Polizeibeamte als Zeugen im Strafverfahren. Kai Müller

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Polizeibeamte als Zeugen im Strafverfahren - Kai Müller

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Die exakte Einhaltung der Verfahrensregeln hat am Amtsgericht eine eher untergeordnete Bedeutung, da als Rechtsmittel mit der Berufung letztlich noch eine weitere Tatsacheninstanz zur Verfügung steht. In der Praxis wird auch regelmäßig das Rechtsmittel der Berufung gewählt,39 so dass Rechtsfehler des erstinstanzlichen Gerichts kaum ins Gewicht fallen. Anders stellt sich die Situation hingegen bei der Verhandlung einer großen Strafkammer des Landgerichts dar. Mangels zweiter Tatsacheninstanz kommt gerade der Beweisaufnahme eine oftmals die Sache endgültig entscheidende Bedeutung zu. In der Konsequenz wird die Hauptverhandlung vor einer großen Kammer des Landgerichts weitaus sorgfältiger und von den Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Verteidigung, viel intensiver geführt als am Amtsgericht. Im Hinblick auf mögliche Rechtsfehler, die im Falle der Verurteilung einen Revisionsgrund schaffen können, der möglicherweise zur Aufhebung des Urteils führt, gewinnt hier das Verfahrensrecht wesentlich an Bedeutung. Das hat entsprechende Verteidigungskonzepte zur Folge, die sich in vermehrten Protokollanträgen, Vorhalten, Prozesserklärungen anlässlich von Zeugenvernehmungen etc. niederschlagen, was unten bei der Darstellung der Verteidigung näher erläutert wird.

      Die Richter des erkennenden Gerichts müssen der zu entscheidenden Rechtssache und den Beteiligten des Verfahrens mit der notwendigen Distanz eines Unbeteiligten und am Ausgang des Verfahrens uninteressiertem Dritten entgegentreten. Daher ist das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 I 2 GG) nicht gegeben, wenn der Rechtsuchende vor einem Richter steht, der die erforderliche Unvoreingenommenheit vermissen lässt.40 Bestehen konkrete Bedenken gegen die notwendige Unvoreingenommenheit bzw. Unparteilichkeit eines Richters, dann darf er keine Entscheidung treffen. Diesem Zweck dienen die Vorschriften zur Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen (§§ 22 ff. StPO). In § 22 StPO werden abschließend Fälle aufgelistet, in denen die Gefahr der Voreingenommenheit des Richters besteht. So beispielsweise, wenn er selbst durch die Straftat verletzt wurde oder aber sein Ehegatte der Beschuldigte ist. Liegt ein solcher Fall vor, so ist der Richter gesetzlich von der Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen und hat dies von Amts wegen zu beachten. Geschieht dies nicht, so kann ein entsprechender Antrag gestellt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (§ 24 StPO). Hierüber wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Beschuldigten oder des Privatklägers in einem Ablehnungsverfahren (§§ 26 ff. StPO) entschieden. Dies ist die in der Praxis häufiger vorkommende Variante. Wird einem solchen Antrag stattgegeben, so hat dies regelmäßig zur Folge, dass das Verfahren unter neuer Besetzung des Gerichts von vorne beginnt. Wird der Antrag – was in der Praxis zumeist der Fall ist – abgelehnt, so kann sich daraus für die Verteidigung zumindest ein sog. absoluter Revisionsgrund ergeben (§ 338 Nr. 3 StPO), der bei Erfolg zur Aufhebung des Urteils führt. In diesem Fall wird die Sache vom Revisionsgericht an die Tatsacheninstanz zurückverwiesen und muss nunmehr erneut verhandelt werden. Das Stellen von Befangenheitsanträgen gegenüber dem Gericht gehört daher aus prozesstaktischen Gründen mittlerweile bei vielen Strafverfahren vor einer großen Strafkammer des Landgerichts zum Standardrepertoire der Strafverteidigung.

