Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Holger Dahl

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Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten - Holger Dahl Betriebs Berater-Schriftenreihe/ Arbeitsrecht

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      Die vereinbarten Maßnahmen und angebotenen Leistungen im Rahmen der Sozialpläne führen im Ergebnis zu einer großen Zufriedenheit. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Anfang an ist für die Betriebsparteien, insbesondere aber für die Unternehmen, auch ein Effizienzgewinn. Zwar muss seitens der Betriebsparteien unter Umständen Zeit und Mittel in Sozialplanverhandlungen investiert werden, doch selbst bei Personalabbaumaßnahmen sind diese Ziele für alle Betriebsparteien zufriedenstellend erreicht worden. Da der oftmals als Regelabfindung herangezogene Berechnungsfaktor von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr längst überholt ist, müssen Unternehmen hier unter Umständen tiefer in Tasche greifen. Der Mehrwert liegt auf der Hand: Gestaltet man die im Rahmen des Sozialplanes angebotenen Leistungen, wie Abfindungssummen und weitere Zuschläge, für die betroffenen Mitarbeiter attraktiv und zeigt ihnen berufliche Perspektiven außerhalb des Unternehmens auf, lassen sich auch langwierige und kostspielige Kündigungsschutzprozesse vermeiden. Damit steht für alle Betriebsparteien und die betroffenen Mitarbeiter fest: Die Investition in Sozialpläne vermeidet weitere Konflikte in der Zukunft und zahlt sich somit aus.

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      So positiv die Auswirkungen eines Sozialplans sein können, so schwierig kann es sein, diesen mit einem für beide Seiten vernünftigen Ergebnis in Krisensituationen zu verhandeln. Denn in Krisenzeiten stehen die handelnden Personen unter extremem Zeit- und Kostendruck, sind angespannt und die (betroffenen) Arbeitnehmer beunruhigt und unsicher. Auch spielen persönliche Empfindungen in diesen Verhandlungen oftmals eine erhebliche Rolle. Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, dass die Betriebsparteien schon – präventiv – vor Eintritt einer Krise und der zwingenden Erforderlichkeit für den Abschluss eines Sozialplans Rahmenbedingungen vereinbaren, unter deren Berücksichtigung in Krisenzeiten gehandelt werden soll. Beispielsweise können in diesen Bedingungen zeitliche Abläufe für die Verhandlungen oder aber auch der Umgang der Betriebsparteien insgesamt miteinander geregelt werden. Im Einzelnen kann bzw. sollte zwar noch kein „Mustersozialplan“ aufgestellt werden, da dies immer eine Einzelfallentscheidung sein muss. Die tatsächlich eintretenden Nachteile für die Arbeitnehmer und das wirtschaftliche Umfeld sind insoweit noch nicht vorhersehbar. Wenn sich die Betriebspartner aber bereits vor Eintritt der tatsächlichen Krisensituation abstrakt über Maßnahmen und Abläufe ausgetauscht haben und sich für den Eintritt der Krise einen „Rahmen“ gegeben haben, erleichtert dies die Verhandlungen und den Umgang miteinander in schwierigen Situationen sehr.

      1 BAG, 26.5.2009 – 1 AZR 198/08 bzw. 23.3.2010 – 1 AZR 832/08; EuGH, 6.12.2012 – C152/11.

       II. Berechnung des Ausgleichs wirtschaftlicher Nachteile aus Sicht des Betriebsrats

       1. Einleitung

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      „Der beste Sozialplan ist der, den man nicht benötigt.“ So oder so ähnlich wird die Sozialplanthematik Betriebsratsgremien im Falle von Betriebsänderungen aus Arbeitnehmersicht häufig vermittelt. Damit möchte man dem Grundgedanken der ergebnisoffenen Beratungen nach § 111 BetrVG Ausdruck verleihen, wonach die Zielsetzung des Gremiums im Rahmen einer Betriebsänderung nicht in der Maximierung der Abfindungen liegen muss. Im erfolgreichsten Fall kann auch die Minimierung der Menschen mit tatsächlichem wirtschaftlichen Nachteil als Ergebnis stehen.

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      Die Praxis zeigt, dass dieser Vorsatz jedoch nur in wenigen Fällen derart umgesetzt werden kann, dass eine angekündigte Betriebsänderung tatsächlich am Ende ohne wirtschaftliche Nachteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Realität wird. Eine wirtschaftliche Mitbestimmung des Betriebsrats ist bekannterweise vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Insofern gilt es, in der Regel die wirtschaftlichen Nachteile von Betroffenen im Rahmen von Sozialplanverhandlungen durch das Betriebsratsgremium zu bewerten und entsprechende Forderungen in den Beratungen mit dem Arbeitgeber durchzusetzen.

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      Dabei sind verschiedene Aspekte bei der Bemessung eines angemessenen Sozialplanes zu berücksichtigen und somit auch in der Aufstellung einer vertretbaren und begründbaren Forderung im Blick zu behalten sowie betriebs- bzw. fallindividuell anzupassen. Generell sind zwischen populären Höchstforderungen, die vor allem aus den Medien in Form von „goldenen Handschlägen“ bekannt sind, und klassisch niedrig angesetzten Arbeitgeberangeboten realistische Kompromisse zu finden und auszutarieren.

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      Grundlage für die Diskussionen sind die unbestimmten Vorgaben durch Gesetzgeber und Rechtsprechung, die bewusst offengehalten sind und nur grobe Leitplanken setzen: Einerseits darf der Sozialplan keine über den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile hinausgehenden Leistungen vorsehen. Andererseits verlangt § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, dass der Sozialplan – unter dem Vorbehalt seiner wirtschaftlichen Vertretbarkeit – zumindest so dotiert ist, dass seine Leistungen eine effektive Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Beschäftigten darstellen. Es muss sich um eine im Verhältnis zu den Nachteilen substanzielle, spürbare Entlastung der Beschäftigten handeln.1

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      Zur Berechnung der anzunehmenden wirtschaftlichen Nachteile aus Sicht des Betriebsrats sind dabei mit dem Blick des externen Beraters vor allem drei verschiedene Dimensionen im Blick zu behalten. Diese weisen – schematisch gesehen – eine betriebliche, unternehmerische sowie individuelle Dimension auf und sollen nachfolgend erläutert werden.

       2. Die betriebliche Dimension

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      Dies ist nicht zuletzt auf die Vorgabe des § 112 Abs. 5 BetrVG zur Bemessung des Sozialplanes in einer Einigungsstelle zurückzuführen, wonach die „sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen“ (§ 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG) sind. Darüber hinaus sind nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BetrVG beim Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile Leistungen vorzusehen, die den Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung tragen.

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      Unmittelbar einleuchtend ist, dass der wirtschaftliche, in Euro zu bewertende Nachteil von Menschen, die ihren Arbeitsplatz im Umland von wirtschaftsstarken Metropolregionen verlieren, ein anderer ist als für diejenigen, denen dieses Schicksal in eher strukturschwachen Gegenden widerfährt. Wenn nun also ein Unternehmen jeweils einen Betrieb in den beiden genannten Regionen betreibt und an beiden Standorten

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