Kartellrechtliche Schadensersatzklagen. Fabian Stancke
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IV. Strategie zur Anspruchsdurchsetzung
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Die Festlegung einer auf den Einzelfall abgestimmten Strategie ist bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Kartellbeteiligte von erheblicher Bedeutung.
1. Vergleichsverhandlungen als Alternative zum Prozess
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Die gerichtliche Geltendmachung von Kartellschadensersatz gestaltet sich oft als langwierig, komplex und kostenintensiv.75 Gründe hierfür sind meist komplexe juristische und vor allem ökonomische Fragen der Schadensquantifizierung und eine oft schwierige Beweislage für den Kläger. Gerade in Deutschland stellen Umfang und Komplexität entsprechender Verfahren die zunächst zuständigen Landgerichte vor große Herausforderungen.76 Als Mittel der Wahl haben sich daher Vergleichsverhandlungen erwiesen.77 Ein Vergleich sollte nicht als Eingeständnis von Schwäche, sondern Investition in künftige Geschäftsbeziehungen gesehen werden. Gerade in Kartellschadensersatzverfahren sollte ein Interesse daran bestehen, eine längerfristige Geschäftspartnerschaft nicht wegen eines Streits über eine einmalige Schadensersatzzahlung zu gefährden. Ein frühzeitiger Vergleichsabschluss hat neben der Reduzierung von Gerichts-, Anwalts- und Gutachterkosten die Vorteile, dass die Geschäftsbeziehungen rasch wieder normalisiert werden,78 die Zinsen und die bilanziellen Risiken reduziert werden und das Verfahren von den Parteien besser kontrolliert werden kann. Vergleiche dienen auch der Informationsbeschaffung, um gegen die übrigen Kartellbeteiligten vorzugehen und wiederum deren Vergleichsbereitschaft zu erhöhen.79
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Der Abschluss eines Vergleichs hängt häufig auch vom Einvernehmen über den Kernpunkt des Kartellschadensersatzes, die Schadensberechnung, ab. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch ein Richter oder ökonomische Gutachten oft nicht zu einem eindeutigen und sachgerechten Ergebnis kommen. Da bei der Berechnung des Kartellschadens immer Unsicherheiten bestehen, sollten die Parteien versuchen zu einer beide Seiten zufriedenstellenden Lösung zu gelangen. Gegebenenfalls können hierbei Mediations- oder Schiedsgerichtsverfahren helfen. Regelmäßig stand dem Abschluss eines Vergleichs entgegen, dass Kartellbeteiligte mit dem Vergleichsabschluss eine spätere Inanspruchnahme durch Mitkartellanten ausschließen wollen.80 Gemäß § 33f Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB wird eine solche Regressmöglichkeit grundsätzlich gesetzlich ausgeschlossen.81 Geschädigte können auch weiterhin durch die Ausgestaltung des Vergleichs Einfluss auf den Innenregress nehmen.82 Grundsätzlich sollte möglichst frühzeitig in Vergleichsverhandlungen eingetreten werden. Die Lösung ist in diesem Stadium noch nicht mit Verfahrenskosten überfrachtet, gleiches gilt für Zinslasten. Ohne die behördliche Feststellung des Rechtsverstoßes werden sich Kartellbeteiligte jedoch nur selten auf Vergleichsgespräche einlassen. Für den Geschädigten kann es sich lohnen, finanzielle Anreize für den ersten Vergleichsabschluss anzubieten, der immer auch eine Signalwirkung gegenüber den anderen Kartellbeteiligten hat. Letztendlich zeigt sich aber bereits jetzt, dass die 9. GWB-Novelle nicht zu einer Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen öffentlicher und privater Kartellrechtsdurchsetzung führen wird und es weiterer Anreize zur Förderung von