Kann Mahler Monroe lieben?. C.-A. Rebaf

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Kann Mahler Monroe lieben? - C.-A. Rebaf Gerstenmayr ermittelt

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      „Na, so vier etwa. Ha! genauso alt wie du jetzt! So ein Zufall!“, erwiderte ich und war selbst überrascht. „Lass mal sehen, ob ich das noch hinbekomme.“

      Ich versuchte es, aber schon am Anfang mit dem Pralltriller auf dem ‚a‘ scheiterte ich, bei der folgenden schnell abfallenden d-Moll-Sequenz versagten meine Finger.

       „Aber Mama, du kannst doch bei Steffen vielleicht fragen… Er kann Flöte spielen… und bringt es dir sicher bei“, rief er begeistert aus und schüttete beinahe seine Milch aus.

      „Aber ich habe doch gar keine Zeit dafür! Ich muss doch das Feld bestellen!“, entgegnete ich ihm halbherzig.

      „Schade.“ Er war sehr enttäuscht!

      „Aber weißt du was? Wenn du so schöne Noten schreiben kannst, warum willst du es nicht selbst lernen? Ich schenke dir die Flöte! Steffen wird das schon verstehen!“

      Golie blieb der Mund offen stehen vor freudigem Schreck.

      „Du… Du schenkst mir deine Flöte? Im Ernst?“ Dann sprang er vom Stuhl, kletterte auf meinen Schoß und umarmte mich herzlich. Ich war überrascht von seiner heftigen Reaktion. Er nahm die Flöte, und ich zeigte ihm, dass der tiefste Ton dann herauskam, wenn man mit den Fingern alle Löcher zuhielt. Auch er brachte dies nach einigem Probieren zustande. Dann verzog er sich nach draußen.

      Ich räumte den Frühstückstisch ab und freute mich sehr, ihm eine so große Freude gemacht zu haben. Nach einer Weile, ich wollte gerade die Harke holen, um die letzten Kartoffeln zu ernten, tauchte Steffen mit dem Fremden von gestern auf.

      „Hallo, Mary Lou!“, begrüßt er mich. „Wo ist Golie?“

      Ich tat etwas befremdlich wegen seiner Unhöflichkeit, mir nicht den Fremden vorzustellen, was er tatsächlich auch dann sofort bemerkte. Steffen war manchmal etwas ungehobelt, aber glich es dann immer wieder mit spontaner Herzlichkeit aus.

      „Ach ja, das ist Mr Grinder. Er kam gestern Abend mit seinem Fahrer in dem roten Paco. Er ist ein junger Musiker und hatte gehört, dass hier bei uns noch eine Orgel funktioniert. Wir wollten jetzt zusammen spielen und wollten Golie bitten, den Blasebalg zu treten. Wo ist er?“

      Steffen war wieder einmal viel zu schnell, aber auch Mr Grinder war ebenso wenig feinfühlig.

      Nachdem er mich wiedererkannt hatte, schlug der graue Fremde sich mit seinem Reitstock in die andere Hand und warf mir einen tiefen Blick in die Augen zu, ohne ein Wort zu sagen. War das sein spezielles ‚Accessoire‘? Trug er diesen Stock immer? War das eine Geste der Verlegenheit, der Dominanz, einer Zuneigung?

      Ich fühlte mich plötzlich unterlegen, wie eine echte, unterwürfige Frau, die gerade dabei war, in eine unglückliche Liebe mit einem unbekannten Mann zu verfallen. Mein Gefühl war nicht negativ. Die Aura des Fremden kehrte es ins Positive um und sogar weit mehr, ich fühlte mich erstaunlich gut dabei. Allerdings brauchte ich etwas Zeit, um mir Klarheit darüber zu schaffen.

      „Ich habe Golie heute morgen die Flöte gegeben, die du mir letztes Frühjahr geschenkt hattest, Steffen. Ich hoffe, das ist okay für dich. Jetzt ist er damit allerdings auf und davon. Ich weiß nicht, wo er steckt.“ Und mit einem stolzen Hinweis auf das Papier mit der Notenzeile ergänzte ich: „Das hat er mir heute gezeigt und behauptet, er habe das geschrieben.“

      Der Fremde warf einen flüchtigen Blick darauf und krächzte mit einer rauen Stimme: „Das ist von Bach, das Thema der d-Moll-Toccata.“

      „…die hatte ich gestern auf der Orgel geübt“, räumte Steffen schnell ein. „Sollte der Bengel das Notensystem so schnell begriffen haben? Er hatte mir Löcher in den Bauch gefragt, die ganze Zeit schon, wegen der fünf Linien und der Punkte mit Fähnchen daran. Das wäre ja phänomenal!“

      „Ein zweiter Mozart“, schnarrte Mr Grinder lachend hinterher.

