Das Geld. Emile Zola

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Das Geld - Emile Zola Die Rougon-Macquart

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bei dem Gedanken an die strahlende Zukunft, die dort schlummerte, während ihm die Hände gebunden waren, weil er kein Geld hatte.

      »Und das ist erst der Anfang«, fuhr er fort. »Schauen Sie diese Reihe von Plänen an, das hier ist der große Coup, ein ganzes Eisenbahnnetz quer durch Kleinasien ... Der Mangel an bequemen und schnellen Verkehrsverbindungen ist nämlich der Hauptgrund für die Stagnation, in der dieses so reiche Land verkommt. Sie finden dort keinen befahrbaren Weg, für jede Reise und jeden Transport sind Sie dort noch immer auf Maultiere oder Kamele angewiesen ... Stellen Sie sich vor, was für eine Umwälzung es wäre, wenn Eisenbahnstrecken bis an die Grenzen der Wüste vordringen! Industrie und Handel würden sich verzehnfachen, das wäre der Sieg der Zivilisation, und Europa stieße endlich die Tore zum Orient auf ... Wenn Sie das nur ein wenig interessiert, so können wir darüber noch im einzelnen sprechen. Und Sie sollen mal sehen, Sie sollen mal sehen!«

      Übrigens konnte er es nicht lassen, sogleich Erläuterungen zu geben. Vor allem während seiner Reise nach Konstantinopel hatte er die Absteckung für sein Eisenbahnnetz studiert. Die einzige große Schwierigkeit bestand in der Überquerung des Taurus, aber er war über die verschiedenen Passe gezogen und versicherte, daß es möglich sei, eine direkte und verhältnismäßig wenig kostspielige Linie anzulegen. Er dachte ohnehin nicht daran, das gesamte Netz auf einmal bauen zu lassen. Hatte man vom Sultan die Konzession für das ganze Projekt erlangt, so wäre es klug, zunächst nur die Hauptstrecke, die Linie von Brussa nach Beirut über Angora und Aleppo, in Angriff zu nehmen. Später könnte man an die Nebenstrecken von Smyrna nach Angora und von Trapezunt nach Angora über Erzerum und Siwas denken.

      »Später, noch später ...«, fuhr er fort.

      Doch er vollendete nicht, er begnügte sich zu lächeln, weil er nicht zu sagen wagte, wie weit er in der Kühnheit seiner Pläne gegangen war. Das war der Gipfel seiner Träume.

      »Ach, die Ebenen am Fuße des Taurus«, versetzte Frau Caroline mit der schleppenden Stimme einer Traumwandlerin, »was für ein köstliches Paradies! Man braucht die Erde nur anzukratzen, und die Ernten reifen üppig heran. Die Obstbäume brechen unter der Last der Pfirsiche, Kirschen, Feigen und Mandeln. Und die Felder mit Öl- und Maulbeerbäumen, wie große Wälder kommen sie einem vor! Und was für ein natürliches und leichtes Leben in dieser linden, ewig blauen Luft!«

      Saccard brach in jenes schrille, gierige Gelächter aus, das ihn immer ankam, sobald er Geld witterte. Und als Hamelin noch von weiteren Vorhaben, besonders von der Gründung einer Bank in Konstantinopel, sprach und ein Wort über die allmächtigen Verbindungen fallenließ, die er vor allem zur Umgebung des Großwesirs angeknüpft hatte, unterbrach ihn Saccard vergnügt.

      »Aber das ist ja ein Schlaraffenland, das ließe sich verkaufen!«

      Dann stützte er sehr vertraulich beide Hände auf Frau Carolines Schultern, die immer noch an ihrem Tisch saß.

      »Verzweifeln Sie doch nicht, Frau Caroline! Ich mag Sie sehr, Sie werden sehen, ich mache mit Ihrem Bruder etwas sehr Gutes für uns alle ... Haben Sie Geduld und warten Sie ab!«

      Im darauffolgenden Monat verschaffte Saccard dem Ingenieur erneut einige kleine Arbeiten, und obwohl er nicht mehr von den großen Geschäften sprach, mußte er doch fortwährend daran denken, wälzte er sie in seinen Gedanken, auch wenn er vor der erdrückenden Größe der Unternehmungen zögerte. Aber was die entstehenden Bande ihrer vertrauten persönlichen Beziehungen enger knüpfte, war die ganz natürliche Art, in der sich Frau Caroline mit seinem Haushalt befaßte. Als alleinstehender Mann wurde er von überflüssigen Kosten aufgefressen und um so schlechter bedient, je mehr Diener er hatte. Er, der nach außen so wendig war und mit starker, geschickter Hand in den trüben Wassern der großen Räubereien fischte, ließ bei sich zu Hause alles drunter und drüber gehen, unbekümmert um die erschreckenden Verluste, die seine Ausgaben verdreifachten; obendrein machte sich das Fehlen einer Frau bis in die kleinsten Dinge hinein empfindlich bemerkbar. Als Frau Caroline die Plünderung bemerkte, gab sie ihm zunächst Ratschläge, mischte sich dann schließlich ein und verhalf ihm zu zwei oder drei Einsparungen, so daß er ihr eines Tages lachend anbot, seine Hausdame zu werden. Warum auch nicht? Da sie eine Stelle als Erzieherin gesucht hatte, konnte sie sehr wohl eine für sie ehrenhafte Stellung annehmen, die ihr erlaubte abzuwarten. Das im Scherz gemachte Angebot wurde ernst. War das nicht eine geeignete Form, sich zu beschäftigen, ihren Bruder mit den dreihundert Francs zu unterstützen, die ihr Saccard monatlich geben wollte? Und sie willigte ein; binnen acht Tagen ordnete sie den Haushalt neu, entließ den Küchenchef und seine Frau und stellte dafür nur eine Köchin ein, die mit dem Kammerdiener und dem Kutscher zur Bedienung ausreichen mußte. Ebenso behielt sie nur ein Pferd und einen Wagen, nahm völlig das Heft in die Hand und prüfte die Rechnungen mit so peinlicher Sorgfalt, daß sie nach den ersten zwei Wochen die Ausgaben um die Hälfte verringert hatte. Saccard war entzückt, scherzte und sagte, daß jetzt er sie um ihr Geld brächte und daß sie einen gewissen Prozentsatz von all den Gewinnen hätte fordern müssen, zu denen sie ihm verhalf.

