Uppers End. Birgit Henriette Lutherer

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Uppers End - Birgit Henriette Lutherer

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in Ahnungslosigkeit und Sicherheit wiegen, um noch effizienter zuschlagen zu können. Leider ist dir das damals bravourös gelungen. Was war ich doch dumm und naiv!“ Hannah machte sich deswegen immer noch schwere Vorwürfe.

      „Na endlich hast´ de das kapiert“, triumphierte Martha. „Hast reichlich lange dafür gebraucht, Hannah.“

      „Na warte, du böses Weib!“ Hannah drohte mit erhobenem Zeigefinger zu Martha hinüber.

      „Benehmt euch!“, mahnte Upper.

      Augenblicklich gaben die beiden Ruhe.

      „Keine Sorge, Upper.“ Hannah nahm sich gehörig zurück. „An der mach´ ich mir nicht die Finger schmutzig. Nur eins wollte ich noch erzählen: Martha hatte mir damals mit der Backofengeschichte aus ihrer Heimat einen Floh ins Ohr gesetzt. Ich war so in Sorge um Linda, dass ich immerzu daran denken musste. Sollte es tatsächlich stimmen? Könnte es klappen? Ich musste es probieren! Ich wollte nichts unversucht lassen, damit Linda durchkam. Sicherlich hätte ich die Kleine auch ins Kinderkrankenhaus geben können, aber damit hätte ich ja zugeben müssen, dass ich versagt habe. Ich konnte in meiner Vorstellung schon förmlich hören, wie Martha das ausnutzen würde. Auch meine Mutter, die sich sonst aus allem heraushielt, hörte ich schon, wie sie mich als Versagerin betiteln würde. Das alles wollte ich mir ersparen. Mein Entschluss stand fest. Ich musste es ausprobieren. Als ich mit Linda alleine war, legte ich los. Ich überlegte mir zunächst, wie viel Grad Linda aushalten könnte ohne Schaden zu nehmen. Konnte ich meinen Backofen überhaupt auf solch niedrige Temperatur einstellen? Ich schaute nach. Fünfzig Grad war das Minimum. Das war definitiv zu hoch. Bei fünfzig Grad trocknete ich Dörrobst für den Winter. Nein, nein, Linda war doch kein Dörrobst! Ich entschloss mich, zwar die niedrigste Temperatur einststellen, doch dann, wenn sie erreicht sein würde etwas zu warten, bis die Temperatur wieder ein wenig heruntergekühlt wäre und dann würde ich Linda dort wärmen. Soweit der Plan. Doch wie sollte ich sie hineinlegen. Einfach so aufs Backblech? Nein, das wollte ich nicht. Wäre auch viel zu unbequem gewesen. Linda sollte es gut haben. Mir kam eine Idee: Der Gänse Bräter – das würde gehen. Linda war nur halb so groß wie eine gute Gans. Da würde sie bequem hineinpassen. Ich polsterte also den Bräter mit einer Decke und einem kleinen Kissen aus und legte Linda probehalber hinein. Das passte prima. Dann nahm ich sie erst mal wieder heraus, denn ich wollte das Spezial-Bettchen im Ofen vorwärmen. Ich stellte den Bräter samt Kissen und Decke hinein und setze mich mit Linda auf dem Arm auf einen Stuhl, den ich vor dem Ofen bereitgestellt hatte. Bald musste es soweit sein. Ich hatte den Temperaturregler vor zwanzig Minuten ausgemacht. Jetzt musste ich nur noch rasch die tatsächliche Temperatur überprüfen. Dazu hatte ich mir das Thermometer vom Heißentsafter geholt. Ich öffnete also die Türe des Backofens. Auf meinem linken Arm hielt ich Linda, mit rechts packte ich den Griff der Ofenklappe. Ich blickte auf Linda hinab. Mit großen, weit aufgerissenen Augen guckte sie mich voller Angst an. Sie begann fürchterlich zu weinen als sich unsere Blicke trafen. Es war ganz so als würde sie mich anflehen: ´Tu´s nicht! Bitte, bitte tu´s nicht´. Und obwohl sie so klein und schwach war, entwickelte sie plötzlich eine enorme Kraft und versuchte sich zu befreien. Plötzlich wurde mir übel. Mir wurde bewusst, was ich im Begriff war zu tun. Mir war, als hätte eine fremde Macht oder ein böser Zauber mich ergriffen und veranlasst, das zu tun. Entsetzt sprang ich von meinem Stuhl auf. Mit Krachen kippte er hinter mir um. Ich rannte mit Linda aus der Küche raus. ´Nur weg von hier! Weg von dem Herd´, dachte ich. Ich setzte mich mit Linda aufs Sofa im Wohnzimmer und versuchte mich zu beruhigen. Linda war mittlerweile still.“

      „Ja, stumm vor Schreck. Kannst du dir vorstellen, wie das damals für mich war? Ich war dir ausgeliefert, konnte mich nicht wehren. Ich spürte die Bedrohung am ganzen Körper.“

      „Oh Linda, es tut mir so furchtbar leid. Ich hab´s nur gut gemeint – das musst du mir glauben!“

      „Schwamm drüber! Jetzt, wo du vor allen hier deine Tat gestanden hast, habe ich meine Genugtuung erhalten.“

