Aus den letzten Jahren der Kaiserin Elisabeth. Imra Gräfin Sztaray
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In diese blumen- und tonlose Wildnis brachten nur die Strauße einiges Leben, die hie und da unter den Palmen einherschritten, allein auch diese sind schwerfällig und träge, als fühlten auch sie sich von der gigantischen Vegetation erdrückt. So oft etwas meine Aufmerksamkeit fesselte, hielt die Kaiserin sofort still, gleichsam um Zeit zu gewähren, die Eindrücke in meine Seele aufzunehmen. Und sie hörte freundlich zu, wenn ich darüber rückhaltlos mit ihr sprach. Ich liebe die Botanik. Ich weiß nicht mehr wieso, vielleicht unter dem Einflüsse der Umgebung brachte ich die Rede darauf, doch bemerkte ich augenblicklich, dass unsere die Natur anbetende Kaiserin für diese Wissenschaft wenig Interesse hatte.
Es scheint, dass kühn sich emporschwingende künstlerische Seelen wie die ihre nicht gerne bei Details verweilen, sondern die Eindrücke in ihrer Ganzheit und Größe auf sich einwirken lassen. In dieser Wahrnehmung wurde ich durch die hohe Frau auch später immer wieder bestärkt.
Und doch besaß sie merkwürdigerweise einen starken Sinn für Genauigkeit, namentlich was die wörtliche Weitergabe ihrer Befehle betraf. Gerade hier sollte ich einen Beweis davon erhalten.
Ehe wir heimkehrten, sandte sie mich in das am Garteneingange befindliche türkische Café, um Kaffee zu bestellen, wobei sie die Zeit, wann sie ihn zu nehmen wünschte, auf die Minute genau bestimmte. Als ich zurückkehrte, fragte sie mich, wie ich ihren Auftrag übermittelt hätte. Ich wiederholte es. Sie war nicht zufrieden; ich musste zurückgehen und den Auftrag wörtlich bestellen.
Auf dem Heimwege bemerkte und erkannte die Kaiserin die beiden Detektivs, die ich schon des Öfteren auf unseren Spuren auftauchen gesehen. Diese Entdeckung bedrückte sie sichtlich und sie bemerkte unwillig: "Sie begleiten mich wie eine Gefangene."
Zu unseren afrikanischen Erlebnissen zählte ein Besuch, bei dem wir, wer würde es glauben, nicht empfangen wurden. Die Kaiserin wünschte den Besuch der Gouverneurin, Madame N., zu erwidern. Wir gingen also zur Villa hinaus und traten in den von Palmen beschatteten Garten, aus dem das kleine, im maurischen Stile erbaute Schloss freundlich hervorschimmerte. Ein Lakai übernahm die schwarzumränderte Visitkarte, auf der unter der kaiserlichen Krone nur das eine Wort stand: Elisabeth. Er entfern f e sich und wir warteten. Wir schritten die Gartenwege auf und nieder, die Zeit verstrich und wir fragten, was nun werden solle. Die Sache begann Ihre Majestät zu amüsieren, mich aber, was sollte ich es leugnen, brachte sie in Verlegenheit. Und es wollte sich noch immer kein Mensch zeigen. Endlich, nach langem Harren, erscheint der Lakai und meldet stotternd, Ihre Exzellenz sei nicht zu Hause. So entfernten wir uns denn erheitert und fest überzeugt, dass man uns hier nicht empfangen habe, und die Kaiserin meinte lachend, dass wir diese kleine Blamage gewiss der Toilettenfrage zu danken hätten. Ihre Exzellenz hatte der unverhoffte Besuch verwirrt und da sie nicht in entsprechender Pracht erscheinen konnte, ließ sie sich lieber verleugnen.
Und doch, wenn die Gouverneurin gewusst hätte, wie einfach die Kaiserin sich kleidete, sie hätte sie wohl kaum von dannen ziehen lassen, ohne sie gesehen zu haben.
Ihre Majestät trug immer Schwarz, nur an Kaisers Geburtstag machte sie eine Ausnahme und legte ein lichtes Gewand an. Auch heute war sie in einem eleganten, aber einfachen schwarzen Tuchkleide mit geradkrempigem schwarzem Tüllhut. Jedes ihrer Kleider konnte sie durch Hinaufknöpfen kürzen lassen, um im Gehen nicht gehindert zu sein. Zu dieser Toilette gehörten ein mit Leder gefütterter weißer Sonnenschirm und ein gelber Lederfächer; mit diesem schützte sie ihr Auge vor der Sonne und ihr Antlitz vor den Blicken der Neugierigen.
Wir planten einen größeren Spaziergang zur Wallfahrtskirche von Notre Dame d'Afrique und bedurften eines guten Führers.
Als der etwas behäbige, schwerfällig scheinende Mann sich vorstellte, fragten wir ihn, ob er gut zu Fuße sei. "Das wäre nicht übel," antwortete er beleidigt, "wenn ich mit Frauen nicht Schritt halten könnte."
