Sicherheit für Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst . Dorothee Dienstbühl

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Sicherheit für Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst  - Dorothee Dienstbühl

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an der Ruhr/Northeim, im April 2020

       I. Grundlagen

      Gewalt ist kein gesellschaftliches Randthema, sondern betrifft jeden Menschen im Laufe seines Lebens – direkt oder indirekt. In unterschiedlicher Art und Weise wird jeder Mensch immer wieder mit aggressiven Verhaltensweisen konfrontiert. Mal mehr, mal weniger intensiv, mal direkter, jedoch am häufigsten indirekt durch passives Erleben von Gewalt, beispielsweise durch Medienberichte oder die Erzählungen von Gewalterfahrungen anderer Menschen. Diese Erlebnisse wirken sich auf das persönliche, subjektive Sicherheitsempfinden aus und beeinflussen, bei einzelnen Erlebnissen meist temporär, eigene Einstellungen und das Erleben.

      So ziemlich jede Kollegin und jeder Kollege wird im Dienstalltag Situationen erleben, die sie als bedrohlich empfinden, bzw. empfunden haben. Mit dem Begriff „Bedrohung“ verknüpft jeder Mensch eigene Erinnerungen und vor allem Erinnerungen an das Empfinden in dieser Situation. Unser Körper verrät uns, ob wir uns bedroht fühlen. Seine Reaktionen sind je nach Anlass, Abfolge und Dauer unterschiedlich. Bei einem kurzen Schreck reagieren wir mit einer blitzschnellen physischen Reaktion. Diese kann aus einem Aufschrei, einem Zusammenzucken, einer Affektbewegung wie einem Sprung oder einen Schlag, Übelkeit und einem so plötzlichen Anstieg des Pulses einhergehen. Betroffene beschreiben dies später mit Sätzen, wie: „mir ist das Herz stehen geblieben“ oder „ich war starr vor Schreck“. In solchen Schreckenssituationen schnappen wir nach Luft, das Gehirn möchte umgehend mit Sauerstoff versorgt werden. Wenn wir uns also erschrecken, reagiert als erstes der Körper, nahezu ohne Kontrolle. Diese Empfindung ist dem Gefühl der Angst geschuldet, das ebenso schwer kontrollierbar ist. Sobald sich der Körper von dem Schrecken erholt und wieder entspannt, wird der Herzschlag langsamer, die Atmung flacher und schließlich normal. Dass unser Körper in dieser Art und Weise reagiert, ist dabei nicht als eine Schwäche zu betrachten, vielmehr ist es eine biologische Schutzfunktion.

      Ihr Körper warnt Sie. Denn gleichzeitig mit dem Schrecken weiten sich die Pupillen, sie nehmen weniger Informationen aus der Umgebung auf, nur die, die nun unmittelbar notwendig sind. Das macht Sie im besten Fall reaktionsschnell für eine Maßnahme zur Eigensicherung. Beispiele, in denen der Körper reagiert, bevor das Gehirn es tun kann, sind der Griff nach Halt, wenn man stürzt oder die Abwehr eines Schlages. Natürlich können Körper und Kopf auch Schrecksekunden im Zwiegespräch verbringen, dann werden Sie zu keiner Handlung fähig sein („wie angewurzelt stehen bleiben“). Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr oder Bundeswehr bekommen nicht beigebracht, diese Emotionen zu übersehen, sondern richtig mit ihnen umzugehen. Es ist ein Irrglaube, das Empfinden von Schrecken und Furcht sei ein Manko. Nur sollten Sie in den Körper hineinhorchen, wenn sie einen Schrecken erleben und anhand von Schreckerlebnissen Ihr Verhalten trainieren.

      Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Körper Sie warnt, sobald Sie oder Ihr körperliches Wohlbefinden gefährdet sind. Und lernen Sie mit dem umzugehen, was Ihr Instinkt Ihnen rät. Rät er zur Flucht? Rät er zur Abwehr? Haben Sie bei einer bestimmten Person den dringenden Wunsch nach Abstand, obwohl er sich freundlich verhält? Dann sollten Sie zunächst mit diesen Instinkten arbeiten. Wie zuvor beschrieben, ist es weniger der Körper, der uns die Einschätzung erschwert, ob es sich in der gegenwärtigen Lage um eine Gefahrensituation handelt oder nicht. Er signalisiert uns das und empfiehlt sogar, wenn auch ausgesprochen subtil, einen Lösungsweg. Unser Kopf ist meist der Übeltäter. Doch unser Kopf ist lernfähig und kann somit zu unserem Helfer werden.

