Die Sanduhr in meinem Kopf. Michael Bohm

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Die Sanduhr in meinem Kopf - Michael Bohm

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dieser Vereinbarung konnten alle zufrieden sein. Der mögliche Sohn und dessen Onkel waren beide regierungsunfähig. Perdikkas konnte an der Konsolidierung des Riesenreiches arbeiten. Die Diadochen erkannten aber genügend Freiraum, um in ihren Machtspielen eine Zukunft zu sehen.

      Roxane bekam den erhofften Sohn, der Alexander IV. Aigos genannt wurde. Hatte sie bisher schon alle ihre Beziehungen dafür eingesetzt, dem Erben Alexanders den Thron zu sichern, so kannte sie nun keine Gnade, ihm diesen Weg auch endgültig freizumachen. Wo sie Widerstand witterte, schlug sie erbarmungslos zu, ließ töten.

      Es darf nicht vergessen werden, die Menschen damals, besonders die, die im engen Kreis der Mächtigen lebten, hatten andere Moralvorstellungen, andere Gewissensmaßstäbe als die Menschen heute. Wer die Macht hatte, den hemmten keine Schranken. Umso höher im Stand, desto gefährdeter war der Einzelne. Er musste ständig auf der Hut sein.

      So muss auch Roxanes Leben gesehen werden. Ohne die schützende Hand von einem der starken Männer, konnte sie nur eine Feder im Wind sein. Sie hat sich eng an Perdikkas gebunden. Sie und er hatten sehr ähnliche Interessen, waren also unausgesprochen Verbündete. Aber es rächte sich, dass sie zu sehr, fast ausschließlich auf den mächtigen General setzte. Er wurde ermordet. Bis dahin hatte er geschickt das Gerangel der Diadochen im Griff behalten und die Lücken in den Machtgeflechten zu seinem Vorteil genutzt.

      Der neue starke Mann hieß Antipatros. Die beiden machtlosen Könige und natürlich auch Roxane waren nun in seinen Händen. Der Herrscher wusste mit diesem Pfund zu wuchern. Doch Roxane wollte dieses ungute Spiel nicht mitmachen. Sie wusste genau, es war kein Spiel mehr. Sie musste kämpfen, um ihres und das Leben des kleinen Alexander. Und sie besaß immer noch Möglichkeiten. Und die nutzte sie. Sie war tatkräftig und wagte das Risiko. Sie verbündete sich mit ihrer Schwiegermutter Olympias. Die beiden Frauen stellten sich im zweiten Diadochenkrieg auf die Seite von Polyperchon gegen Antipatros Sohn Kassander. Nach anfänglichen Erfolgen erkannte Roxane, dass sie auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Jetzt musste sie sprichwörtlich auf jeden ihrer Schritte achten, ob nicht ein Schatten hinter ihr auftauchte.

      Kassander ging aus dem jahrelangen Durcheinander als Sieger hervor. Er ließ bei der ersten sich bietenden Gelegenheit Olympias umbringen. Roxane und den kindlichen König nahm er in Amphipolis unter Hausarrest. Mit hoher Wahrscheinlichkeit spielte er bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Gedanken, beide zu töten, wagte es aber aus politischen Überlegungen heraus noch nicht; er wollte das Pfand, das noch seinen Wert hatte, nicht verlieren.

      Mutter und Sohn mussten hilflos miterleben, wie sie politisch zur Ware wurden und darum hochgradig gefährdet waren. Roxane ahnte, was der gefährlichste Moment werden würde: der Zeitpunkt der Mündigkeit ihres Sohnes. Dann würde er Anspruch auf den Thron erheben. Den Schritt wollte sicher keine Seite der Widersacher.

      Kassander ließ seine Gefangenen ohne Vorwarnung töten, die Tat so lange im Dunkel, wie es ihm nützte.

      Roxane und Alexander IV., das Blut Alexanders des Großen, starben 320 vor Christus. Und damit nahmen die fantasievollen Geschichten um Roxane ihren Anfang, die schöne Frau wurde endgültig zur Legende.

      Mehr kann ich dir ad hoc nicht über Roxane erzählen, Simon.« Der Professor schaut den Maler an und lächelt.

      »Wie hat sie ausgesehen, Professor?«

      Der alte Mann hebt seine Schultern.

      »Wie auf dem Fresko oder eher nicht?«

      »Ich weiß von keiner Beschreibung in den alten Quellen. Es ist ja das Faszinierende, dass manche Menschen erst durch ihr Schattendasein in der Zeit für die Fantasie so interessant werden. Jeder darf seiner eigenen Vorstellung frönen, auch du, Simon.«

      

      Die Königin bin ich

      Maria Stuart und Elisabeth I.