      Warum Steffen mir den Fremden als „Mr Grinder“ vorstellte war mir unklar. Stammte der Fremde etwa aus England oder gar aus den USA? Wie war sein Vorname? Ich wollte jetzt nicht neugierig, danach fragen. Nicht jetzt...

      Plötzlich sah Grinder mein Poster mit dem vollbusigen Blondschopf. Er war fasziniert, konnte seine Augen nicht abwenden, und blieb an dem Plakat kleben, wie eine Fliege an einer Leimrute. Ich sah, dass er den Namen der Unterschrift las.

      Es war wie eine Liebe auf den ersten Blick! Ich war so eifersüchtig! Ich hasste sie!

      Dennoch bemühte ich mich, zunächst ganz ruhig zu bleiben und machte einige Bemerkungen über das Wetter.

      Die beiden Männer verabschiedeten sich und verließen meine Wohnung. Als ich sah, wie sie um die Ecke bogen, ließ ich meinen Gefühlen freien Lauf und schrie gegen das Plakat: "Du Schlampe, du Fotze!" und noch ein paar weitere hässliche Worte.

      Schließlich riss ich das Plakat von der Wand und verbrannte es in meinem Ofen.

      Wien, St. Marx

      Herbert Gerstenmayer war sauer. Er war heute besonders früh aufgestanden, um zu der für 8.00 Uhr angesetzte Besprechung mit seinem Chef rechtzeitig im Laborbunker zu sein. Es war ein weiter Weg dorthin vom siebten Bezirk, wo er in der Myrthengasse in einer alten Hausruine wohnte. Da es nach der Katastrophe auch hier in der österreichischen Hauptstadt keinen Nah-verkehr mehr gab, war es jeden Morgen mühsam, zu Fuß zum Ring zu laufen und sich dann in Richtung Rennweg durch die Ruinen diese seltsame Abkürzung zu nehmen. Aber er hatte es heute rechtzeitig geschafft, und nun war es der Boss, der fehlte! Seine Assistentin Christiane war von diesen Besprechungen befreit, in denen alle vierzehn Tage die neuen Projektschritte festgelegt wurden. Herbert musste diese dann in konkrete Tagesarbeitseinheiten für sie umsetzen.

      Es war gespenstisch in dem menschenleeren molekularbiologischen Labor tief unter der Erde, das noch kurz vor der Katastrophe in einen zehn Stockwerk tiefen, atombombensicheren Bunker umgezogen war. Die oberirdischen Neubauten des alten Biozentrums hatten es nicht überstanden und waren völlig zusammen-gestürzt. Aber der Wissenschaftsbetrieb unter der Erde, der noch kurz vorher durch enge Zusammenarbeit der Universität Wien mit einigen amerikanischen Großinvestoren große Fortschritte erzielt hatte, konnte auch nach der Katastrophe aufrechterhalten werden. Die Investoren sahen eine besonders strategische Lage der alten k. u. k. Hauptstadt als Tor zu Osteuropa und pumpten deswegen Milliarden von Dollars in ethisch nicht unumstrittene Klonierungsprojekte. Zum Schutz vor dem Widerstand von Gruppen wie Greenpeace, die militant-aggressiv ganze Forschungseinrichtungen lahmlegten, entschloss man sich deswegen, die Forschung nach unten, in die Erde, in einen Bunker, zu verlegen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit heimlich weiterzuarbeiten, während in dem überirdischen Biozentrum zur Tarnung auf harmlose, ja sogar von allen Umweltschutzgruppen geförderte grüne Biotechnologie umgestellt wurde. Diese Art von Geheimhaltung funktionierte vorzüglich.

      Niemand hatte damals ahnen können, dass die Atomforschung einiger Schwellenstaaten schon so weit fortgeschritten gewesen war, dass es dann zu einer solchen Katastrophe kommen konnte. Aber auf diese Weise hatte die Biotechnologie in Wien überlebt, und die Forschung hatte auch danach weiter floriert.

      Unwirsch holte Herbert sein Laborbuch hervor und schaute sich seine neuesten Ergebnisse an, die er in seiner exakten Naturwissenschaftlerschrift aufgezeichnet hatte. Früher hatte er alles mit dem Computer geschrieben, aber heute war eh die wertvoll gewordene Rechnerkapazität streng reglementiert. Das schwache elektrische

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