Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Holger Dahl
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Der Begriff der Betriebsanlagen umfasst die sächliche Einrichtung des Betriebs, also die technischen und baulichen Anlagen, die zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks eingesetzt werden.131
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Neben den Betriebsgebäuden gehören auch Geräte und Fahrzeuge dazu. Das LAG Hessen hat den Austausch von LKWs als grundlegende Änderung angesehen, nachdem die neuen Fahrzeuge nicht mehr mit Führerschein Klasse 3, sondern nur noch mit Klasse 2 zu fahren waren.132 Die Einführung von Software, wie z.B. einem Redaktionssystem, kann auch eine grundlegende Änderung der Betriebsanlagen sein, wenn sie qualitative Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer hat oder mit einem „Sprung“ in der technischen Entwicklung verbunden ist.133 Ist die Einführung von Desk-Sharing (auch „Shared Desk“ oder „Flexible Office“ genannt) mit einer einschneidenden baulichen Veränderung der Betriebsgebäude verbunden, führt dies zur Bejahung einer Betriebsänderung nach Ziff. 4.134 Hier kommt auch wieder die Einrichtung von häuslichen Telearbeitsplätzen oder Satellitenbüros in Betracht135 wie auch die Einführung von Profitcentern.136
f) Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren (§ 111 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 5 BetrVG)
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Die Katalogtatbestände der Ziff. 5 überschneiden sich oft mit denen der Ziff. 4, wobei hier der Schwerpunkt auf der Frage des Einsatzes der menschlichen Arbeitskraft zur Verfolgung der arbeitstechnischen Zwecke liegt.137
aa) Grundlegende Änderung
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Auch hier geht es wieder um „grundlegende“ Veränderungen (siehe oben Rn. 136). Die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren erfordert prinzipiell eine qualitative Bewertung, wobei sich der bedeutsame Charakter einer neuen Arbeitsmethode oder eines neuen Fertigungsverfahrens auch aus der Zahl der von ihr betroffenen oder dem Gewicht der Auswirkungen auf die Beschäftigten ergeben kann.138
bb) Einführung neuer Arbeitsmethoden
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„Arbeitsmethode“ bezeichnet die jeweilige Art, eine Arbeit systematisch abzuwickeln. Darunter fallen die Strukturierung des Arbeitsablaufs des einzelnen Arbeitnehmers – wie Handgriffe, Bewegungsabläufe –, die des Arbeitsablaufs zwischen den Arbeitnehmern – wie Einzel-, Gruppenarbeit – und der Einsatz technischer Hilfsmittel – etwa von Maschinen, Werkzeugen und Vorrichtungen. Gemeint sind letztlich alle konzeptionellen Regeln, welche hinter dem in mehr oder weniger viele einzelne, unselbstständige Arbeitsvorgänge gegliederten Arbeitsablauf stehen, d.h. die Festlegung, auf welchem Bearbeitungsweg und mit welchen Arbeitsmitteln durch welche Beschäftigten die Aufgabe erfüllt werden soll. Die „Arbeitsmethode“ erweist sich damit als das auf der Grundlage der personellen, räumlichen, technischen und sonstigen bedeutsamen Gegebenheiten und Möglichkeiten entwickelte Modell des Ablaufs derjenigen Arbeit, die zur Erfüllung der gestellten Aufgabe geleistet werden muss.139
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Die Arbeitsmethode muss nicht an sich „neu“ sein, sondern nur für den Betrieb.140 Sie muss eine bisher angewandte Methode entweder ersetzen oder zusätzlich eingeführt werden.141 Hier wird man im Einzelfall trefflich streiten, ob noch eine routinemäßige Verbesserung vorliegt oder schon eine neue Arbeitsmethode, selbst wenn die Begriffe noch die alten sind. In der Praxis behilft man sich häufig damit, dass man argumentativ dahin ausweicht, dass zumindest der allgemeine Betriebsänderungsbegriff nach Satz 1 gegeben sei, wenn veränderte Arbeitsmethoden einen hinreichenden Teil der Mitarbeiter betreffen.
