Gorloin. Thomas Hoffmann
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Die Frauen bewirteten die Krieger um das Feuer mit Tee und Wildbret.
„Sieht aus, als wenn die gesamte Arbeit in der Siedlung von den Frauen erledigt wird,“ flüsterte Kat mir mit verhaltener Verachtung zu. „Die Kerle strolchen bloß auf der Jagd durch den Wald, denken sich Mutproben aus, um ihre Federn verteilen zu können, lassen sich bedienen und palavern in ihrer Ratshalle darüber, wer wen zuletzt beleidigt hat.“
Schräg gegenüber erkannte ich Lohan. Er saß für sich allein. Eine junge Frau reichte ihm eine Schale mit Essen. Sie blieb in seiner Nähe stehen, während er aß. Von den anderen Kriegern schien sich keiner in seine Nähe setzen zu wollen.
Nach dem Essen nahmen einige Krieger lange Pfeifen von den Frauen entgegen. Die Frauen waren beständig um die Krieger herum beschäftigt, nahmen ihnen die Essschalen ab und reichten ihnen Trinkkrüge, hielten sich ansonsten aber im Hintergrund. Lyana holte unsere Pfeifen und den Tabak aus unserem Gepäck. Auf Anweisung der Elben hatten wir es in einem leeren Raum am Ende der Wohnhütte abgelegt, vor der wir auf die Ratsversammlung gewartet hatten. Der Krieger neben mir tat ein paar Züge aus der Pfeife, die sein Nachbar ihm gereicht hatte, dann gab er sie an mich weiter. Im Gegenzug reichte ich ihm meine Pfeife. Er nickte mir anerkennend zu. Sein ernstes Gesicht zeigte beinahe ein Lächeln. Er drehte die kleine, bauchige Pfeife mit unverhohlener Neugier in den Händen. Dann tat er einen kräftigen Zug. Überrascht riss er die Augen auf. Er versuchte mühsam, seine würdige Haltung zu bewahren, während er einen Hustenanfall unterdrückte. An dem amüsiertem Gemurmel erkannte ich, dass viele Krieger unseren Pfeifentausch beobachtet hatten. Belustigt schauten sie auf den neben mir sitzenden Krieger, den immer noch verhaltener Husten beutelte. Er gab meine Pfeife an seinen Nachbarn weiter, der sie mit Würde entgegen nahm. Zur Freude der Krieger um das Feuer musste auch er heftig husten, nachdem er einen Zug getan hatte.
Während meine Pfeife die Runde machte, zog ich an der langen Elbenpfeife. Der Rauch schmeckte nach Buchenlaub. Einige Krieger, die mir zusahen, schienen enttäuscht, dass ihre Pfeife nicht die gleiche Wirkung bei mir hervorrief wie umgekehrt. Ich gab die Pfeife an Kat weiter. Aeolin hatte sich neben Lyana gesetzt. Die beiden sprachen leise miteinander. Als meine Pfeife Lohan hingehalten wurde, stand er auf und verließ die Runde, ohne die Pfeife in die Hand zu nehmen.
Der Mond kam über den Bergspitzen hervor. Im blassen Mondlicht stimmte einer der Elbenkrieger einen sanften, wehmütigen Gesang an, der an die Melodien erinnerte, die Lyana auf ihrer Flöte spielte. Nach einer Weile standen Aeolin und Lyana auf und gingen in ein leises Gespräch vertieft zwischen den Hütten davon.
Ich sprach den Elb neben mir an. „Alle Krieger am Feuer sind Männer. Nur wenige Frauen bei euch scheinen Kriegerinnen zu sein?“
Der hochgewachsene Mann nickte. „Aeolin, die junge Kriegerin der dritten Feder, ist die einzige Frau des Clans, die den Weg des Kriegers gewählt hat. Nicht alle meine Brüder in der Ratsversammlung stimmten dafür, sie in den Rat der Krieger aufzunehmen. Tamelund, unser Vater selbst war es, der ihr den Weg des Kriegers erlaubte. Sie ist eine große Kämpferin und Bogenschützin. Ihr Herz kennt keine Furcht.“
„Lohan hat vermutlich dagegen gestimmt? Er schien heute immer wieder gegen sie zu reden.“
Der Elb blickte nachdenklich in die heruntergebrannte Glut. „Lohans Seele ist gebrochen. Seine Augen schauen das Licht der Morgenstunde im Wald, aber sein zerrissenes Herz bleibt dunkel. Hast du die Narbe an seinem Hals gesehen, die ihn brandmarkt?“
Eine Ahnung beschlich mich. Mit einem Mal begriff ich den blanken Hass, den Lohan mir entgegenschleuderte.
