicht zu fassen«, murmelte Melanie kopfschüttelnd, »der Mann erzählt den größten Müll und hält sich dabei auch noch für oberwitzig.«
»Melli, verdammt ...! Weshalb glaubst du mir nicht?«
Sie lachte unecht auf. »Weil es da nichts zu glauben gibt! Du kommst nach Hause und erzählst diesen Schwachsinn von einer möglichen oder angeblichen Tätowierung, doch da eine frischgestochene Tätowierung anders aussieht als das, was auf deinem Arm ist, kann es sich unmöglich um eine frische Tätowierung handeln. Also handelt es sich entweder um eine bereits wochenalte Tätowierung, die du irgendwie vor mir verborgen gehalten hattest oder ...«
»Ich halte nichts vor dir verborgen.«
»... oder es ist eines von diesen bescheuerten Airbrush-Dingern, Punkt! Also, was ist es nun?«
»Ich weiß es nicht, verdammt noch mal. Es ist genau so, wie ich es sage. Ich wachte heute früh auf und da war ...«
»Hör' auf!«, brüllte sie und Tränen stiegen in ihre Augen. Sie zischte: »Ruhe, sei still, halt den Mund! Ich ertrage diesen Mist nicht länger. Nicht heute, nicht nach diesem Scheißtag.«
»Oh, du hattest einen Scheißtag?«, fragte er herablassend. »Na, dann frag' mich mal. Ich habe vor einem Haufen Wichtigtuer den Kasper gemacht, um einen fetten Auftrag an Land zu ziehen, für den ich mir wochenlang Tag und Nacht den Arsch aufgerissen habe, und das, nachdem ich heute nach dem Aufwachen diese ... Tätowierung, oder was auch immer es ist, auf meinem Arm entdeckt hatte. Hast du eine Vorstellung davon, was für ein gewaltiger Schreck das gewesen war? Und keine drei Stunden später musste ich auf den Punkt konzentriert und gut drauf sein, damit die Kohle aus den Taschen dieser blasierten Manager-Idioten in meine Tasche wandert. Wie du dir also vorstellen kannst, hat mich dieser Tag gehörig durcheinander gebracht und ziemlich gestresst. Und dann komme ich nach Hause, und meine liebe Frau macht einen auf genervt und zeigt mir die kalte Schulter und unterstellt mir, ich würde ihr die Tasche volllügen. Verdammt, Melli, was soll das?«
Sie begann zu schluchzen. »Lass' mich in Ruhe«, sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung und eilte aus dem Raum. Kurz darauf hörte Lars die Haustür zuschlagen.
»Na, klasse«, murmelte er.
Durch das Sprossenfenster sah er Melanie in ihren Wagen einsteigen und mit Bleifuß davonfahren. Kopfschüttelnd blickte er ihr hinterher. Was war bloß los mit ihr? Es war das erste Mal, dass er Melanie so erlebt hatte. Und dabei hatte er ihr doch nichts weiter erzählt als die Wahrheit. Zugegeben, die Art und Weise, wie er es ihr gesagt hatte, war nicht die beste gewesen, aber war es bei alldem nicht zu verstehen, dass er die Beherrschung ein wenig verloren hatte?
Er seufzte. Alles halb so schlimm. Melli würde sich schon wieder beruhigen. Sie würde ein wenig durch die Gegend fahren oder bei einer Freundin Dampf ablassen und dann wieder nach Hause kommen, er würde sich entschuldigen und sie würden noch einmal vernünftig über alles reden.
Lars sah auf die Uhr. Siebzehn Uhr. Er zog sich das Hemd wieder über und ging hoch zum Kinderzimmer seiner Tochter.
Juli hatte Lara zu Besuch, ein gleichaltriges Mädchen aus der Nachbarschaft. Sie lagen auf dem Fußboden und malten, während sie einer Hörbuch-Geschichte lauschten. Als Lars eintrat, rappelte Juli sich auf und sprang ihrem Vater in die Arme. Er drückte sie und gab ihr einen Kuss, dann begrüßte er Lara, indem er ihr über den Kopf strich. Das introvertierte Mädchen sah nicht einmal hoch, aber das kannte Lars bereits.
»Wann musst du nach Hause?«, fragte Lars sie.
»Mama holt mich ab.«
Lars nickte. Das war zwar nicht die Antwort auf seine Frage, aber zumindest wusste er nun, dass er sich nicht weiter kümmern musste. Er sah, dass die Mädchen etwas zu trinken und eine Schale mit Butterkeksen hatten. Sie waren also versorgt. Lars verließ das Kinderzimmer und kehrte nach unten zurück.
Im Schlafzimmer zog er sich etwas Bequemeres an – nicht, ohne erneut einen ausgiebigen Blick auf die Zeichnung auf seinem Arm zu werfen. Die Linien waren sauber gezogen und das Rot hatte leichte Schattierungen, die dem Herzen Tiefe gaben, die Dornen wiesen feine Strukturierungen auf. Die Zeich-nung schien dem Arm regelrecht zu entwachsen. Lars musste zugeben, dass es eine gelungene Arbeit war.
Er ging in das Badezimmer und versuchte noch einmal und mit wenig Hoffnung, die Zeichnung vom Arm zu waschen. Nichts passierte. Lars schüttelte den Kopf. Das Ganze war nicht zu begreifen.
In der Küche nahm er eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und ging weiter in das Wohnzimmer. Er setzte sich auf das Sofa und schaltete den Fernseher ein. Er zappte sich durch den Bildschirmtext und anschließend durch die Sender, doch es lief nichts, was ihn interessierte, und außerdem war er viel zu unruhig, um sich zu konzentrieren.
Lars