      Der See schaut von leichten Nebelschwaden überzogen wie eine ruhige silberne Fläche aus. Die Wellen gurgeln kaum hörbar über die Kieselsteine am Ufer. Höre ich sonst gern dem See zu, sind meine Gedanken heute hunderte Kilometer weiter im Osten, genau gesagt in Weimar.

      Ein alter Freund hat mit einigen wenigen Zeilen, von seinem Smartphone gesendet, meine gedachte Zeit völlig durcheinandergebracht. Ich habe keine Zweifel daran, dass er mir eine Freude hat machen wollen mit seiner Mitteilung, er würde am Abend im Nationaltheater Maria Stuart sehen. Welche Seite er damit bei mir berührt, kann er sich vielleicht denken, aber nicht mit Gewissheit voraussetzen.

      Tatsächlich sitze ich auf der Bank am See, während sich mein Geist in Weimar befindet, diesem magischen Ort für jeden Theaterbesessenen, also auch für mich, den man ebenso in Gedanken betreten und erleben kann.

      Was sind das für Schritte, die ich auf den Steinen höre, die näher kommen? Sind es meine, auf dem Weg über die Esplanade hin zum Schillerhaus? Oder ist es Friedrich Schiller auf dem Spaziergang hinüber zu Freund Goethe? Ich weiß es nicht. Langsam verklingen die Schritte, weichen den Erinnerungen.

      Wann habe ich zum letzten Mal Maria Stuart gesehen? Ist es fast zehn Jahre her, was kaum zu glauben ist? Meine Augen sehen auf das abgegriffene Reclam-Heft in meiner Hand. Noch ist die gelbe Farbe des Umschlags zu erkennen. Ich habe das gelbe Büchlein aus Dutzenden anderen in meinem Bücherregal gezogen. Der Inhalt trägt die Spuren der Schulzeit sowie meine Randbemerkungen aus den Tagen als Novize am Theater. Es sind Reminiszenzen, die hell sind, doch auch ein wenig von der süßen Traurigkeit haben, da sie nicht zurückzuholen sind.

      Maria Stuart, Friedrich Schillers Trauerspiel, ist eine doppelte Landmarke auf meiner langen Tournee an den deutschsprachigen Theatern. Zum einen ist es das erste Stück, an dem ich beteiligt war, wenn auch noch so gut wie unsichtbar. Zum zweiten war das Drama Jahre später meine erste Regiearbeit.

      Schon während der Schulzeit war ich ein Junge mit einem kaum zu bändigenden Drang zum Theater. Den fruchtbaren Boden dafür hatte der Großvater bereitet. Nein, mich zog es nicht auf die Bühne, meinen Platz träumte ich mir vor oder hinter die Bühne.

      Die Theaterluft hatte mich unwiderstehlich am Kragen, als ich jedes Jahr in den großen Ferien das Mädchen für alles in unserem Stadttheater sein durfte. Das war noch zu den Zeiten, als die meisten Bühnen in den Sommermonaten nicht ihre Pforten schlossen.

      Gleich nach dem Abitur verhalf mir Großvater zu der Volontärstelle bei den Städtischen Bühnen. Ich sehe mich noch über den weiten leeren Platz vor dem Theater schauen. Es war ein trüber Tag, als ich den Platz überquerte und mich beim Portier meldete. Bis heute ist es ein sonniger Moment in meiner Erinnerung, wie er mir den Weg wies, indem er nach vorne zeigte. Ich nahm das als gutes Omen.

      Damit begann meine Zeit als Laufbursche, als derjenige, nach dem alle riefen, brauchten sie einen Dummen, der das machen sollte, was keiner tun wollte. Mir war das erst einmal egal, denn ich war dort, wo ich sein wollte. Hinter den Kulissen bekam ich alles mit, auch darum, weil ich für die anderen selbst Teil der Kulissen war.

      Zu dieser Zeit liefen die ersten Vorbereitungen für die Proben einer neuen Inszenierung von Friedrich Schillers Maria Stuart. Natürlich bekam ich die Spannungen zwischen unseren Königinnen mit. Zunächst hielt ich diesen offenen Zwist für eine Auseinandersetzung um das Rollenverständnis. Doch schon bald war mir klar, die beiden Damen waren sich tatsächlich nicht grün. Auf

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