USA. Hannelore Veit
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Religion, das Fundament des Lebens
Die Trandems sind so etwas wie eine konservative Bilderbuchfamilie, stolz darauf, ihre konservativen Werte hochzuhalten, und stolz darauf, tiefreligiös zu sein.
Johns und Lydias Gastfreundschaft ist überwältigend. Die Einladung zum Abendessen schlagen mein Kameramann Markus und ich zuerst aus – und wir bleiben dann doch. Vor dem gemeinsamen Abendessen reichen sich Eltern und Kinder die Hände: »Father, we thank you so much for this day, we thank you for all the opportunities you placed before us«: John ist es, der heute das Tischgebet spricht. Für die Kinder habe ich als Mitbringsel ein Miniflughafenset mitgebracht, ein Flugzeug zu wenig, weil ich mit zwei und nicht drei Kindern gerechnet habe. Kein Problem: »We’ll share«, wir wechseln uns ab, sagt Elsie, mit fast sechs die älteste der Trandem-Kinder. Wenn nicht genug für alle da ist, wird geteilt – ohne Aufforderung der Eltern. Kinder wie aus dem Bilderbuch eben.
John Trandem hat mir schon im Vorfeld gesagt, dass er sehr religiös ist. Er lässt uns für eine Stunde mit Lydia und den Kindern allein: Er geht zu seiner Bibelstunde. Wie jeden Montagabend. Lydia besucht ihre Bibelstunde für Mütter am Mittwoch. Ihr Glaube beeinflusst alles im Leben der Trandems. »Ich bin in einer Familie aufgewachsen, für die der Glaube wichtig war, für die der Kirchenbesuch wichtig war«, sagt Lydia. »Von Kindheit an.«
»Mein Glaube definiert mich«, sagt auch John. »Er ist ganz zentral in meinem Leben, bestimmt alles. Ich folge meinem Glauben. Als Christen sind wir dazu aufgerufen und der Glaube ist auch die Basis meiner politischen Ansichten.«
Und da sind wir schon beim Thema Donald Trump angekommen. »Nehmen Sie Donald Trump denn ab, dass er religiös ist?«, frage ich John. Trump ist zweimal geschieden, hatte unzählige Affären, brüstet sich, Frauen könnten ihm nicht widerstehen. »I just grab them by the pussy«, ich bin schließlich ein Star, ich kann mir alles erlauben, sagt er in dem inzwischen berühmt-berüchtigt gewordenen Pussygate-Video ins Mikrofon, als er sich unbeobachtet fühlt. Knapp vor der Wahl 2016 taucht dieses Video auf und ist ein gefundenes Fressen für die Presse, besonders für die Anti-Trump-Presse.
Die Trandems haben eine Antwort darauf, die unter Evangelikalen oft zu hören ist: »Trump ist wie wir alle«, sagt John. »Auch ich bin ein sündiger Mensch. Wenn ich jemanden nur dann wählen kann, wenn ich alles, was er in der Vergangenheit getan hat, okay finde, dann könnte ich niemanden wählen. Nicht einmal mich selbst.« Er lacht. »Trump hat vieles falsch gemacht, wie wir alle. Ich glaube ihm, dass er bereut, für mich ist er ein Mann des Glaubens. Davon bin ich überzeugt.«
Trump ist von Gott auserwählt, uns zu führen – das ist die Argumentation vieler konservativ Religiöser in den USA.
Lydia ist es nicht leichtgefallen, Trump zu wählen, das gibt sie zu. Sie lächelt leicht verlegen, als ich sie danach frage: »Eine schwierige Frage«, sagt sie, »ich habe lange gebraucht, bis ich mich mit der Idee anfreunden konnte. Ausschlaggebend für mich war, dass Trump sehr gläubige Menschen in sein Umfeld geholt hat.« In erster Linie war es Ben Carson, der Lydia zum Umschwenken brachte: Mit dem einstigen Trump-Rivalen um die Präsidentschaftsnominierung, dem einzigen Schwarzen unter den Republikaner-Kandidaten, einem hoch angesehenen Chirurgen und Pionier auf dem Gebiet der Trennung siamesischer Zwillinge, hatte sie Gelegenheit, ein Gespräch zu führen, als er 2016 nach North Dakota kam. Carson, der tiefgläubig ist, ist inzwischen Wohnbauminister im Kabinett Trump.