      Die Leitung der Hauptverhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Beweisaufnahme obliegen dem Vorsitzenden des Gericht (§ 238 StPO). Dieser hat den beisitzenden Richtern, den Schöffen sowie den Verfahrensbeteiligten bei der Vernehmung des Angeklagten, der Zeugen und Sachverständigen ein Fragerecht einzuräumen (§ 239 StPO) und kann dies unter später noch näher zu erläuternden Voraussetzungen auch entziehen (§ 241 I StPO) bzw. einzelne Fragen zurückweisen (§ 241 II StPO). Einige Anordnungen sind jedoch dem Gericht vorbehalten, wie beispielsweise die Entscheidung bei Zweifeln über die Zulässigkeit von Fragen (§ 242 StPO), die Auferlegung der Kosten sowie die zwangsweise Vorführung eines trotz ordnungsgemäßer Ladung ausgebliebenen Zeugen (§ 51 I StPO) oder das Verhängen von Ordnungsgeld bzw. -haft sowie Beugehaft gegenüber einem das Zeugnis oder den Eid verweigernden Zeugen (§ 70 I, II StPO).

       a) Fürsorgepflicht

      Neben diesen unter anderen im Gesetz genannten Pflichten hat das Gericht eine umfassende Fürsorgepflicht. Diese entspringt aus dem Grundsatz des fairen Strafverfahrens und betrifft insbesondere Fürsorge- und auch Hinweispflichten gegenüber dem rechtsunkundigen Angeklagten.41 Aber auch dem Zeugen gilt die Fürsorgepflicht des Gerichts, beispielsweise beim Schutz der Persönlichkeit, worauf bei den Rechten und Pflichten des Zeugen noch näher eingegangen wird.

       b) Sitzungspolizei

      Darüber hinaus obliegt dem Vorsitzenden die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, die sog. Sitzungspolizei (§ 176 GVG). Die Ordnung in der Sitzung ist der Zustand, der dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten eine störungsfreie Ausübung ihrer Funktion ermöglicht.42 Der Vorsitzende kann hierbei gegenüber allen Anwesenden Ermahnungen und Rügen aussprechen sowie ungebührliches Verhalten untersagen. So etwa Beifalls- oder Missfallenskundgebungen der Zuhörer, wenn ein Zuhörer versucht, durch Zeichen auf den Angeklagten bzw. einen Zeugen einzuwirken oder der Verteidiger sich weigert, entgegen § 20 BORA in Robe aufzutreten.43 Auch können Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige, Nebenkläger, Privatkläger und Zuhörer, die den Anordnungen des Vorsitzenden nicht Folge leisten, aus dem Sitzungssaal entfernt werden (§ 177 GVG). Ebenso kann gegen diese Personengruppe wegen Ungebühr ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festgesetzt werden (§ 178 GVG). Ungebühr bedeutet einen erheblichen Angriff auf den justizgemäßen Ablauf der Sitzung, auf den „Gerichtsfrieden“ und damit auf die Ehre und Würde des Gerichts.44 Dies liegt beispielsweise vor, wenn der Angeklagte oder ein Zeuge in völlig unangemessener Kleidung oder im betrunkenen Zustand erscheint, der Angeklagte den Richter beleidigt oder ein Zuhörer trotz Verbots fotografiert.45 Dabei obliegen die Anordnungen nach §§ 177, 178 GVG gegenüber den Zuhörern dem Vorsitzenden, während sonst das Gericht entscheidet. Zu beachten ist, dass diese Zwangsmaßnahmen gegen den Verteidiger stets unzulässig sind.46

      Das auf Ermittlungsverfahren und anschließendes Zwischenverfahren folgende Hauptverfahren besteht aus zwei Abschnitten, der Vorbereitung der Hauptverhandlung mit Terminansetzung, Ladungen, Herbeischaffen der Beweismittel etc. und der Hauptverhandlung selbst. Die Hauptverhandlung soll nach der gesetzlichen Konzeption den Höhepunkt des gesamten Strafprozesses bilden. In der Praxis hat jedoch zunehmend das Ermittlungsverfahren an Bedeutung gewonnen, da oftmals schon dort die Weichenstellung für das Hauptverfahren erfolgt oder aber die Sache sogar ohne Hauptverhandlung, beispielsweise durch Einstellung (§§ 153 ff. StPO) oder durch Strafbefehl (§ 407 ff. StPO) erledigt wird. Gleichwohl bleibt die Hauptverhandlung das Kernstück des Strafprozesses, da nur dort durch Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten endgültig entschieden wird (§ 261 StPO).47 Dies geschieht nach den schon dargestellten Regeln des Strengbeweises und den im Folgenden zu erörternden Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. Letztere wirken sich auch auf die Tätigkeiten des Polizeibeamten als Ermittler und Zeuge vor Gericht aus.

      Mündlichkeit besagt, dass grundsätzlich nur das mündlich in der Hauptverhandlung Vorgetragene dem Urteil zugrunde gelegt werden darf (vgl. §§ 261, 264 StPO). Das Gericht kennt zwar den gesamten Inhalt

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