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Das BAG hat richtig festgestellt, dass das Ein- und Durchführen eines Systems in einem Betrieb, das die Strukturierung, Vereinheitlichung und Optimierung von Arbeitsprozessen sowie deren Rationalisierung zum Ziel hat, mit einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG einhergehen kann, dies dann aber im Ergebnis spitzfindig abgelehnt, weil die Frage der konkreten Umsetzung etwaiger Ergebnisse ergebnisoffen gewesen wäre.142 Die Vorinstanz hatte im Gegensatz dazu richtigerweise noch das Unweigerliche des Systems erkannt und festgestellt, dass die Arbeitsabläufe sehr wohl nachhaltig und systematisch rationalisiert und effektiviert werden sollen.143
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Zunehmend wichtig wird in den letzten Jahren die Einführung sog. agiler Arbeitsmethoden, wie z.B. Scrum. Kernelement agiler Arbeit ist dabei der Übergang von Linienorganisationen zu Netzwerkorganisationen unter Auflösung klassischer Hierarchiestrukturen.144 Entscheidend ist natürlich auch hier das Ausmaß der Veränderung. Ein weiteres Beispiel ist die Einführung von Gruppenarbeit145 wie auch die Einführung von Selbstbedienungskassen.146 Auch
Desk-Sharing (auch „Shared Desk“ oder „Flexible Office“ genannt) ist eine neue Arbeitsmethode. Es führt zu einem regelmäßigen Reservierungs- und Koordinierungsaufwand und zum Verlust des persönlichen Arbeitsplatzes und damit eines persönlich gestaltbaren Arbeitsumfeldes.147 Ebenso verhält es sich mit
der Auslagerung von Arbeitsplätzen in häusliche Telearbeitsplätze bzw. Homeoffice oder Satellitenbüros.148 Auch die Änderung bzw. Flexibilisierung von
Arbeitszeitmodellen kann sich auf die Arbeitsorganisation und damit Arbeitsmethoden auswirken.149 So ist bei einer systematischen Beschäftigung von Teilzeitkräften mit flexibler Arbeitszeit statt bisher fester Arbeitszeiten eine veränderte Arbeitsmethode anzunehmen.150 Auch die Änderung der Betriebssprache, etwa von Deutsch auf Englisch, ist eine grundlegende Veränderung der Arbeitsmethode, da die zu erbringenden „Handgriffe“ auch Kommunikation sein können.151
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Die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen in dezentrale Strukturen oder umgekehrt kann hier ebenfalls genannt werden, dürfte ihren Schwerpunkt aber unter dem Begriff der Veränderung der Betriebsorganisation haben.
cc) Einführung neuer Fertigungsverfahren
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Der Begriff der „Fertigungsverfahren“ meint das technische Verfahren bei der Verfolgung des arbeitstechnischen Zwecks. Er ist gleichbedeutend mit dem Begriff der Fabrikationsmethode in § 106 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG.152 Der Begriff der „Fabrikationsmethode“ wiederum beschreibt das planmäßige Vorgehen bei der Gütererzeugung, also den Ablauf unter technischen Gesichtspunkten.153 Der Begriff des Fertigungsverfahrens ist also das technische Pendant zum arbeitswissenschaftlichen Begriff der Arbeitsmethode.
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Damit ist die Abgrenzung oft schwierig und manche Beispiele zu Arbeitsmethoden könnte man auch unter Fertigungsverfahren oder auch bereits unter Betriebsorganisationsänderungen diskutieren. Klassische Fragen des Fertigungsverfahrens sind die, ob Einzel- oder Massenfertigung stattfindet, ob Roboter zum Einsatz kommen oder nicht.154 Hierher gehören aber auch Veränderungen im Hinblick auf Crowdworking. Die über Plattformen eingebundenen Tätigkeiten oder Teilprodukte des Crowdworking werden ja in den Wertschöpfungsprozess reintegriert.155 Auch die Einführung von Kaizen, Kanban und SMED kommt in Betracht, ist jedoch primär bei der Änderung der Betriebsorganisation zu verorten (siehe oben Rn. 140).156 Zunehmend relevant wird auch Robotic Process Automation (RPA), also die automatisierte Bearbeitung von strukturierten Geschäftsprozessen durch digitale Software-Roboter.
3. Die allgemeine Betriebsänderung nach der Generalklausel des § 111 Satz 1 BetrVG