Im Wahlkampf hat Trump immer wieder seine – angebliche – Religiosität hervorgekehrt. Bei den Evangelikalen, einer großen und für die Republikaner wichtigen Wählergruppe, hat er damit punkten können – auch wenn das bei vielen Beobachtern in den USA für Erstaunen gesorgt hat. Es ist eine Sache, Trump zuzuhören, wenn er auf die Bibel seiner Mutter schwört, sich als strikter Abtreibungsgegner gibt oder behauptet, Mitglied einer Kirche in New York zu sein (die das auf unsere Nachfrage abstreitet), eine andere Sache ist es, ihm diese Wandlung vom Saulus zum Paulus auch abzunehmen.
John und auch Lydia tun das. Sie sind strikte Abtreibungsgegner. Trumps Pro-Life-Haltung war gerade für Lydia ein wesentlicher Grund, ihn zu wählen: »Trump steht fest aufseiten der Pro-Life-Bewegung.« Das war nicht immer so, Trump ist in der Vergangenheit sehr wohl für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch eingetreten. Als Neo-Politiker ist er zum Abtreibungsgegner mutiert und setzt voll auf diese Karte: Im Jänner 2020 ist er der erste amtierende US-Präsident, der am alljährlichen Pro-Life-Marsch auf der Mall in Washington teilnimmt. Es ist schließlich Wahlkampf.
John ist überzeugt, dass sich mit Trump als Präsident das gesellschaftliche Klima in den USA verändert hat und sich noch weiter verändern wird. Er glaubt fest, dass die als »Roe gegen Wade« in die Geschichtsbücher eingegangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1973, die die Abtreibung erlaubt, demnächst noch einmal vor dem Obersten Gerichtshof landen wird. »Seit 1973 hat sich die Wissenschaft weiterentwickelt, ist unser Wissen darüber, wann Leben beginnt und was Leben heißt, ein anderes geworden. Ich glaube, die Argumente der Abtreibungsbefürworter werden nicht mehr durch die Wissenschaft unterstützt.« An Argumenten, die seine Meinung unterstützen, fehlt es John nie – was er immer wieder nicht ohne Stolz und mit schelmischem Lächeln betont.
John, der Businessman
John ist auch der Prototyp des »Selfmademan«, des erfolgreichen Kleinunternehmers, ein Businessman wie aus dem Bilderbuch. John und seine Familie leben von der Autowerkstatt, die er am Rande der Stadt aufgebaut hat. Sie ist nicht viel mehr als eine Lagerhalle in einer Industriegegend, aber John nennt sie sein Eigen und die Werkstatt läuft gut. Er ist spezialisiert darauf, Zusatzfunktionen in Autos einzubauen. Im langen und bitterkalten Winter hier im Norden sind das vor allem Fernstarter, um Autos vorzuheizen. Hochsaison ist für ihn im Herbst, weil, wie er grinsend sagt, den Leuten erst dann wieder einfällt, dass der Winter vor der Tür steht. Häufig baut er auch Alkohol-Wegfahrsperren ein: Ein längerer Führerscheinentzug für Lenker, die alkoholisiert gestoppt werden, wäre im ländlichen North Dakota unverhältnismäßig hart. Ohne Auto ist es fast unmöglich, seiner Arbeit nachzukommen oder auch nur die Familie zu versorgen. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es kaum oder gar nicht. Daher erlauben die Behörden oft den Einbau einer Wegfahrsperre statt eines Führerscheinentzugs.
Ich besuche ihn in seiner Werkstatt. Bilder an der Wand im kleinen Büro zeigen John mit Donald Trump, John mit dem republikanischen Senator Ted Cruz, Lydia mit Ben Carson. Ein Bild von Bill und Hillary Clinton gibt es auch, es ist auf die Dart-Zielscheibe geheftet, die an der Wand hängt. Und ziemlich durchlöchert.
Lydia kommt am Nachmittag mit den Kindern vorbei, im kleinen Büro ist eine Spielecke eingerichtet. Es ist leicht zu erkennen, warum Johns Werkstatt gut läuft: Das ist keine Hochglanzwerkstatt, aber John bietet persönlichen Service, freundlich, zuvorkommend, am Telefon und mit Kunden, die ihre Autos abholen. Kundenservice, wie man es nur in einem Kleinbetrieb finden kann. In einer Stunde will ein Kunde seinen Wagen abholen, John legt letzte Hand an, um alles fertigzustellen. Sein