Valla - Zwischen Hölle und Fegefeuer. Lisa Lamp
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Читать онлайн книгу Valla - Zwischen Hölle und Fegefeuer - Lisa Lamp страница 10
»Sil? Was ist los?«, flüsterte ich, um sie nicht zu verschrecken. Ich erreichte jedoch nur, dass sie die Arme sinken ließ und sich zu mir drehte. Tränen liefen über ihre Wangen und legten einen feuchten Glanz über ihr bleiches Gesicht. Wortlos zeigte sie nach vorne und forderte mich mit einem Nicken auf, hinzusehen. Ich kniff die Augen zusammen, um den Fleck, auf den ihr Finger deutete, besser betrachten zu können. Der Boden schien sich vor uns zu wölben und Wasser breitete sich über dem Flur aus. Kälte ging von den Buckeln aus und schien von der Umgebung aufgenommen zu werden, sodass ich fröstelte. In der Hölle war es warm. Immer. Deshalb war ich kühle Temperaturen nicht gewohnt. Eigentlich war dies niemand, der noch die Akademie besuchte. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper und ich rieb mir die Unterarme. Ich trat einen Schritt nach vorne, um besser sehen zu können. Und stolperte prompt rückwärts.
»Verdammte Scheiße!«, schrie ich und riss die Augen auf.
Da lag jemand. Es war nicht der Untergrund, der uneben war, sondern eine Gestalt, die in sich zusammengesunken auf dem Boden schlief. Wobei ich mir nicht sicher war, ob er wirklich nur bei Morpheus im Land der Träume war. Sein Brustkorb hob und senkte sich nicht. Seine Haut war seltsam bläulich und seine Lippen hatte jede Farbe verloren. Seine blonden Haare waren nass und tropften den Boden voll, genau wie seine Kleidung. Jedoch klebte sie nicht feucht an seinem Körper, sondern wirkte steif, beinahe tiefgefroren. Kleine Kristalle überzogen den Stoff, die sich langsam auflösten. Je mehr ich erkannte, desto sicherer wurde ich mir, dass sich der Junge nicht freiwillig hier positioniert hatte. Sein Kopf lag auf der Seite und er blickte in unsere Richtung, ohne wirklich etwas zu sehen. Seine Iris war weiß und in den Augen fehlte jedes Leben. Sie waren ausdruckslos. Tot.
Instinktiv packte ich Silvanias Hand. Ich hatte genug. Egal, wo Nikolai war, er konnte dortbleiben. Aber Sil und ich mussten hier raus!
»Lass uns von hier verschwinden!«, befahl ich und zog meine beste Freundin am Arm, um sie zum Gehen zu animieren. Doch sie bewegte sich nicht.
Ihr Finger war immer noch auf den Toten gerichtet und sie weinte stumm um das Leben, das beendet worden war. Als Dämonin hatte ich schon in jungen Jahren Leichenteile von Menschen gesehen. Eine ausgehöhlte Zunge war sogar der Aufsatz für mein Fläschchen gewesen. Doch es war etwas anderes, einen von uns so zu erblicken und zu wissen, dass er nie wieder sprechen würde. Er würde sich nie wieder bewegen. Ich kannte den Jungen nicht, aber irgendwo in der Unterwelt würde ein Bruder, eine Mom oder ein Dad um einen Dämon trauern, der dem Teufel gestohlen wurde. Kein Wunder, dass Sil weinte. Auch ich fühlte eine Beklommenheit in meiner Brust, die mit jeder Sekunde stärker wurde.
Ein Geräusch hinter mir ließ mich herumfahren. Es klang wie ein Rascheln, wie das Aneinanderreiben von Stoffen. Und dazu kamen schnelle Schritte. Jemand lief auf uns zu. Zwei. Nein, drei. Oder waren es mehr? Gehetzt sah ich mich um und suchte nach einer Gelegenheit, uns zu verstecken. Doch hier war nichts. Wir standen in einem langen Gang, in dem ich mich nicht auskannte. Hier ein Pentagramm zu suchen, würde uns kostbare Minuten kosten. Zeit, die wir nicht hatten.
Ein Schnaufen, nicht weit von uns entfernt, erklang. Ich konnte niemanden sehen. Der Gang sah leer aus, doch ich wusste, dass das nicht der Wahrheit entsprach.
»Sil! Wir müssen hier weg«, flehte ich und zerrte stärker an meiner Freundin, sodass ich sie hinter mir herzog. Trotz ihres dünnen Körpers und meiner Panik, die mir neue Kraft gab, reichte es nicht, um zu laufen. Wir waren zu langsam.