Vergleichen bedarf. Der Gesetzgeber geht mit der 10. GWB-Novelle zumindest einen Schritt in die richtige Richtung. Im neuen § 81d Abs. 1 Nr. 5 GWB wurde explizit der Hinweis aufgenommen, dass sich das Bemühen um Schadensausgleich bußgeldmindernd auswirken kann.83 Z.B. in Österreich, Slowenien, Portugal und Schweden gibt es bereits ähnliche Regelungen. Die schweizer WEKO hat in ihrer Verfügung vom 19.8.2019 betreffend Bauleistungen in Graubünden 50 % der geleisteten Schadensersatzzahlungen vom Bußgeldbetrag abgezogen.84 Sie begründet dies wie folgt: „Werden Geschädigte vor der Sanktionsentscheidung entschädigt, so wird hierdurch der Gewinn des Kartellanten geschmälert, womit im Hinblick auf den Zweck der Gewinnabschöpfung eine Reduktion [...] tatangemessen erscheinen kann. Die Möglichkeit der Sanktionsreduktion infolge Kompensationsleistungen stellt einen wichtigen Anreiz dar, Kartellopfer zu entschädigen. Es trägt dazu bei, die (mutmaßliche) Kartellrente oder Teile davon den Kartellopfern zukommen zu lassen.“85 Allerdings wird die neue Regelung insofern nur solche Schadensersatzzahlungen erfassen können, die vor dem Abschluss des Bußgeldverfahrens geleistet worden sind. Vergleiche vor Abschluss des Bußgeldverfahrens sind jedoch erfahrungsgemäß sehr selten. Es liegt daher am Gesetzgeber eine Regelung zu schaffen die Schadensersatzzahlungen tatsächlich vor der Verhängung von Bußgeldern ermöglicht.86 Denkbar wäre hier das Bußgeldverfahren fakultativ zweistufig auszugestalten.87 Auf Wunsch der Kartellbeteiligten könnte das Bundeskartellamt in einem Zwischenbescheid den Kartellrechtsverstoß dem Grunde nach feststellen. Nach einem Übergangszeitraum zur Förderung der einvernehmlichen Streitbeilegung mit den Kartellgeschädigten könnte das Bundeskartellamt dann gegenüber den Kartellbeteiligten mit einem zweiten Bescheid das Bußgeld festsetzen, wobei sich privatrechtlich abgeschlossene Vergleiche bußgeldmildernd auswirken müssten.
2. Auswahl des Beklagten
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Der Geschädigte kann entweder alle Kartellbeteiligten gesamtschuldnerisch jeweils in voller Höhe des entstandenen Schadens in Anspruch nehmen.88 Er kann aber auch nur einen Kartellbeteiligten verklagen und dadurch das Kostenrisiko im Unterliegensfall sowie die Verfahrenskomplexität und -dauer begrenzen.89 Bei hohen Schadensersatzforderungen lässt sich das Insolvenzrisiko durch die Inanspruchnahme mehrerer Kartellbeteiligter reduzieren. Es ist zu beachten, dass hierdurch möglicherweise das Prozesskostenerstattungsrisiko erhöht wird. Ferner kann auch direkt gegen die Muttergesellschaften vorgegangen werden. Das gilt nicht nur wenn die Kartellbehörde einen eigenen oder der Muttergesellschaft zugerechneten Kartellverstoß festgestellt hat.90 Zu dieser Frage, ob auch im Kartelldeliktsrecht der unionsrechtliche Unternehmensbegriff Anwendung findet und Muttergesellschaften für Kartellverstöße ihrer Tochtergesellschaften haften, wurde im Zusammenhang mit der Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie ausführlich gestritten.91 § 33a Abs. 1 GWB nimmt keinen ausdrücklichen Bezug auf dieses Konzept und überließ die Klärung letztendlich den Gerichten.92 Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Skanska nun festgestellt, dass im Kartellzivilrecht derselbe unionsrechtliche Unternehmensbegriff wie im Kartellbußgeldrecht gilt.93 Deshalb haftet auch die Mutter für ihre am Kartell beteiligte Tochter, wenn beide eine wirtschaftliche Einheit bilden.94
3. Auswahl des Gerichtsstands
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Liegen