Kartellrechtliche Schadensersatzklagen. Fabian Stancke

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Kartellrechtliche Schadensersatzklagen - Fabian Stancke Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch

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der mit der 9. GWB-Novelle eingeführten Vorschriften bislang noch nicht zur Anwendung gekommen sei, weil eine Anwendung nach den intertemporalen Regelungen in § 186 Abs. 3 und 4 GWB nur auf nach dem 26.12.2016 entstandene oder anhängig gemachte Schadensersatzansprüche in Betracht kam. Jüngere Entwicklungen in der Rechtsprechung hätten jedoch bereits aufgezeigt, dass Modifikationen im Hinblick auf spezifische Regelungen erforderlich seien, um die Geschädigten bei der Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche gegen kartellbeteiligte Unternehmen zu unterstützen. Dies betrifft zum einen die Regelung einer Vermutung der Betroffenheit und zum anderen die Auskunfts- und Offenlegungsansprüche, die sich – obwohl insofern eine Anwendung bei richtiger Rechtsauslegung grundsätzlich schon möglich gewesen sei – bislang noch nicht zur erwarteten Hilfe für Geschädigte entwickelt hätten.35 Hinsichtlich der „Betroffenheit“ erfolgte daher die Einfügung eines neuen Abs. 2 Satz 4 in § 33a, wonach widerleglich vermutet wird, dass Rechtsgeschäfte über Waren oder Dienstleistungen mit kartellbeteiligten Unternehmen, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich eines Kartells fallen, von diesem Kartell erfasst waren. Entsprechend wurde in § 33c Abs. 3 ein Satz 2 angefügt, der eine entsprechende gesetzliche Vermutung auch für mittelbare Abnehmer vorsieht. Diese gesetzlichen Vermutungen treten als materiell-rechtliche Regelungen nach allgemeinen Regeln wie das gesamte Gesetz in Kraft und gelten damit nur für Schadensersatzansprüche, die nach diesem Zeitpunkt entstehen.36 Die Begründung sagt aber nichts dazu, ob eine tatsächliche Vermutung für das gleiche Ergebnis spricht. Bewusst verzichtet wurde auf die Regelung einer Vermutung zur Schadenshöhe. Im deutschen Recht sei eine solche Vermutung auch deswegen nicht erforderlich, weil die Schadenshöhe gemäß § 287 ZPO geschätzt werden könne.37 Eine weitere gesetzliche Klarstellung betrifft die Offenlegung von Beweismitteln. Mit der 9. GWB-Novelle wurde § 89b eingeführt, dessen Abs. 5 sicherstellen sollte, dass der Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder Herausgabe von Beweismitteln gemäß § 33g bezüglich einer Entscheidung der Wettbewerbsbehörde auch kurzfristig und ohne die Notwendigkeit einer Geltendmachung eines Anspruchs in einem gesonderten Hauptverfahren durchgesetzt werden kann. Die Rechtsprechung hatte diese Vorschrift teilweise sehr restriktiv ausgelegt.38 Mit der Einfügung von § 89b Abs. 5 Satz 2 soll entgegen der restriktiven Rechtsprechung klargestellt werden, dass eine Anordnung der Herausgabe keine Eilbedürftigkeit voraussetzt. Es wird damit nicht nur auf die Darlegung und Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes verzichtet, sondern insgesamt auf das Vorliegen der Voraussetzung einer Eilbedürftigkeit. Erforderlich ist eine Darlegung und Glaubhaftmachung demnach nur für den Verfügungsanspruch, also das Vorliegen der Voraussetzungen des § 33g.39 Die Novelle geht zudem auf die restriktive Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zum intertemporalen Anwendungsbereich der neuen Offenlegungsvorschriften ein.40 So stellt § 186 Abs. 4 nunmehr ausdrücklich klar, dass die §§ 33c Abs. 5, 33g sowie 89b bis 89e auch in Bezug auf Schadensersatzansprüche Anwendung finden, die vor dem 26.12.2016 entstanden sind (was das OLG verneint hatte), und für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften nur der Zeitpunkt der Klageerhebung maßgeblich ist.41 Einzelheiten zu den (insbesondere auch: neuen) Inhalten der kartellrechtlichen Schadensersatzregeln finden sich in den einzelnen Kapiteln dieses Handbuches.