„Hat ein Schwarzmagier ihn so verletzt?“
„Du sprichst es aus. Tamelund, unser Vater, rettete ihn aus den Fängen der Hexe unten am See. Keiner der Krieger weiß, was Lohan in jener fluchbeladenen Vollmondnacht widerfahren ist. Er schweigt darüber, aber die Erinnerung frisst sein Herz auf.“
„Tamelund - ihr nennt ihn euren Vater. Wer ist er?“
„So lange ich denken kann, hat Tamelund den Rang derer inne, die keine Federn mehr zählen. Den gesamten Clan würden Tränen und Bestürzung blind machen, sollte Tamelund seiner Sehnsucht nachgeben und den Weg unserer Väter in die Heimat gehen. Wenn er lächelt, singen die Wälder. Ballt er die Faust, lassen die Bäume am Fluss ihre Blätter welken.“
***
Spät in der Nacht verließen Kat, Sven und ich das heruntergebrannte Feuer und gingen zu der Wohnhütte hinüber, in der die Elben uns einen Raum zugewiesen hatten. Der zu vier Fünfteln volle Mond stand im Westen. Unter seinem rötlichen Schein lag die Siedlung im Halbschatten.
Obwohl es ein anstrengender Tag gewesen war, mochten keiner von uns sich schlafen legen. Der Raum mit unserem Gepäck lag am Ende der Langhütte. An den äußersten Pfosten gebunden döste Fedurin mit hängendem Kopf vor sich hin. Er blickte auf, als wir näher kamen. Als wir uns neben der Tür auf die niedrige Bank unter dem Dach der Langhütte setzten, ließ der Esel sich aufs Heu nieder und legte den Kopf zur Seite ins Heu.
Kat beobachtete das Tier kopfschüttelnd. „Ich glaub's nicht. Der vertraut uns so sehr, dass er denkt, wenn wir da sind und aufpassen, kann er ja mal 'ne Runde im Liegen schlafen.“
Lyana war von ihrem nächtlichen Spaziergang noch nicht zurückgekehrt. Voller Unruhe blickte ich nach dem tief über den Bäumen stehenden Mond. In vier Nächten würde es Vollmond sein.
Neben mir ließ Kat den Blick durch die Siedlung schweifen. „Aber mal ernsthaft,“ meinte sie leise. „Das hier sind doch keine Elben. Elben sind lichte, edelmütige Wesen, mehr Göttern ähnlich, als Menschen. Elben leben tausende von Jahren ohne zu altern. Lyana muss sich irren. Die hier - das sind doch Wilde, ohne jede Kultur!“
„Sie sprechen die Sprache, von der Lyana sagt, es sei die Sprache der Herren des Waldes,“ meinte ich nachdenklich.
„Und was hat dieser Tamelund mit uns vor?“ überlegte Kat weiter. „Er hat uns in den Ahnenhügeln das Leben gerettet - und jetzt hält er uns hier fest. Mir gefällt das nicht.“
„Vielleicht,“ brummte Sven, „haben sie irgendein Buch verloren, und wir sollen es ihnen wiederbringen.“
Kat biss sich auf die Lippen, um nicht laut loszuprusten.
Sie schlug Sven sanft auf den Schenkel. „So ein Quatsch! Und wenn - wir gehen keine Bücher mehr suchen, für niemand mehr!“
Zwischen den Hütten erkannte ich Lyanas schlanke Gestalt. Sie kam mit ihrem leichten, federnden Schritt, der so sehr dem der Krieger der Siedlung glich, über den Platz und setzte sich neben mir auf die Bank. Ich schaute sie fragend an, aber sie erwiderte meinen Blick nicht. Schweigend sah sie auf den Platz hinaus. Sie saß sehr aufrecht. Ihr Gesicht hatte den stillen und ernsten Ausdruck der Waldelben, die Kat für Wilde hielt.
Bist du glücklich, Lyana?
Für einen Moment schloss sie die Augen. Dann lehnte sie sich kaum merklich an meine Schulter.
***
Wir verbrachten die Nacht in unsere Decken gehüllt auf dem Lehmboden. Die Siedlung