      Von nun an lebten sie sehr eng zusammen. Saccard hatte den Einfall gehabt, die Schrauben herausdrehen zu lassen, die die Verbindungstür zwischen den beiden Wohnungen versperrten, und man stieg wieder ungehindert über die Innentreppe von einem Speisesaal in den anderen; Frau Caroline überließ ihren eigenen Haushalt der Sorge ihres einzigen Dienstmädchens und ging zu jeder Tageszeit hinunter, um wie bei sich zu Hause ihre Anordnungen zu erteilen, während ihr Bruder oben von früh bis spät bei verschlossenen Türen arbeitete, um seine Akten aus dem Orient in Ordnung zu bringen. Saccard freute sich über das ständige Erscheinen dieser schönen großen Frau, die die Räume durchquerte mit ihrem festen und stolzen Schritt, mit der immer wieder neuen, überraschenden Heiterkeit ihres weißen Haars, das ihr um das junge Gesicht flatterte. Sie war wieder sehr fröhlich, sie hatte ihren Lebensmut zurückgewonnen, seitdem sie sich nützlich fühlte, ihre Stunden ausfüllte und fortwährend auf den Beinen war. Ohne Schlichtheit vortäuschen zu wollen, trug sie immer nur ein schwarzes Kleid, aus dessen Tasche das helle Geklingel des Schlüsselbundes zu vernehmen war; und fraglos machte sie, die Gelehrte und Philosophin, sich ein Vergnügen daraus, nichts weiter als eine gute Hausfrau zu sein, die Haushälterin eines Verschwenders, den sie zu lieben begann, so wie man die mißratenen Kinder liebt. Saccard, der einen Augenblick ganz hingerissen war und sich ausrechnete, daß der Altersunterschied zwischen ihnen nur vierzehn Jahre betrug, hatte sich gefragt, was wohl geschehen würde, wenn er sie eines schönen Abends in die Arme nähme. Durfte er annehmen, daß sie seit zehn Jahren, seit ihrer erzwungenen Flucht aus dem Hause ihres Gatten, von dem sie mit ebensoviel Schlägen wie Zärtlichkeiten bedacht worden war, wie eine reisende Amazone gelebt hatte, ohne einen Mann anzusehen? Vielleicht hatten die Reisen sie geschützt. Indes wußte er, daß ein Kaufmann und Freund ihres Bruders, der in Beirut geblieben war und dessen Rückkehr nahe bevorstand, sie sehr geliebt hatte; um sie heiraten zu können, hatte er den Tod ihres Gatten herbeigesehnt, der wegen Säuferwahnsinn in ein Irrenhaus eingeliefert worden war. Offenbar hätte diese Heirat nur ein sehr entschuldbares, beinahe legitimes Verhältnis geregelt. Warum sollte er, Saccard, nun nicht der zweite sein, wo es ja schon einen gegeben haben mußte? Aber Saccard ließ es beim bloßen Gedanken bewenden, denn er fand sie so kameradschaftlich, daß das Weib oft gänzlich in den Hintergrund trat. Sooft er sie mit ihrer bewundernswerten Gestalt vorbeigehen sah, fragte er sich von neuem, was wohl geschehen würde, wenn er sie umarmte. Und er gab sich selbst die Antwort, daß sehr gewöhnliche, vielleicht ärgerliche Sachen passieren würden, und er verschob den Versuch auf später, drückte ihr nur, beglückt über ihre Herzlichkeit, kräftig die Hand.

      Dann war Frau Caroline plötzlich wieder sehr bekümmert. Eines Morgens kam sie niedergeschlagen, sehr blaß und mit verschwollenen Augen herunter. Er konnte nichts aus ihr herausbringen und fragte sie nicht weiter aus angesichts der Hartnäckigkeit, mit der sie behauptete, sie habe nichts, sie sei wie alle Tage. Erst am nächsten Tag begriff er, als er oben einen Brief fand, in dem die Heirat von Herrn Beaudoin mit der sehr jungen und unermeßlich reichen Tochter eines englischen Konsuls angezeigt wurde. Der Schlag mußte um so härter gewesen sein, als

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