Closing Words. Valuta Tomas
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Sie umgreift den Schaltknauf fester, reißt den ersten Gang hinein, nimmt den Fuß von der Kupplung und legt ihr ganzes Gewicht auf das Gaspedal. Sofort bricht der Arsch des Toyotas aus, als die hinteren Reifen durchdrehen. Kaum haben sie Grip, frisst sich der Wagen in die Strecke. Ihr Fuß tritt die Kupplung unglaublich hart. Die Hand reißt den nächsten Gang in das Getriebe. Der Wagen zieht mit einer unglaublichen Geschwindigkeit an, bis sie ihre Gefühle erneut durch die Kupplung und den Schaltknauf zum Ausdruck bringt. Ihre Augen liegen scharf auf der dunklen Strecke. Sie sieht nur so weit, wie der Lichtkegel der Scheinwerfer es zulässt. Dennoch fährt sie mit einer Geschwindigkeit, die in dieser Dunkelheit tödlich enden könnte.
Der nächste Gang wird in das Getriebe geschlagen. Gedanken an Sam und ihn prügeln sich ebenso unsanft in ihr Gehirn, wie sie einen weiteren Gang in das Auto boxt.
Gedanken die sie zerfressen. Gedanken die sie zerreißen. Gedanken die sie die Kontrolle über den Wagen verlieren lassen. Mit über hundert Meilen bricht der Wagen aus. Quietschend dreht sich der Toyota einige Male auf der Strecke. Ihre Augen fliegen hektisch hin und her. Sie erfasst die seitlichen Absperrungen der Strecke. In einem Moment tauchen sie im Lichtkegel der Scheinwerfer auf, dann erscheint wieder die Strecke. Abwechselnd spielen sie Fangen mit ihr.
Adrenalin pumpt sich durch ihren Körper. Angst übermannt sie. Panische Angst. Angst um Sam, nicht um sich selbst. Sie ist sich egal. Sie will einfach nur ihre Sam wieder haben.
Qualmend bleibt der Toyota stehen. Überall in ihrem Körper kribbelt es. Der Nacken, die Arme, der Kopf, alles. Sie atmet rasend. Die Augen weit geöffnet, blickt sie um sich, dann bricht sie in Tränen aus. Sie weiß, dass diese ganze Geschichte mit ihm kein gutes Ende nehmen wird. Und das zu wissen, zerreißt sie.
Voller Verzweiflung weint sie um Sam. Um die Tage die noch auf sie zukommen werden. Wütend, weinend und brüllend schlägt sie auf das Lenkrad. Sie schreit ihre ganze Wut und Verzweiflung heraus. Mit den Fäusten schlägt sie dann gegen das Autodach.
Warum musste das passieren? Warum können sie nicht einfach nur in Ruhe leben? Warum muss immer irgendetwas in ihrem Leben passieren, so dass sie sich gegenseitig beweisen müssen? Wieso müssen sie ihre Liebe zueinander immer beweisen? Wieso können sie nicht einfach in einem stinklangweiligen aber glücklichen Leben alt werden und zusammen sterben?
Schwer atmend, weinend und hilflos, verlassen sie ihre Kräfte. Sie sackt in sich zusammen. Wimmernd schlingt sie die Arme um sich selbst. Als sie ihre Augen schließt, sieht sie Sam vor sich. Ihr Herz schmerzt. Ihr Herz zerfetzt fast bei dem Gedanken daran, was er alles mit ihr anstellen wird. Aber Sam wird sich wehren, das weiß sie. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Egal was er ihr antun wird, Sam wird einen Weg finden, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Sam wäre nicht Sam, wenn sie zu seinem Spielzeug wird, nur weil er es so will.
»Scheiße!«, brüllt sie und schlägt noch einmal mit der Faust gegen das Autodach.
Stage 1
»Precious, lauf bitte nicht so weit weg.« Voller Sorge blickt Sam der Maus hinterher, wie sie mit ihren kleinen Füßen flink durch den dunklen Sand des Baker Beach umher rast.
Ein kurzes »Ja« wird mit dem Wind zu ihr zurückgetragen, was sie allerdings nicht beruhigt. Ihre Augen kleben an dem sechsjährigen Zwerg, die alles erkundet was ihr auf ihrer kleinen Jagd entgegenkommt. Und sei es eine einfache Muschel, die hier zu tausenden herumliegt.