      „Aber ich bin damit noch nicht fertig“, insistierte Kanep. „Davon habe ich hier zum ersten Mal gehört. Das ist ja schrecklich! Wie grausam! Das hast du mir nie erzählt, Linda.“

      „Ich weiß, Kanep. Ich sah keine Notwendigkeit das zu tun. Ist doch letztendlich gut ausgegangen.“

      „Wie kannst du das nur so in aller Seelenruhe sagen? Was man dir angetan hat ist ja wohl … wohl …, da fehlen mir die Worte.“ Kanep war außer sich. Er war wütend auf Hannah und gleichzeitig verzweifelt, weil er nichts tun konnte. Wenn Hannah nicht schon tot gewesen wäre, würde er es jetzt veranlassen wollen.

      „Kanep, Hannah mag es getan haben, aber die wahre Schuldige steht da drüben.“ Linda zeigte auf Martha.

      „Ich? Jetzt soll ich das gewesen sein? Nein, nein – das hängst du mir nicht an, Linda!“

      „Und ob, Martha. Das war auf deinem Mist gewachsen. Du hast Hannah das doch mit dem Backofen erzählt! Außerdem hast du damit angegeben, dass du dich auf geheime Künste verstehen würdest. Warzen besprechen, bei Vollmond, unter einer Buche und so weiter. Verwünschen und verfluchen konntest du auch. Da brauch ich doch nur eins und eins zusammenrechnen und hab´s raus, du alte Hexe!“

      „Martha schweig jetzt besser“, mahnte Heinrich. „Willst du noch mehr Schaden anrichten?“ Heinrich befürchtete, das hier könnte nicht gut für sie beide ausgehen. Er versuchte da wieder rauszukommen. Deshalb fragte er seinen Sohn Erhard: „Was sagst du zu der Geschichte, die deine Frau da erzählt hat und zu Lindas Anschuldigungen?“

      „Ich hab´ doch gar nichts davon mitbekommen – war doch Arbeiten. Außerdem hat sie´s nicht gemacht. Linda ist nichts passiert. Ihr könnt euch was anstellen. Eins sag ich euch: Hannah ist die beste Mutter und Ehefrau, die ich kenne. Meine Hannah ist eine gute Frau! Und noch was: Martha ist auch eine gute Frau! Sie ist meine Mutter und hat immer gut für mich gesorgt - auch als Papa im Krieg an der Front kämpfen musste.“ Damit war für Erhard die Sache erledigt. Das entsprach genau seiner Art, wie er die Dinge regelte. Er hielt sich möglichst aus allem heraus, denn so wurde er in keinen Streit hineingezogen oder für etwas verantwortlich gemacht. Sollten die anderen ihren Kram machen. Erhard wollte nichts damit zu tun haben. Erhard war einer von Uppers Füll-Seins. Er war ohne bestimmte Aufgabe auf der Erde. Heinrich hatte Upper vor seiner Reise zur Erde gebeten, ihm ein Sein als Ergänzung zur Seite zu stellen. Er wollte ausprobieren einen Nachfolger für sich auszubilden. Aus unerfindlichen Gründen ließ Upper sich auf diesen Versuch ein. Doch gestand er Heinrich lediglich eins von seinem Füll-Seins zu. Seine Spezialisten wollte er für dieses vage Experiment nicht leichtfertig opfern. Wie sich noch herausstellen sollte, hatte Upper gut daran getan. Leider war Erhard aber eine große Enttäuschung für Heinrich. Er besaß keinerlei perfide Energie wie er sie selber besaß und er hegte im Gegensatz zu ihm nie böse Absichten. Kurz, ihm fehlten alle Voraussetzungen für eine würdige Nachfolge. Erhard war das einzige Kind von Heinrich und Martha. Ich denke, Martha verstand es, weitere Kinder durch diverse Methoden zu verhindern. Erhard war ein lieber Kerl aber denkbar ungeeignet Heinrichs Erbe anzutreten. Da konnte Heinrich nur auf einen Enkelsohn hoffen. Nun ja, das erste Enkelkind, das Erhard und Hannah ihm brachten, war Ute. Die Freude war groß, als Ute zur Welt kam – doch sie war nur ein Mädchen. Aber vielleicht würde sie Marthas Traditionen fortführen, wer weiß? Die Möglichkeit war durchaus gegeben, denn Ute war kein Forschungs-Sein sondern ein Flexi-Be, so zu sagen ein Joker. Flexi-Bes sind zunächst ohne besondere Aufgabe auf der Erde, können sich aber später spezialisieren. Entweder entscheiden sie selber über eine mögliche Aufgabe oder ihnen wird nachträglich eine Aufgabe vom Bibo zugeteilt. Gut ein Jahr nach Ute kam Hans auf die Welt. Was war das für eine Freude! Ein Stammhalter, endlich ein Stammhalter! Heinrich sah sich am Ziel. Hans sollte also derjenige sein, welcher auf ihn folgen würde. Daraus konnte tatsächlich was werden. Hans war ein Phantom-Sein, ein Sein das sich selten zeigt und auch nicht zeigen will, wie es ist. Es lebt überwiegend im Verborgenen und gibt seine Archetyp-

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