      Das Schlimmste oder Mächtigste am Schrecken ist der Überraschungseffekt. Der Körper reagiert darauf in Sekundenschnelle, der Kopf benötigt eine Weile für die Verarbeitung der Impulse, um reagieren zu können. Zudem beraubt uns die Plötzlichkeit eines Schreckens des Gefühls des Alltäglichen, der sicheren Routine und der Kontrolle. Das bedeutet aber auch, dass Wachsamkeit das Schreckempfinden reduzieren und somit die Reaktionsfähigkeit steigern kann. Ihre Wachsamkeit und Aufmerksamkeit zur Umgebung können Sie jeden Tag trainieren. Dabei geht es nicht darum, fremde Menschen als potentielle Gefahr zu denunzieren. Es geht darum, gegenüber sich selbst und seinem nahen Umfeld aufmerksam sein. Beispielsweise haben sie einen Gesprächstermin mit einem Studierenden, den Sie nicht kennen. Sie werden ihn ohnehin beobachten, seine Mimik und Gestik. Hinterfragen Sie das, was Sie registrieren. Wie nähert er sich Ihnen? Wie wirkt seine Stimme auf Sie? Hält er den gewünschten Abstand zu Ihnen ein? Wenn Ihnen etwas nicht behagt – was ist es? Und was macht das Nicht-Behagen mit Ihnen?

      Der Kriminalpsychologe Uwe Füllgrabe spricht hierbei von einer „gelassenen Wachsamkeit“,10 die das eigene Sicherheitsempfinden steigern kann. Dabei empfiehlt er die gezielte Suche nach Informationen in einer Situation, die Sie hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials einschätzen müssen. Welche Information ist in diesem Moment für Ihre persönliche Einschätzung wichtig? Die Fokussierung auf für Sie wissenswerte Informationen lässt Sie

      – aktiver beobachten,

      – ruhiger werden,

      – baut den empfundenen Stress ab und verändert dadurch Ihr Auftreten.

      Bereits diese Fähigkeit des aktiven Beobachtens stärkt Ihr Sicherheitsempfinden nachhaltig. Daneben müssen Sie über geeignete Mittel zur Gefahrenabwehr verfügen. Gemäß der Prämisse, stets das mildeste Mittel zu verwenden, kann schon eine gezielte Rhetorik ausreichen. Deswegen lohnen sich Schulungen in deeskalativer Rhetorik und Verhaltensweisen in Konfliktsituationen.

      Aggression und Gewalt und ihr Verhältnis zueinander sind ein ewiges Streitthema in der psychologischen Forschung. Während beispielsweise Sigmund Freud davon ausging, dass Aggressionen zur menschlichen Natur gehören, sehen das Psychologen, wie Joachim Bauer anders.11 Er und weitere Psychologen sehen alles, was als Kränkung empfunden wird (Gefühl der Ausgrenzung, Benachteiligung oder Demütigung), als Auslöser für Aggressionen und damit für Gewalthandlungen. Gewalt ist demnach Aggression, die extremen Schmerz zum Ziel hat.12 Aggressionen als Emotionen müssen jedoch nicht zwangsläufig in Gewalt münden. Nach Hans-Peter Nolting ist Aggression in seiner Bedeutung ein eher ein weiter und Gewalt ein bereits eingeengter Begriff.13

      Weitere Definitionen von Gewalt sind beispielsweise jeder „zielgerichtete direkte physische Schädigung von Menschen durch Menschen“14 oder der „Einsatz physischer und psychischer Mittel, um einer anderen Person gegen ihren Willen

      a) Schaden zuzufügen,

      b) sie dem eigenen Willen zu unterwerfen (sie zu beherrschen) oder

      c) der solchermaßen ausgeübten Gewalt durch Gegengewalt zu begegnen“.15

      Jede Gewalt ist demnach Aggression, aber nicht jede Aggression ist Gewalt. Dass Menschen aggressiv auffällig sind, kann ganz unterschiedliche Ursachen haben, von mangelnden kommunikativen Fähigkeiten bis hin zu Ursachen, die mit entsprechenden Erlebnissen in der Kindheit zusammenhängen. Menschen, die schnell aggressiv reagieren, haben häufig diese Erlebnisse nicht im Prozess des Erwachsenwerdens aufgearbeitet. Natürlich gibt es Personen, die ihr Gegenüber in allen möglichen Situationen als kränkend wahrnehmen und entsprechend schnell aggressiv reagieren. Andere Menschen definieren ihr Selbst durch gewalttätiges Verhalten, um andere Menschen zu erniedrigen und zu verletzen und sich selbst dadurch zu erhöhen.16

      Vor diesem Hintergrund

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