Die Sanduhr in meinem Kopf. Michael Bohm
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Mein Reclam-Heft hatte ich ständig bei mir, um gleich nachzuschlagen, schnappte ich zufällig auf meinen Wegen durch das Haus einen kurzen Dialog von der Bühne auf, wo noch ohne Kostüme geprobt wurde.
Über die Entstehung der Maria Stuart hatte ich inzwischen einiges Wissen gesammelt. So wusste ich, dass sich Friedrich Schiller schon 1783 während seines Aufenthaltes in Bauerbach mit den historischen Hintergründen des Konflikts zwischen den Königinnen beschäftigt hatte. Ich hatte allerdings nicht herausgefunden, warum er von einem Tag zum nächsten seine Studien abbrach und den Don Carlos in Angriff nahm.
Ich glaube fest, obwohl es dafür keine Belege gibt, dass sich der Dichter in den Jahren bis er sich mit Lust und Freude, wie er Goethe wissen ließ, an das Opus der Maria machte, immer wieder mit dem Thema, den Hintergründen dieses Schauprozesses befasste. Ich kann mir lebhaft vorstellen, habe dafür auch Quellen gefunden, dass Schiller als Historiker die entsprechende Zeit der Geschichte Englands interessiert studiert hat. Belegt ist, dass er Schleiermachers Reden über die Religion las, die ihm für das seelische Erleben seiner Figuren wichtig sein durfte, ihn passende Gedanken für die inneren Konflikte finden ließ.
Im Hoftheater Weimar ist der letzte Teil der Wallenstein-
Trilogie Wallensteins Tod gerade uraufgeführt worden. Nach nur wenigen Wochen der Entspannung, wobei ich den hochgewachsenen Dichter auch auf langen Spaziergängen in den Wäldern sehe, sitzt er schon am 4. Juni 1799 an seinem Tisch und beginnt Maria Stuart zu schreiben. Wir wissen das genaue Datum, weil er Goethe in einer kurzen Mitteilung davon Kenntnis gibt. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Wallenstein fühlt er so viel Euphorie und Kraft, um sich umgehend an ein neues Werk zu machen.
Friedrich Schiller verarbeitet in seinem Trauerspiel das historisch belegte Drama zwischen der englischen und der schottischen Königin, zwischen Elisabeth I. und Maria Stuart.
Die Fakten sind die folgenden: Maria hat durch ihren Lebenswandel, die Anstiftung zur Ermordung ihres Gatten, ihre schnelle Heirat des Mörders und einen verlorenen Krieg den Rückhalt in ihrem Volk verloren. Sie flieht nach England, wo sie sich die Unterstützung von Elisabeth erhofft, einer königlichen Schwester. Doch die illegitime Tochter Heinrichs VIII. weiß um ihren eigenen, zweifelhaften sowie den berechtigten Anspruch Marias auf den englischen Thron.
Elisabeth fackelt nicht lange und lässt die vermeintliche Rivalin ohne Grund auf Schloss Fotheringhay internieren. Erst viel später wird Maria vorgeworfen, an Intrigen und Vorbereitungen zu einem Attentat auf die königliche Gegnerin beteiligt gewesen zu sein. In einem Schauprozess wird Maria wegen Hochverrat angeklagt und zum Tode verurteilt. Nach fast zwanzig Jahren Gefangenschaft spricht ein Kreis hoher Adliger Maria schuldig, ohne dass sie auch nur den Hauch einer Chance erhalten hat, für sich zu sprechen oder sprechen zu lassen.
Der Dichter lässt sein Theaterstück drei Tage vor Marias Hinrichtung beginnen. Während Maria eine Schönheit ist, sind die Züge Elisabeths auf den Gemälden eher herb, wohl auch durch den übertriebenen Anspruch keine Gefühle zeigen zu dürfen. Nicht allein Marias Aussehen, auch ihr ganzes Wesen muss die Männer regelrecht betört haben. Mehrere, unter ihnen der junge Mortimer, wollen Maria aus ihrem erzwungenen Exil befreien.
Maria überredet ihren Bewacher Paulet, einen reinen Befehlsempfänger, dessen Neffe Mortimer ist, der Königin einen Brief zu überbringen. In diesem Schreiben bittet Maria um ein Treffen mit Elisabeth.
