Kartellrechtliche Schadensersatzklagen. Fabian Stancke
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Praktisch bedeutet dies, dass zunächst die Kartellabsprache, der Kartellzeitraum und die kartellbeteiligten Unternehmen zu ermitteln sind. Basierend auf diesen Informationen ist zu prüfen, in welchem Umfang von der Kartellabsprache betroffene Produkte bezogen wurden. Zudem ist eine Einschätzung der Schadenshöhe notwendig, wobei es zunächst ausreichen dürfte, auf empirische Erfahrungswerte zurückzugreifen.8 Ferner sind die Erfolgsaussichten einschließlich etwaiger Verjährungsrisiken zu prüfen. Schließlich müssen die zu erwartenden Kosten der Rechtsverfolgung in die Entscheidung einbezogen werden.
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Die Entscheidungsfindung der Unternehmensleitung sollte umfassend schriftlich dokumentiert werden, um in Zweifelsfällen darlegen zu können, dass die Entscheidung für oder gegen die Geltendmachung eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs pflichtgemäß getroffen wurde.9
1 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel B. 2 Zu dem Erfordernis einer Prognose als Merkmal unternehmerischer Entscheidungen vgl. die Begründung zum RegE zu § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 11. 3 Franz/Jüntgen, BB 2007, 1681, 1684. Vgl. auch von Falkenhausen, NZG 2012, 644; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 68. 4 Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, vgl. Dauner-Lieb, in: Hennsler/Strohn, GesR, § 93 AktG Rn. 22; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 34. 5 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 88; Stancke, WuW 2015, 822, 825. 6 Franz/Jüntgen, BB 2007, 1681, 1685. 7 Franz/Jüntgen, BB 2007, 1681, 1685; Stancke, WuW 2015, 822, 825f. 8 Bei Preiskartellen etwa soll die durchschnittliche Kartellrendite zwischen 15 und 20 % betragen, vgl. die für die EU-Kommission 2009 erstellte Oxera-Studie, Quantifying antitrust damages. Towards non-binding guidance for courts. 9 Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 36. Dies gilt insb. wegen der möglichen Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG.
II. Identifizierung und Prävention von Kartellschadensersatzfällen
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Um überhaupt Kenntnis von etwaigen Schadensersatzansprüchen zu erlangen, ist die Identifizierung möglicher Kartelle erforderlich. Dies kann durch ständige Überwachung der Aktivitäten der Kartellbehörden (sog. Monitoring) sowie ergänzend durch eigenes Screening der Lieferantenbeziehungen erfolgen.
1. Monitoring der Aktivitäten der Kartellbehörden
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Bestandskräftige Entscheidungen der Kartellbehörden erlauben den Geschädigten einen in der Beweisführung günstigen Folgeprozess. Ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid einer Wettbewerbsbehörde stellt den Kartellrechtsverstoß auch für Zivilgerichte verbindlich fest, und es besteht der Anschein bzw. die Vermutung, dass dieser zu einem Schaden geführt hat.10 Durch regelmäßige Sichtung von Presseberichten zu neuen Kartellentscheidungen kann ein erster Eindruck gewonnen werden, ob das Unternehmen betroffen ist.11
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Doch auch wenn ein Kartell identifiziert ist, gestaltet sich die Informationsbeschaffung grundsätzlich als schwierig.12 Kartelle sind in der Regel geheim, so dass die Geschädigten keinen Zugang zu den Informationen haben, die für die erfolgreiche Einklagung des ihnen durch ein Kartell entstandenen Schadens erforderlich sind. Zudem werden immer mehr behördliche Verfahren einvernehmlich durch Settlements beendet; Angaben zu den kartellrechtswidrigen Absprachen fallen dann in der Regel denkbar knapp aus. Der Zugang zu Informationen ist indes der Schlüssel zum Erfolg, da die Geschädigten im Prozess die Schadenskausalität nachweisen13 und Anknüpfungstatsachen für die gerichtliche Schadensschätzung darlegen14 müssen.
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Kartellbeteiligte sowie Dritte können im Wege eines Auskunftsanspruchs gemäß § 33g GWB gerichtlich zur Offenlegung von Informationen verpflichtet werden.15 Behördliche Quellen, wie die Akteneinsicht bei den Kartellbehörden oder die Offenlegung von Verfahrensakten der zu einem Kartell ermittelnden Staatsanwaltschaften16 sind gemäß § 89c Abs. 5 GWB subsidiär.17 Das Gericht kann gemäß § 89c Abs. 1 GWB auf Parteiantrag auch von den Wettbewerbsbehörden Akteneinsicht fordern, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Informationen nicht mit zumutbarem Aufwand von einer anderen Partei oder einem Dritten zu erlangen sind.18 Werden außergerichtliche Verhandlungen mit Kartellbeteiligten geführt, sollten diese zudem verpflichtet werden, relevante Informationen herauszugeben. Wichtige Informationen, mit denen der Schadensnachweis geführt werden kann, können auch bereits intern verfügbar sein. Die einzelnen Beschaffungsvorgänge müssen dazu möglichst umfassend dokumentiert sein.19
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Soweit ein Unternehmen die kartellierten Produkte nicht direkt, sondern nur mittelbar bezogen hat, ist es auf die Mitwirkung der Zulieferer angewiesen, um einen lückenlosen Schadensnachweis zu führen. In solchen Fällen sollte die Zusammenarbeit mit den Zulieferern möglichst frühzeitig umgesetzt werden. Zudem kann es auch notwendig sein, je nach Fallgestaltung weitere Dokumente und Informationen aufzubereiten.20
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Gerade in komplexen Fällen sollte angesichts der drohenden Verjährung schon vor der Beendigung der Bußgeldverfahren mit der internen Aufarbeitung des Falles begonnen werden.21 Es ist daher zu raten, bereits Hausdurchsuchungen und Verfahrenseröffnungen/-erweiterungen in das Monitoring aufzunehmen.
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Intern müssen wirksame organisatorische Prozesse eingeführt werden, die eine optimale Anspruchsverfolgung gewährleisten. Die Dokumentation innerhalb eines Unternehmens verfolgt regelmäßig andere Ziele22 und Dokumente werden oft nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen vernichtet. Deshalb müssen frühzeitig diejenigen Daten identifiziert werden, die für den Fall eines Kartellverdachts auf dem Beschaffungsmarkt vorgehalten werden sollten. Eine zeitige Aussprache und Dokumentation eines Dokumentenvernichtungsverbots ist geeignet, die regulären Vernichtungsprozesse zu stoppen, und in einigen Jurisdiktionen auch spätestens ab Klageerhebung zwingend.23 Bei einem Schadensverdacht kann die Datenlage dann effizient aufbereitet werden. Dazu sollten etwa geschulte Mitarbeiter speziell abgestellt werden. Die betroffenen Geschäftsfelder (z.B. Einkauf, Finanzen, Buchhaltung) sollten eng in den Prozess eingebunden werden. Gleichzeitig muss die Geschäftsleitung über die Anspruchsverfolgung informiert (gehalten) werden. Bei umfangreichen Verfahren bietet es sich an, ein eigenes Projekt aufzusetzen. Hier sind alle internen und externen Schnittstellen zu regeln. Der Bedarf an externer Beratung/Dienstleistung umfasst je nach Einzelfall insbesondere externe Anwälte, Strafverteidiger, Wirtschaftsprüfer, Ökonomen und IT-Dienstleister. Soweit die Geschädigten eigene Rechtsabteilungen unterhalten, steuern diese regelmäßig die Prozesse und die Schnittstellen einschließlich der internen und externen Kommunikation.