Das Geld. Emile Zola

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Das Geld - Emile Zola Die Rougon-Macquart

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Bildung, die sie sich an seiner Seite in den langen Stunden erwarb, da er sich in seine technischen Arbeiten vertiefte, ihre geistige Unabhängigkeit zurückgewonnen. Sie beherrschte vier Sprachen, sie hatte die Nationalökonomen und die Philosophen gelesen und sich zeitweilig für die sozialistischen und evolutionistischen Theorien begeistert; dann aber war sie ruhiger geworden. Ihren Reisen, ihrem langen Aufenthalt in fernen Ländern vor allem verdankte sie eine große Toleranz und eine schöne Ausgeglichenheit und Weisheit. Wenn sie auch nicht mehr gläubig war, so hatte sie doch Achtung vor dem Glauben ihres Bruders. Beide hatten sich einmal darüber ausgesprochen und nie wieder davon angefangen. Bei all ihrer Schlichtheit und Gutmütigkeit war sie eine kluge Frau, begabt mit einem außergewöhnlichen Lebensmut und einer fröhlichen Tapferkeit, die den Grausamkeiten des Schicksals widerstand; nur ein einziger Kummer nagte an ihr, so sagte sie: kein Kind zu haben.

      Einmal ergab es sich, daß Saccard Hamelin eine Gefälligkeit erweisen konnte, indem er ihm eine kleine Arbeit für eine Kommanditgesellschaft vermittelte, die für die Begutachtung einer neuen Maschine einen Ingenieur brauchte. Und so gelang es ihm, zu den Geschwistern ein vertrauliches Verhältnis zu gewinnen; fortan ging er häufig auf eine Stunde zu ihnen in den Salon hinauf, ihr einziges großes Zimmer, das sie in einen Arbeitsraum umgewandelt hatten. Dieser Raum wirkte völlig kahl, er war nur mit einem langen Zeichentisch, einem zweiten, mit Papieren beladenen kleineren Tisch und einem halben Dutzend Stühle möbliert. Auf dem Kamin stapelten sich die Bücher. Aber ein improvisierter Wandschmuck heiterte diese Leere auf: eine Reihe von Plänen und eine Folge heller Aquarelle, jedes Blatt mit vier Nägeln an der Wand befestigt. Das waren die Projekte aus Hamelins Mappe, die er so zur Schau stellte, seine in Syrien gemachten Aufzeichnungen, sein ganzes künftiges Vermögen; die Aquarelle stammten von Frau Caroline, Ansichten von dort unten, charakteristische Gestalten, Trachten – alles, was ihr auffiel, wenn sie ihren Bruder begleitete, hatte sie mit einem sehr persönlichen Sinn für Farben, doch ohne jeden künstlerischen Anspruch skizziert. Zwei breite Fenster, die auf den Garten des Palais Beauvilliers hinausgingen, ließen helles Licht auf diese kunterbunt durcheinander aufgehängten Zeichnungen fallen, die ein anderes Leben heraufbeschworen, den Traum einer in Staub zerfallenen antiken Gesellschaft, und die Entwürfe erweckten den Anschein, als wollten sie diese Gesellschaft mit festen, mathematischen Linien wiederaufrichten, sie gleichsam stützen mit dem soliden Gerüst der modernen Wissenschaft. Und wenn sich Saccard mit jenem Aufwand an Betriebsamkeit, der seinen Charme ausmachte, nützlich erwiesen hatte, versenkte er sich hingerissen in die Pläne und Aquarelle und bat unaufhörlich um neue Erklärungen. In seinem Kopf keimte schon ein ganzer großer Plan.

      Eines Morgens traf er Frau Caroline allein an, sie saß vor dem kleinen Tisch, den sie zu ihrem Schreibtisch gemacht hatte. Sie war todunglücklich, ihre Hände ruhten müßig zwischen den Papieren.

      »Was wollen Sie? Das nimmt bestimmt noch ein böses Ende ... Trotzdem verliere ich nicht den Mut. Aber es fehlt uns bald an allem zugleich, und was mir das Herz zerreißt, ist die Kraftlosigkeit, in die das Unglück meinen armen Bruder versetzt, denn er ist nur tapfer, hat nur Kraft bei der Arbeit ... Ich hatte daran gedacht, wieder irgendwo eine Stellung als Erzieherin anzunehmen, um ihm wenigstens zu helfen. Ich habe gesucht und nichts gefunden ... Aber ich kann doch nicht als Aufwartefrau gehen.«

      Nie hatte Saccard sie so fassungslos und niedergeschlagen gesehen.

      »Zum Teufel! Soweit sind Sie doch noch nicht!« rief er.

      Sie schüttelte den Kopf, war voller Bitternis über das Leben, das sie für gewöhnlich so mutig annahm, selbst wenn es sich als böse erwies. Und da Hamelin in diesem Augenblick nach Hause kam und die Nachricht von einem letzten Mißerfolg brachte, flossen ihr langsam dicke Tränen über die Wangen. Sie sprach nicht mehr, die Hände hatte sie, zu Fäusten geballt, auf den Tisch gelegt, und ihre Augen blickten verloren vor sich hin.