Mortimer erwägt indessen Möglichkeiten, die Angebetete aus der Gefangenschaft zu befreien. Um mehr Spielraum zu bekommen, auf Zeit spielend, nimmt er sogar einen nicht klar ausgesprochenen Auftrag der Königin an, Maria in ihrem Gefängnis umzubringen. Da er die innere Spannung kaum ertragen kann, spricht er mit dem Grafen von Leicester. Von ihm erhofft er sich Unterstützung, da er weiß, dass der Graf ein enger Vertrauter der Königin ist. Was er nicht ahnt, Leicester selbst ist in Maria verliebt.
Tatsächlich stimmt die Königin einem Treffen mit Maria zu, einer als Zufall getarnten Begegnung im Park vor dem Schloss nach einer Jagd. Maria hatte gedacht, sie könne Elisabeth mit ihrem Schicksal rühren. Doch sie muss erkennen, dass sie das kalte Herz ihrer Rivalin nicht erreichen kann. Sie hatte gehofft, dass beide sich als Ebenbürtige gegenübertreten könnten. Doch Elisabeth, ganz mit bewusster Attitüde die Königin bin ich, demütigt ihre Gefangene, nennt Maria eine Heuchlerin und Mörderin. Damit erwacht Marias Stolz, der zu Zorn wird, und sie wirft der Königin nicht nur Scheinheiligkeit vor, sondern auch ihre zweifelhafte Herkunft.
Unversöhnlich gehen die Frauen auseinander, beide zutiefst von der Richtigkeit ihres Verhaltens und ihrer Gewissheiten überzeugt.
Maria geht nicht auf Mortimers verzweifelten Vorschlag ein zu fliehen, weist ihn brüsk zurück. Zur gleichen Zeit versucht ein Freund Mortimers, Elisabeth umzubringen. Das Attentat misslingt und die Verschwörer müssen die Flucht ergreifen. Mortimer bleibt, wird von dem Opportunisten Leicester festgesetzt und bringt sich mit dem eigenen Dolch um, aller Hoffnungen beraubt, Maria retten zu können.
Elisabeth erkennt, dass sie handeln muss, sieht ihren Thron in Gefahr, und unterzeichnet, innerlich zerrissen, mit einem Akt der Staatsraison, wie sie es sieht, das Todesurteil Marias. Da ihr bewusst ist, dass sie sich weder nach dem Gesetz noch von moralischer Seite über Maria zu erheben vermag, gibt sie das Urteil ohne klare Anweisungen weiter, schiebt damit bewusst die Verantwortung anderen zu.
Damit ist der Lauf der Dinge nicht mehr aufzuhalten und das Urteil wird vollstreckt. Damit wird Maria zur Märtyrerin. Und Elisabeth muss erfahren, dass alle ihre wichtigen Berater sich von ihr zurückziehen. Sie bleibt mit ihrer Schuld alleine.
Je näher damals die Generalprobe und die erste Vorstellung kamen, die Darsteller mit ihren Rollen verschmolzen, desto faszinierender war es für mich, den beiden Frauen zuzusehen. Durch oder wegen ihrer persönlichen Abneigung kamen sie mit ihrer Darstellung Schillers Intention meiner Ansicht nach erstaunlich nahe. Maria, so schön und anziehend, zeigte bis zum Schluss das Strahlen der inneren Freiheit, die sie in ihrer langen Gefangenschaft gewonnen hat. Elisabeth, mit hartem Gesicht, dem Antlitz der Macht, erkannte, wie abhängig sie tatsächlich und wie groß ihre Schuld war.
Im Juni hat Friedrich Schiller das Drama zu schreiben begonnen und im gleichen Monat des nächsten Jahres, am 14. Juni 1800, wurde das Stück im Hoftheater Weimar uraufgeführt. An seinen Freund Christian Gottfried Körner schrieb er: »Vorgestern ist sie gespielt worden, und mit einem Succeß, wie ich ihn nur wünschen könnte.«
Das Reclam-Heft nicht einmal aufgeschlagen, erhebe ich mich von der Bank. Der leichte Dunst über dem Wasser hat sich verflüchtigt, der Blick ist weit, geht bis zu den klaren Bergen hin. Heute Abend wird das unsterbliche Drama auf der Bühne des Nationaltheaters in Weimar seinen Lauf nehmen. In Gedanken werde ich dort sein.
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