Valla - Zwischen Hölle und Fegefeuer. Lisa Lamp

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Valla - Zwischen Hölle und Fegefeuer - Lisa Lamp

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meine Wange durchzog und der Schmerz einsetzte. Trotz des Brennens meiner linken Gesichtshälfte hatte ich noch einige Augenblicke gebraucht, um zu realisieren, dass mein Dad mich nach siebzehn Jahren meines Lebens zum ersten Mal geschlagen hatte. Davor war ich immer seine Kleine gewesen.

      Doch seit diesem Tag war jedes nette Wort, das er an mich richtete, eine Besonderheit. Konnte Silvania nicht verstehen, dass ich deshalb so hart arbeiten musste? Mit etwas Glück würden sie mir doch noch eine andere Aufgabe zuteilen, um meine Talente nicht zu vergeuden, wenn ich als Jahrgangsbeste abschloss. Sonst war das mein Schicksal. Ich würde die Beschützerin vom letzten Sohn des Teufels sein, den es gar nicht gab, und würde für die körperliche Unversehrtheit von jemandem zuständig sein, der nicht existierte. Ich durfte zwar in der Hölle bleiben, hatte aber keinen Nutzen.

      »Dafür gibt es uns auch«, murmelte ich und versuchte, die Erinnerungen an diesen Tag abzuschütteln. Es reichte, wenn alle anderen mir immer wieder vor Augen führten, dass ich eine Schande war, da musste ich mich nicht auch noch selbst geißeln.

      »Wenn nur das unser Lebensinhalt ist, kann mir die Ewigkeit gestohlen bleiben«, sagte Sil ernst und griff nach meiner Hand, damit ich sie ansah.

      Die Atmosphäre schlug um. Bis jetzt war es nur ein Gespräch zwischen Freundinnen gewesen. Spontan, leicht, wenn auch nicht immer schmerzfrei. Doch plötzlich schien es viel mehr zu sein. Der Ausdruck auf Silvanias Gesicht passte nicht zu ihrem fröhlichen Wesen. Sie wirkte bedrückt, als würde sie etwas beschäftigen, und sie schaute mich mit tränengefüllten Augen an. Ob sie sich Sorgen um mich machte?

      »Wir sollten uns auf die bevorstehende Prüfung konzentrieren«, murmelte ich, entzog ihr meine Hand und blickte starr geradeaus, um sie nicht ansehen zu müssen. Sil und ich sprachen immer über unsere Probleme, aber noch nie zuvor hatte ich den Verdacht, dass sie etwas zurückhielt, um mich mit ihren Worten nicht zu verletzen. Hatte ich mich so stark verändert, dass es besorgniserregend war? Sicher, ich hatte mich in den letzten Monaten zu einer Stubenhockerin entwickelt, die ihre Zeit in der Bibliothek oder ihrem Zimmer verbrachte. Aber ich dachte nicht, dass sich mein Charakter ebenfalls von früher unterschied.

      Nachdenklich senkte ich den Kopf und betrachtete meine Hände, die auf der Tischplatte lagen. Vielleicht hatte Sil Recht und ich musste wirklich wieder mehr auf mich achten. Meine Haut war durch die Hitze in der Hölle ausgetrocknet, weil ich sie nicht mehr pflegte, und meine Fingernägel waren so weit abgekaut, dass ich stellenweise Blut sah. Sie waren nicht lackiert, während Sil richtige Muster auf ihren Nägeln hatte. Ihre blauen Haare fielen ihr geglättet über die Schultern und eine Spange, auf der eine schwarze Rose angebracht war, hielt ihre Stirnfransen aus ihrem Gesicht. Meine Haare hingen wirr und zerzaust an mir herunter. Ich hatte sie gestern gewaschen, doch seitdem war keine Bürste mehr in ihre Nähe gekommen. Ich seufzte deprimiert. Mir sollte es nichts ausmachen, keinen Schönheitswettbewerb gewinnen zu können, aber leider tat es das doch.

      »Es ist schon ziemlich spät. Vielleicht hat er die Prüfung vergessen«, sagte Silvania und erlöste mich damit von meinen elendigen, sinnlosen Gedanken. Ich würde mich nicht schminken oder früher aufstehen, um mich aufzutakeln. Das war das Einzige, das mir an meinem neuen Leben gefiel.

      »Eigenartig. Ich könnte mich nicht erinnern, dass Meister Asmodäus jemals zu spät gekommen wäre«, erwiderte ich und starrte auf das Gestell aus abgetrennten menschlichen Fingern, das eine Uhr darstellen sollte. Unpünktlichkeit passte nicht zu ihm. Ganz und gar nicht. Selbst nach dem Angriff der Engel hatte er am nächsten Tag zur normalen Zeit den Unterricht gestartet und dabei war seine Frau während des Kampfes ums Leben gekommen. Er war sogar so streng gewesen, dass er trotz der Katastrophe Schüler von der Lerneinheit ausgeschlossen hatte, weil sie nicht rechtzeitig gekommen waren oder angefangen hatten zu weinen. Und nun kam er an einem Tag wie jedem anderen zu spät?

