USA. Hannelore Veit

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USA - Hannelore Veit

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erlebt. Und nicht das erste Mal, dass der US-Kongress versucht hat, einen US-Präsidenten des Amtes zu entheben. Doch noch nie fand all das im selben Jahr statt, noch dazu in einem Wahljahr. Politische Beobachter in den USA sprechen daher immer öfter von ernsthaften Anzeichen und Symptomen eines gescheiterten Staates. Das amerikanische Selbstverständnis ist jedenfalls infrage gestellt und mit ihm die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs etablierte internationale Staatenordnung. Die Vereinigten Staaten sind mit sich selbst beschäftigt und ziehen sich international zurück. Zwischen Europa und Washington sind tiefe Gräben entstanden, nicht erst seit der nationalistischen »America First«-Politik Donald Trumps. Man ist sich fremd geworden diesseits und jenseits des Atlantiks.

      Es sind Entwicklungen, die mich nachdenklich stimmen. Als unsere Boeing-Maschine zum Landeanflug ansetzt, überkommt mich eine tiefe Melancholie. Wir gleiten am Potomac-Fluss entlang, Washingtons Innenstadt zieht am Fenster vorbei: die Gedenkstätten historischer Präsidenten, steinerne Mahnmale aus besseren Zeiten; das Weiße Haus, das dieser Tage mehr denn je einer verbarrikadierten Festung gleicht; der überfüllte Soldatenfriedhof Arlington, Zeugnis eines wankenden Imperiums. Ich habe Transatlantikflüge in die USA lange als magisch empfunden – als Reisen, die über die Überwindung von räumlicher Distanz hinausgehen. Gleich einer Zeitmaschine, bei der jedes Mal unklar ist, ob sie in Richtung Zukunft oder in Richtung Vergangenheit steuert. Oder überhaupt in ein Paralleluniversum, vertraut und gleichzeitig fremd. Vieles hat sich verändert in diesem Land – manches davon offensichtlich, manches subtil. Ach Amerika, wie sehr ich dich noch immer bewundere und gleichzeitig bedaure.

       Transatlantische Gedanken, Teil 2

       Hannelore Veit

      Es sind erste Eindrücke, die prägen. Meine ersten Eindrücke der USA gehen auf die 1980er Jahre zurück. Als junge Fulbright-Studentin kam ich hierher, es war ein unglaubliches Gefühl der Freiheit, der Weite, des Willkommen-Seins in diesem Land. Ich hatte das Gefühl, mit offenen Armen aufgenommen zu werden. Die Menschen hier wollten zeigen, was für ein demokratisches, weltoffenes und großartiges Land sie sind. Viele der Menschen, die ich als Studentin kennengelernt habe, zähle ich auch heute noch zu meinen Freunden.

      30 Jahre später kam ich als Korrespondentin zurück in ein Land, das sich total verändert hatte, ein Land, in dem ich mich als Ausländerin, auch als Europäerin, nicht mehr uneingeschränkt willkommen fühle. Der 11. September 2001 hat dieses Land verändert. Nach mehr als zehn Jahren Krieg in Afghanistan und im Irak haben die USA das Interesse am Rest der Welt verloren. Die Haupt-Nachrichten: local news. Mit Donald Trump im Weißen Haus hat sich das alles noch drastisch verschärft. America First – der Rest der Welt zählt nicht. Und im Inneren ist die Kluft so tief geworden, dass ein Dialog nicht mehr möglich scheint. Die, die versuchen zu vermitteln, die einen Kompromiss suchen, werden nicht gehört, weder in der Politik noch in der Gesellschaft. Republikaner und Demokraten können schon längst nicht mehr miteinander. Es geht um Machtspiele in Washington – um nichts sonst. Trump-Anhänger leben in ihrer eigenen Welt, sehen Donald Trump, wie es eine meiner Interviewpartnerinnen sagte, als einen, der »den Sumpf trockenlegen wollte, aber nicht gewusst hat, wie viele Alligatoren in diesem Sumpf leben«. Trump-Gegner können es nicht fassen, dass dieser Egozentriker, der andere anpöbelt, aber selbst nicht die geringste Kritik verträgt und beratungsresistent ist, das Amt des Präsidenten innehat, ein Amt, um das in Zeiten vor Donald Trump immer ein Hauch von Ehrfurcht geweht hat. Jeder lebt in einer Blase, holt sich die Informationen dort, wo er oder sie sicher sein kann, dass sie die eigene Meinung widerspiegeln. Niemand will Argumente dafür und dagegen hören. Der Präsident macht es vor: Desinformation wird so oft wiederholt, bis sie salonfähig ist.

