Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Holger Dahl
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Insgesamt besteht somit eine hohe Vielfalt an Determinanten für den wirtschaftlichen Nachteil der von Betriebsänderung betroffenen Beschäftigten, die sich in mehreren Dimensionen niederschlägt und nicht nur von der individuellen Situation des Beschäftigten abhängt. Die konkrete Höhe des wirtschaftlichen Nachteils ist angesichts der Vielzahl der (teils unbekannten) Variablen kaum für jeden einzelnen Betroffenen zu objektivieren und dementsprechend auch nicht auf Individualebene in einem Sozialplan oder Spruch der Einigungsstelle darstellbar. Allerdings ergeben sich für Betriebsräte durchaus viele Gestaltungsmöglichkeiten, die einer Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls in stärkerem Maße Rechnung tragen, als dies bspw. eine pauschale Formelabfindung für alle Betroffenen leisten würde.
5. Determinanten und Gestaltungsvarianten zur Berechnung des Ausgleichs wirtschaftlicher Nachteile
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Den Schwierigkeiten, aber auch den zu berücksichtigenden Faktoren in der Ausgestaltung einer objektiv nachvollziehbaren Größenordnung des wirtschaftlichen Nachteils wurde in den vorangegangenen Kapiteln Rechnung getragen.
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Unter Berücksichtigung dieser Bedingungen kann mittels der verschiedenen Dimensionen der Nachteilsbetrachtung und einer entsprechenden Quantifizierung der Variablen eine Schätzung hinsichtlich des tatsächlich vorliegenden Nachteilsvolumens getroffen werden.
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Dabei wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass das Volumen eines Sozialplanes natürlich nicht einseitig durch eine Betriebspartei und somit auch nicht durch ein vorgegebenes Budget oder einen sog. „Topf“ festgelegt werden kann. Ein mögliches Gesamtvolumen des wirtschaftlichen Nachteilsausgleiches ist im betrieblichen Beratungsprozess zum Sozialplan bzw. in einer Einigungsstelle auszuhandeln. Ein Maximaltopf wird bei einigen Betriebsänderungen vonseiten des Unternehmens so dargestellt, als handele es sich dabei um ein unverrückbares Fixum. Der Betriebsrat könnte sich demzufolge in den Sozialplanverhandlungen nur noch die entsprechenden Verteilungsschlüssel und Schwerpunkte von Abfindungslösungen heraussuchen. Dies entspricht nicht Sinn und Zweck des § 112 BetrVG und gibt auch nicht den Stand der Rechtsprechung wieder.16 Ebenso wenig kann der Betriebsrat, aufgrund des Versuches der Objektivierung der abzusehenden Nachteile, auf Ausgleich sämtlicher Nachteile in Form der Ausschüttung des von ihm berechneten Gesamtvolumens der wirtschaftlichen Nachteile bestehen. Gleichwohl kann es im Verlaufe der Sozialplanverhandlungen (ob innerhalb oder außerhalb einer Einigungsstelle) dazu kommen, dass am Ende über ein Gesamtvolumen verhandelt wird. Nur kann die Höhe dieses Volumens nicht vorab einseitig festgelegt sein.
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Zusammengefasst finden sich in der betrieblichen Lage sowie der individuellen Dimension die möglichen wirtschaftlichen Nachteile der Beschäftigten. Die unternehmerische Dimension spiegelt verstärkt die objektive Begrenzung möglicher wirtschaftlicher Nachteilsausgleiche aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wider.
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Der Einfluss der hier genannten Variablen bzw. die Determinanten in den drei Dimensionen werden nachfolgend in einer schematischen Darstellung abgebildet, um einen Überblick und Hilfestellung in den zu berücksichtigenden Punkten der Ermittlung des wirtschaftlichen Nachteils sowie des möglichen Ausgleichs desselben zu bieten.
Determinanten der Berechnung des Ausgleichs wirtschaftlicher Nachteile17 | |||||
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Betriebliche Dimension | Unternehmerische Dimension | Individuelle Dimension der betroffenen Beschäftigten | |||
Umsetzungsvolumen der Maßnahme (jährliches Einsparvolumen durch Betriebsänderung) | Wirtschaftliche Situation des Unternehmens anhand aussagekräftiger Unterlagen zu Vermögen, Rentabilität, Liquidität | Persönliche Lebenssituation:– Alter– Betriebszugehörigkeit– Unterhaltsverpflichtungen– Evtl. Schwerbehinderung– Sonstige Härten | |||
+ | + | + | |||
Branchen-/berufsspezifische Arbeitsmarktsituation | Betrachtung der Einbettung in ggf. vorhandene Konzernstrukturen mit entsprechenden wirtschaftlichen Möglichkeiten (Ergebnisabführung, Beherrschung, Cashpool-Vertrag, de facto wirtsch. Bestimmung) | Derzeitige Arbeitsbedingungen:– Arbeitsentgelt inkl. variabler Bestandteile und Einmalzahlungen, evtl. Sachbezüge– Betriebliche Altersvorsorge– Arbeitszeit– Urlaubstage– Weg zur Arbeit– sonstige Rahmenbedingungen– Tarifbindung/Betriebsrat– ... | |||
– | + | + | |||
betriebliche/regionale Arbeitsmarktsituation | Qualifikationsstand und ursprüngliche Ausbildung | ||||
– | – | ||||
Arbeitsbedingungen bei potenziellen Arbeitgebern – branchenspezifisch und regional | Mögliche Transferleistungen (ALG 1, Transfer-KuG, Rentenzahlungen, ...) | ||||
– | – | ||||
Wirtschaftliche Tragbarkeit von BR-seitig ausgearbeiteten Alternativen | |||||
+ |
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Wird unter Einbezug der o.g. Determinanten ein aus Betriebsratssicht annehmbares Volumen des auszugleichenden wirtschaftlichen Nachteils berechnet, stellt sich hieran anschließend die Frage nach dem Verteilungsschlüssel für diese Summe.
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Gestaltungsvarianten der Verteilung von möglichen Sozialplanvolumina sind dabei vielfältig, sie können und sollen auch fallspezifisch Anwendung finden. Damit soll auch gewährleistet werden, dass den Gegebenheiten des Einzelfalls ganz im Sinne des Gesetzgebers Rechnung getragen wird.
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So werden die klassischen Abfindungssummen bei Arbeitsplatzverlust meist mittels des sog. Faktor- oder dem Divisorverfahrens ermittelt. Das Faktorverfahren setzt dabei auf die Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit, multipliziert mit dem Bruttomonatsentgelt und einem variablen Faktor (Betriebszugehörigkeit in Jahren * Bruttomonatsentgelt * Faktor). Das Divisorverfahren berücksichtigt zusätzlich noch das Lebensalter und als weiteren Faktor und teilt das Ganze dann entsprechend durch eine Variable – den Divisor ((Betriebszugehörigkeit in Jahren * Lebensalter in Jahren * Bruttomonatsentgelt)/Divisor). Dem Betriebsrat muss bei der Auswahl eines dieser Verfahren natürlich klar sein, dass bei Wahl des Divisorverfahrens junge, noch nicht lange im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tendenziell benachteiligt werden. Eine Zwischenlösung bietet natürlich auch die prinzipielle Anwendung des Faktorverfahrens, wobei die Höhe der Faktoren nach Altersgruppen in Abhängigkeit von den Arbeitsmarktrisiken der jeweiligen Alterskohorte gestaffelt sein kann.
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Als Ausgleich einer möglichen doppelten Benachteiligung von jüngeren Beschäftigten (durch kürzere