Mehr bedurfte es nicht — gleich war die Kaiserin zum Scherze bereit. In raschem Tempo schritten wir den von Algier nach Westen und ziemlich steil ansteigenden Berg hinan. Wir genossen eine abwechslungsvolle und, je höher wir klommen, immer ausgedehntere Aussicht auf Meer und Landschaft, Unserem Führer sagte jedoch das Tempo gar nicht zu, immerhin fügte er sich darein. Nach zweieinhalb Stunden erreichten wir die Kirche, damit aber noch lange nicht den Gipfel des Berges.
Die Kirche ist kein sonderlich gelungener Bau. Umso schöner aber war die Aussicht, die sich uns von da bot. Unmittelbar vor der Kirche steht ein großes weißes Kreuz mit der Aufschrift: "Betet für die im Meere Verdorbenen", und wir beteten aus Herzensgrund und andachtsvoll angesichts des lächelnden Meeres, dieses unbegrenzten Friedhofes. Dann ging es weiter den Berg hinan. Wahrlich, es war ein mörderisches Tempo. Unser Führer pfauchte wie ein Dampfross und schnitt ein Gesicht dazu wie einer, der nun gleich genug von dem Spaß haben wird. Und so geschah es auch; er blieb stehen und erklärte, er sei des weiteren Weges unkundig. Wir mussten also Kehrt machen, um nicht ganz im Stiche gelassen zu werden. Auf dem Heimwege brachte sich der Arme nur mehr stolpernd fort und Bitterkeit und Vorwurf sprachen aus seinem bestaubten Antlitz. Um ihn einigermaßen zu trösten, traten wir, als die Stadt erreicht war, in ein türkisches Kaffeehaus. Da mochte sich der Gute ein wenig laben. Im Kaffeehause, oder vielmehr in der Küche, lagerten die Gäste durcheinander, in eine Wolke von Rauch gehüllt. So oft wir ein solches Lokal betraten, war ich voll Angst und Sorge. Doch dem Wesen der Kaiserin musste ein wunderbarer Zauber innewohnen, denn siehe da: die Lärmenden verstummten, die übrigen zogen sich ehrfurchtsvoll zurück, und solange wir da weilten, herrschte in der kleinen Kaffeeboutique eine Art feierliche Stimmung.
Und hier erteilte die Kaiserin ihre Aufträge selbst. Zu solchen Zeiten war sie die verkörperte Anmut und Herzlichkeit und die Art, wie sie für die Bedienung dankte, zwang die fremdartige Umgebung fast zur Devotion.
Trotz aller Bemühungen gelang es aber nicht vollständig, unseren Führer zu versöhnen, und als wir, in unser Hotel gelangt, ihn für den nächsten Tag engagieren wollten, verweigerte er den Dienst; "er sei kein Schnellläufer, um täglich dreißig Kilometer bergan bergab rennen zu können". Das Eingestehen seiner Blamage gefiel der Kaiserin ausnehmend.
Die Mönche von Kouba besitzen einen berühmten Weinkeller. Eines Tages sandte Ihre Majestät mich und Berzeviczy zur Weinprobe dahin. Sie selbst liebte den Wein nicht, doch pflegte sie in berühmteren Kellereien öfters Einkäufe zu machen und den Wein sodann Erzherzogin Marie Valerie zu senden.
Heimgekehrt, war ich voll des Lobes über die wunderbare Lage des Klosters, und die Folge davon war eine sechsstündige Fußwanderung. Doch es lohnte der Mühe. Ein prachtvoller schattiger Weg führte dahin, vom flachen Dache des Gebäudes aber bot sich eine unvergleichlich schöne Aussicht auf das Meer, die schöne Ebene und auf das jetzt bis zur Sohle im Schnee prangende Atlasgebirge.
Ihre Majestät genoss lange und stumm das hinreißende Bild und als der Prior, der der "Gräfin Hohenembs" und ihrer Genossin mit großer Zuvorkommenheit den Führer machte, sich für einen Moment abwandte, flüsterte sie mir zu: "Der sieht diese Herrlichkeit auch nur, wenn er Gelegenheit hat, sie anderen zu zeigen . . . Wahrlich, die frommen Väter wissen diesen Ort gar nicht zu würdigen."
Auf unserem Gange um das Kloster kamen wir zu einer Schlucht, über die ein Brett quer hingelegt war. Die Kaiserin hatte Angst und erbat sich meine Hilfe. Ich ergriff ihre Hand und führte sie, selbst rückwärts schreitend, über das Brett. Noch heute verstehe ich nicht, dass ich weder Schwindel noch Furcht empfand, während ich doch sonst an Schwindel leide und vor der Tiefe zurückschaudere. Wie froh und glücklich war ich, dass ich ihr