Die Schritte kamen näher. Ich hörte das bedrohliche Schnauben unserer Verfolger und versuchte, die aufkommenden Bilder von Messern, die mir die Kehle durchschnitten und Kugeln, die mich durchbohrten, auszublenden. Sie klangen erschöpft. Wie lange preschten sie schon durch das Gebäude?
»Silvania! Bitte«, bettelte ich weiter und hoffte, sie würde aus ihrer Starre erwachen und den Ernst der Lage begreifen. Egal, wer uns verfolgte, sie waren nicht begeistert, dass wir sie gestört hatten.
»Schnappt sie euch!«, schrie eine tiefe Stimme.
Sie war nah. Zu nah für meinen Geschmack. Und hart. Sie ließ keine Emotionen erahnen, als wäre der Sprecher ein Roboter, oder er würde jeden Tag zwei Schülerinnen verfolgen, um ihnen Unaussprechliches anzutun. Ob er selbst Teil der Akademie war?
»Haben sie uns gesehen?«, fragte eine andere Stimme. Sie klang höher, weiblicher und ein Hauch von Unsicherheit schwang in ihren Worten mit. Hatte sie Angst, erkannt worden zu sein? Ob ich sie schon einmal gesehen hatte? Oder Sil?
Ein Schrei ertönte. Die Schulglocke. Doch ich war nicht darauf vorbereitet gewesen. Ich zuckte zusammen und geriet ins Straucheln. Silvanias Arm rutschte mir durch die Finger und ich hörte ein dumpfes Geräusch, während sie wie ein nasser Sandsack auf dem Boden aufschlug. Ein überraschter Ton kam über ihre Lippen. Gezwungen, stehen zu bleiben, tastete ich blind nach Sil. Schon lange hatten wir den Lichtkegel der letzten Fackel hinter uns gelassen. Das Geräusch der Schritte unserer Angreifer hatte mich fast erreicht, als ich mit der Hand gegen Widerstand stieß. Silvania. Ich wollte ihr aufhelfen und weiterlaufen, doch es war zu spät.
Etwas Hartes traf meinen Hinterkopf. So fest, dass ich das Gleichgewicht verlor und nach vorne fiel. Instinktiv versuchte ich, meinen Fall mit meinen Händen zu bremsen. Jedoch erreichte ich nur, dass ein schmerzhafter Stich durch meine Handgelenke ging. Mir wurde schwindelig. Mein Magen zog sich zusammen und die Dunkelheit vor meinen Augen flackerte. Die Schwärze wurde von kleinen Lichtpunkten durchzogen, die verschwammen. Tränen füllten meine Augen.
»Ist das wichtig? Wir nehmen sie beide mit und fertig. Zwei mehr werden keinen Unterschied machen. Und jetzt beeilt euch. Die Mission dauert schon zu lange. Wir werden noch erwischt und dann war alles umsonst. Ich habe zu hart hierfür gearbeitet, um alles wegen zwei Mädchen über den Haufen zu werfen.«
Ich fühlte etwas Nasses an meinem Kopf und meine Arme zitterten gefährlich, bevor mich die Kraft verließ und sie unter mir wegbrachen. Mein Schädel schlug auf dem Untergrund auf und meine Augen fielen zu. Nur mit Mühe konnte ich sie wieder aufdrücken. Ich war plötzlich unheimlich müde. Fremde Hände berührten meinen Körper. Ich strengte mich an, mich zu bewegen, mich zu wehren, doch mehr als ein Keuchen brachte ich nicht zustande. Der Raum um mich schien sich zu drehen und mein Magen zog sich krampfartig zusammen. Finger tasteten meinen Rumpf ab. Suchten sie nach Waffen?
»Ah, verdammt!«, fluchte jemand und die Hände auf mir verschwanden.
»Was ist los? Warum dauert das so lange?«, brüllte der Anführer. Er schrie, da war ich mir sicher. Aber dennoch wirkte die Stimme weit weg und es fiel mir schwer, zu verstehen, was er sagte. Alle meine Sinne schienen sich zu verabschieden. Ich roch kaum noch den Gestank nach Blut und Schweiß, der in der Luft lag. Ein Kribbeln zog sich durch meine Gliedmaßen, bevor ich meine Arme nicht mehr spürte.
»Wir können sie nicht mitnehmen.«
Das qualvolle Pochen in meinem Kopf verschwand und machte einer wohltuenden Leere Platz.
»Wieso nicht?«
Ich verlor das Gefühl in den Beinen und ich schaffte es nicht mehr, meine Augen offenzuhalten.
»Sie glüht.«
Die Stimmen wurden immer leiser, bis sie kaum noch zu hören waren und Schwärze mich umhüllte.
»Was soll das heißen?«
Pause. Neben mir bewegte sich etwas.
»Verfluchte Scheiße! Dann lassen wir sie hier. Nehmt die andere mit und raus.«
Schwärze