      »Ist er auch nicht«, stimmte Sil mir zu und folgte meinem Blick zur Uhr. Irritiert fuhr sie sich über das Gesicht, bevor sie den Kopf aufmerksam in die Richtung des Nebentisches drehte, an dem sich zwei Schüler unterhielten.

      »Wisst ihr, wo der Meister bleibt?«, fragte Sil freundlich und unterbrach damit das Gespräch der beiden.

      Sie musterten erst meine Freundin und sahen daraufhin mich abschätzig an, was ich gekonnt ignorierte. Dennoch traf mich der Hass in ihren Augen und die Arroganz, mit der sie über mich urteilten. Ich wagte zu bezweifeln, dass sie selbst am Tag des Angriffs gekämpft hatten. Aber es war leichter, über mich zu richten, als sich selbst einzugestehen, dass man auch nichts beigetragen hatte, um den Schaden abzuwenden.

      »Nein, aber in den anderen Klassen hat der Unterricht auch noch nicht begonnen. Niemand hat jemanden vom Lehrpersonal gesehen«, antwortete eine der beiden, nachdem ich ihr Starren unkommentiert ließ und mich auch auf kein Starr-Duell einließ. Doch ihre Worte waren unbedeutend, weil in diesem Moment die Wand krachte und zu bröckeln begann. Im Eingang erschien Meister Asmodäus, der stehen blieb, seinen Blick über die Schüler schweifen ließ und laut verkündete:

      »Die Prüfung fällt heute aus. Der restliche Unterricht ebenfalls. Packen Sie zusammen und verlassen Sie umgehend das Schulgelände.«

      Dann machte er kehrt, lief den Gang entlang und verschwand hinter der nächsten Ecke. Verwirrtes Gemurmel brach unter den Schülern aus und auch ich schüttelte irritiert den Kopf. Was zum Teufel war das? Abgesehen davon, dass ich mir umsonst die Nacht um die Ohren geschlagen hatte, um zu lernen, war sofort klar, dass irgendetwas geschehen war. Meister Asmodäus war ein hochgewachsener Mann, der auf sein Aussehen wert legte. Er trug jeden Tag einen Anzug, die grau melierten Haare waren mittels Gel perfekt nach hinten gekämmt und schwarze Lackschuhe rundeten das Outfit ab. Doch heute standen seine Strähnen wirr in alle Richtungen ab. Sein Hemd war zerknittert und anstatt der Anzugshose hatte er eine Jogginghose an, die auf dem Schenkel einen Fleck aufwies. Es sah aus, als wäre er gerade aus dem Bett gefallen. Außerdem waren tiefe Sorgenfalten in seinem Gesicht zu erkennen, die ihn zehn Jahre älter wirken ließen. Er war blass, wodurch die Augenringe noch mehr hervorstachen.

      »Was ist denn los? Weißt du, was passiert ist?«, fragte Silvania mich beunruhigt und sah immer noch auf die Stelle, wo Asmodäus verschwunden war.

      In der Zwischenzeit hatte sich die Wand wieder aufgebaut, aber dahinter waren deutlich Stimmen zu hören. Andere Schüler, die wie wir spekulierten. Allem Anschein nach wurde das gesamte Gebäude geräumt.

      »Keine Ahnung, aber irgendwas stimmt hier nicht und Meister Asmodäus’ Abgang ist kein gutes Omen, wenn du mich fragst.«

      Auf Silvanias Züge legte sich ein hinterhältiges Grinsen und sie blickte mich verschwörerisch an, als hätte sie vor eine Dummheit zu begehen. Und dumm war noch untertrieben. Wahnsinnig, geisteskrank, todesmutig.

      »Also bleiben wir und versuchen herauszufinden, was hier gespielt wird?«, wollte sie mit gesengter Stimme wissen, während ich meine Sachen zusammenpackte, aufstand und meine Tasche schulterte. Sil tat es mir gleich, blieb aber demonstrativ stehen, anstatt wie die anderen den Raum zu verlassen. »Komm, ich weiß, dass es dich genauso interessiert wie mich.«

      Das entsprach der Wahrheit. Natürlich war ich neugierig. Wer würde das in so einer Situation nicht sein? Doch ich konnte es nicht riskieren, wieder negativ aufzufallen. Es gab sogar bei den Meistern einige wenige, die trotz meiner Leistungen kaum mit mir sprachen und mich bei jedem Fehltritt absichtlich zu hart bestraften, um ein Zeichen zu setzen. Für sie wäre es die perfekte Gelegenheit, mich doch noch von der Akademie zu schmeißen.

      »Nein. Bist du verrückt? Wir stehen kurz vor unserem Abschluss. Ich habe keine Lust, mir noch Ärger einzuhandeln«, meinte ich und bereute, dass meine Stimme so harsch klang.

      Sil war meine Freundin. Sie hatte es nicht verdient, dass ich sie anschnauzte. Aber ich konnte

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