      Ich versuche in meinen Kapiteln des Buches, Amerikaner zu Wort kommen zu lassen und möglichst wenig zu werten – auch wenn es, das muss ich zugeben, manchmal schwerfällt.

      Die USA sind heute ein tief gespaltenes Land. Und doch erlebe ich immer wieder, wie das Amerika aufblitzt, das ich aus meiner Studentenzeit in Erinnerung habe. Es ist immer noch das Land der Weite, der Freiheit und der freien Meinungsäußerung, ein Land, das gerade im Frühsommer 2020 mit der Protestwelle gegen Rassismus eine intensive Phase der Konfrontation mit der eigenen Geschichte durchlebt. Eine Phase, aus der dieses Land, und da teile ich die Meinung meines afroamerikanischen Gesprächspartners Doug im Kapitel »Der Realist«, lernen und hoffentlich gestärkt hervorgehen wird. Die USA sind eine stabile Demokratie mit gut verankerten Kontrollen der Macht, auch der Macht des Präsidenten: Die »checks and balances«, die in der Verfassung festgelegt sind, garantieren, dass der Kongress, der Präsident und die Gerichte einander kontrollieren. Bis jetzt haben sie funktioniert – der Präsident, der am liebsten allein regieren würde, wird gebremst vom Kongress und von den Gerichten.

      Wir kritisieren die USA oft und heftig, weil wir das können – weil Kritiker nicht im Gefängnis landen oder »verschwinden«, weil ich als ausländische Journalistin nicht damit rechnen muss, Repressalien ausgesetzt zu sein. Es sind nach wie vor gemeinsame Werte, die die USA und Europa verbinden.

      Die meisten Gesprächspartner, die ich getroffen habe (zugegeben nicht alle), mag ich einfach persönlich, ob ich ihre politische Einstellung jetzt goutiere oder nicht. Willkommen habe ich mich bei der konservativen Familie in Fargo genauso gefühlt wie bei der Anything-But-Trump-Universitätslektorin in Kalifornien. Ich kenne Freundschaften zwischen Trump-Gegnern und Trump-Unterstützern, die weiter bestehen, weil beide Seiten gelernt haben, das Thema Trump auszuklammern.

      Mag sein, dass hier die unverbesserliche Optimistin in mir spricht, aber ich habe in all den Jahren, die ich hier gelebt habe, so viele Aspekte dieses Landes kennengelernt, dass ich aus voller Überzeugung sagen kann: Trotz aller Kritik, die ich übe, liebe ich dieses Land. Wie es ein amerikanischer Freund ausdrückt: Das schönste an diesem Land ist seine Fähigkeit, sich nach dunklen Kapiteln der Geschichte neu zu finden.

STIMMEN AUS EINEM GESPALTENEN LAND

       Der Revolutions-Führer

       Eine Tour der etwas anderen Art durch den Big Apple

      New York image David Kriegleder

      »Herzlich willkommen in New York City! Eines gleich vorweg: Das hier ist nicht Disneyland – hier wird nichts schöngeredet, wir nennen die Dinge beim Namen – the Good, the Bad and the Ugly.« Michael Pellagattis Blick wandert selbstbewusst über das Dach des offenen Doppeldecker-Busses. Alle Sitzplätze sind belegt, er wirkt zufrieden – es ist Hochsaison, noch vor der Corona-Krise, und seine heutigen Gäste, internationale Besucher und US-Amerikaner, lauschen den Worten des 32-jährigen Touristenführers aufmerksam. »Ich bin New Yorker der fünften Generation und kenne diese Stadt wie meine Westentasche«, fügt Pellagatti mit kantigem New Yorker Akzent hinzu. Er trägt ein schwarzes Barrett und eine verspiegelte Sonnenbrille – in der linken Hand hält er einen ausziehbaren Teleskopstock, den rechten Arm zieren mehrere Tätowierungen.

      Der rote »Hop on Hop off«-Bus setzt sich in Bewegung, manövriert im Schritttempo durch den zähen New Yorker Morgenverkehr rund um den berühmten Times Square. Gigantische Leuchtreklamen flackern von den Gebäudefassaden. Grelle Bildschirme wetteifern um die Aufmerksamkeit der Passanten – werben für Broadway-Musicals, Sportschuhe und Aftershave. Ein buntes Kaleidoskop, nein, Stroboskop spätkapitalistischer Ekstase. Im Hintergrund das Hupen genervter Pendler, begleitet vom Dröhnen mehrerer Presslufthämmer, ein Fußgänger schimpft lautstark auf einen vorbeisausenden Radfahrer. »Ahh, hört ihr das? Bei dieser Geräuschkulisse wird mir gleich ganz warm ums Herz«, sagt Pellagatti – »das ist die wahre Symphonie New Yorks, vergesst die

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