      »Wenn man bedenkt«, entfuhr es Hamelin, »daß es da unten Millionen gibt, die auf uns warten, und niemand hilft mir, sie zu gewinnen!«

      Saccard hatte sich vor einem Entwurf aufgepflanzt, der den Aufriß für einen inmitten großer Lagerhäuser gebauten Pavillon darstellte.

      »Was ist denn das?« fragte er.

      »Oh, das habe ich nur zum Spaß gemacht«, erklärte der Ingenieur. »Das ist der Entwurf für ein Wohnhaus da unten in Beirut, für den Direktor der Gesellschaft, von der ich immer träumte, Sie wissen ja, die Allgemeine Gesellschaft der vereinigten Dampfschiffahrtslinien.«

      Er wurde lebhaft, führte weitere Einzelheiten an. Während seines Aufenthalts im Orient hatte er festgestellt, wie mangelhaft das Transportwesen war. Die wenigen Reedereien mit Sitz in Marseille machten sich durch die Konkurrenz tot, kamen nicht auf die ausreichende Zahl von Schiffseinheiten, die mit allen Bequemlichkeiten ausgestattet sind; daher war es eine seiner ersten Ideen, bevor er überhaupt an seine vielen anderen Unternehmungen dachte, diese Reedereien in einem Kartell zusammenzufassen, sie in einer großen, mit einem Millionenkapital versehenen Gesellschaft zu vereinigen, die das ganze Mittelmeer ausbeuten und beherrschen könnte, indem sie einen Linienverkehr nach allen Häfen Afrikas, Spaniens, Italiens, Griechenlands, Ägyptens, Asiens und bis ins Schwarze Meer hinein einrichtete. Dieser Plan zeugte von einem großen organisatorischen Spürsinn und zugleich von einem hohen staatsbürgerlichen Bewußtsein: damit war der Orient erobert und Frankreich zum Geschenk gemacht, ganz davon zu schweigen, daß auf diese Weise Syrien näher rückte, wo seinem Wirken noch ein weites Feld offenstand.

      »Die Kartelle«, murmelte Saccard, »da scheint heute die Zukunft zu liegen ... Das ist eine so mächtige Form des Zusammenschlusses! Drei oder vier kleine Einzelunternehmen, die sich nur knapp über Wasser halten, gelangen unausweichlich zu neuem Leben und zu neuer Blüte, sobald sie sich zusammentun ... Ja, das Morgen gehört den großen Kapitalien, den vereinten Anstrengungen der großen Massen. Die ganze Industrie, der ganze Handel werden schließlich nur noch ein einziger, ungeheuer großer Basar sein, auf dem man sich mit allem versorgt.«

      Er war wieder stehengeblieben, diesmal vor einem Aquarell, das eine wild zerklüftete Landschaft darstellte, eine ausgetrocknete Schlucht, die ein riesiger, mit Gestrüpp bewachsener Felssturz versperrte.

      »Oh, oh«, versetzte er, »das ist ja das Ende der Welt. In diesem gottverlassenen Winkel wird man bestimmt nicht von Fußgängern angerempelt.«

      »Eine Schlucht im Karmel«, antwortete Hamelin. »Meine Schwester hat das während der Untersuchungen gemalt, die ich dort angestellt habe.« Und er fügte noch hinzu: »Sehen Sie, zwischen den Kreidekalkfelsen und dem Porphyrgestein, das den Kalkstein auf der ganzen Gebirgsflanke gehoben hat, gibt es ein beachtliches Schwefelsilberlager. Ja, ein Silbererzvorkommen, dessen Abbau nach meinen Berechnungen ungeheure Gewinne bringen würde.«

      »Ein Silbererzvorkommen«, wiederholte Saccard lebhaft.

      Frau Caroline, die in ihrer Traurigkeit immer noch in die Ferne blickte, hatte zugehört, und als wäre eine Vision heraufbeschworen worden, sagte sie:

      »Der Karmel! Ach, was für eine Einöde, was für Tage der Einsamkeit! Alles steht voller Myrten und Ginster, das duftet, die laue Luft ist wie von Balsam erfüllt. Und hoch oben schweben immerfort Adler ... Nein, und das viele Silber, das neben soviel Elend in diesem Grab schlummert! Man möchte glückliche Menschen sehen, Bauplätze, aufblühende Städte, ein durch Arbeit erneuertes Volk ...«

      »Eine Straße wäre leicht vom Karmel nach Akka erschlossen«, fuhr Hamelin fort. »Und ich glaube bestimmt, man würde auch Eisen entdecken, denn es ist in Hülle und Fülle in den Gebirgen des Landes vorhanden ... Ich habe auch eine neue Art der Förderung entwickelt, die bedeutende Einsparungen bringen würde. Alles ist bereit, es handelt sich nur noch darum, Kapitalien zu finden.«

      »Die Silberbergwerksgesellschaft des Karmel!« murmelte Saccard.

      Aber

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