Sonntagnachmittag und Neve kam auf die Idee, ihre beiden Süßen einfach einzupacken und an den Strand zu entführen. Sie wollte raus aus dem Trott, den sie täglich meistern. Ein Wochenende das mal wieder nur ihnen gehört. Durch ihren Job als Agentin beim FBI, hat sie mittlerweile viel zu wenig Zeit, um ein richtiges Familienleben führen zu können. Sie kommt kaum noch dazu ihre kleine Maus aufwachsen zu sehen.
»Sam?«, haucht sie leise.
»Hm?« Sams Augen verfolgen noch immer Precious' Spießroutenlauf.
Auf einer Decke sitzend, haben es sich die Frauen am Wasser gemütlich gemacht. Sie stören sich nicht daran, dass es ihnen hunderte von Familien gleichmachen. Der Strandabschnitt ist bis zum erbrechen gefüllt, was den offenen Blick auf Precious erschwert.
Weil Sam zwischen ihren Beinen vor ihr sitzt, schlingt Neve die Arme enger um die Frau die ihr Leben bedeutet und zieht sie näher zu sich heran. Ihre Lippen gleiten an Sams Ohr, was der jungen Frau, trotz der vergangenen Jahre, noch immer einen zittrigen Schauer bereitet.
»Was hältst du davon, wenn Precious jemanden hätte, mit dem sie spielen könnte? Vielleicht ein kleines Geschwisterchen?« Sam stockt spürbar der Atem. Neve kann regelrecht dabei zuhören, wie ihr Herz zu rasen beginnt.
Ganz langsam beugt sich Sam vor, löst sich aus der Umarmung und dreht sich zu ihr um. Ihre Augen treten fast aus den Höhlen.
»Ist das dein Ernst?«, flüstert sie leise. Ihre Stimme zittert leicht.
Etwas verunsichert nickt Neve. Eigentlich hatte sie sich eine andere Reaktion ausgemalt. Eine, die Jubel und Luftsprüngen etwas mehr gleicht. Stattdessen ist sie sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob es richtig war diese Frage zu stellen.
Irritiert schaut sie Sam an. Ein leichtes Lächeln bildet sich auf den vollen Lippen der Südländerin. Spitzbübisch zieht sie eine Augenbraue hoch.
»Interessant dass du das fragst.«
»Warum?« Neve ist noch immer über Sams Reaktion verunsichert. Wo bleibt die Freude?
Aus der hockenden Haltung erhebend, beugt sich Sam zu ihr und presst sich mit dem Oberkörper kräftig gegen sie, sodass beide Frauen auf der Decke zum liegen kommen.
Sams offene Haare fallen seitlich am Gesicht hinunter. Neve muss bei diesem Anblick schlucken. Sie kann es selbst nicht glauben, dass Sam noch immer diese unglaubliche Wirkung auf sie hat.
Da können sie seit drei Jahren endlich ein völlig normales Leben genießen, aber die Wirkung der Anziehungskraft jeder Frau auf die andere, hat sich kein Stück verändert, im Gegenteil. Neve glaubt, dass sie Sam mit jedem Tag mehr und mehr liebt. Falls das überhaupt noch möglich ist.
»Weil ich mir seit einer Woche die richtigen Worte überlege, um dich wissen zu lassen, dass ich mir noch ein weiteres Kind wünsche.« Sams aufleuchtende Augen begleiten ihre letzten Worte. Lächelnd aber erwartungsvoll schaut sie zu Neve hinunter. Der Jubel und die erwarteten Luftsprünge absolviert nun die Agentin. Ihre Augen schimmern vor Glück und Freude.
»Wirklich? Bist du dir sicher?«, krächzt sie und versucht ihre Stimme zu halten, damit diese nicht von den aufkommenden Tränen erstickt wird. Wortlos nickt Sam. Ihre Augen beantworten jede weitere Frage, die Neve ihr stellen könnte.
Keine Worte könnten die Fragen beantworten. Blicke reichen. Das taten sie bei Sam und Neve schon immer. Vieles was sie erlebt und durchlebt haben, konnten sie mit Blicken und gewissen Ausdrücken in den Augen schweigend unter sich klären. Niemals hätte Neve geglaubt, dass man auch auf so eine Art kommunizieren kann. Sie war es immer leid so viel reden zu müssen. Oftmals war sie es sogar leid den Mund zu öffnen. Sie hatte keine Lust dazu. Sie wollte nicht immer reden, sondern einfach nur handeln. Und mit Sam ist das alles so einfach geworden. Oft reicht nur ein Blick und sie wissen was sie denken, fühlen und meinen. Die Frauen sind füreinander wie ein offenes Buch. Jede kann in der anderen lesen, ohne eine Barrikade