      24 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, § 33 GWB Rn. 5 m.w.N. 25 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, § 33 GWB Rn. 6 m.w.N. 26 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln („VO 1/2003“), ABl. Nr. L, 1, S. 1, zuletzt geändert durch Anh. I ÄndVO (EG) 487/2009 vom 25.5.2009, ABl. Nr. L 148 S. 1. 27 Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, Bd. 1, Vorb. zu §§ 32ff. Rn. 8. 28 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2, § 33 GWB Rn. 7 m.w.N. 29 Bunte, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, Bd. 1, Vorb. zu §§ 32ff. Rn. 12. 30 Art. 21 Abs. 1 RL 2014/104/EU. 31 Vgl. auch Bunte/Stancke, Kartellrecht, S. 435ff. 32 Vgl. auch zuvor schon die Rspr., insb. BGH, 28.6.2011, KZR 75/10, WuW/E DE-R 3431 Rn. 26 – ORWI, mit Hinweis auf EuGH 7.1.2004, ECLI:EU:C:2006:6 Rn. 53 – Aalborg Portland u.a./Kommission; LG Berlin, 6.8.2013, 13 O 193/11 Kart, WuW/E DE-R 4456 – Fahrtreppen; OLG Karlsruhe, 31.7.2013, 6 U 51/12 (Kart), BWGZ 2013, 1011, 1013f. – Kartellabsprache; BGH, 13.7.2020, KRB 99/19, ECLI:DE:BGH:2020: 130720BKRB99.19.0 – Bierkartell. 33 BGBl. I v. 8.6.2017, S. 1416ff. 34 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (GWB-Digitalisierungsgesetz). 35 S. 65. 36 S. 104f. 37 S. 104. 38 OLG Düsseldorf, 3.4.2018 und v. 7.5.2018, VI-W (Kart) 2/18, WuW 2018, 415 – Herausgabe von Beweismitteln I und II. 39 S. 167. 40 OLG Düsseldorf, 3.4.2018 und v. 7.5.2018, VI-W (Kart) 2/18, WuW 2018, 415 – Herausgabe von Beweismitteln I und II. 41 S. 170.

      Kapitel B Gründe für die Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche

      Literatur: Altmeppen, Organhaftung wegen Verjährenlassens von Ansprüchen der Kapitalgesellschaft, ZIP 2019, 1253; Bayer/Scholz, Organhaftung wegen Nichtdurchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft, NZG 2019, 201; Beth/Pinter, Preisschirmeffekte: Wettbewerbsökonomische Implikationen für kartellrechtliche Bußgeld- und Schadensersatzverfahren, WuW 2013, 228; Coppik/Haucap, Die Behandlung von Preisschirmeffekten bei der Bestimmung von Kartellschäden und Mehrerlösen, WuW 2016, 50; Fritzsche, Die Schadensvermutung – Auslegungsfragen zum Kartellzivilrecht nach der 9. GWB-Novelle, NZKart 2017, 581; Hartmann-Rüppel/Schrader, Es regnet Preiserhöhungen – Wie Preisschirme auch Unbeteiligte schädigen können, ZWeR 2014, 300; Klumpe/Thiede, Ergänzende Überlegungen zur Lukas Rengier, Kartellschadensersatz in Deutschland, NZKart 2019, 136; Makatsch, Kartellschadensersatz – Vergleichen oder Prozessieren?, CCZ 2015, 127; Meeßen, Der Anspruch auf Schadensersatz bei Verstößen gegen das EU-Kartellrecht – Konturen eines Europäischen Kartelldeliktsrechts, 2011; Morell, Kartellschadensersatz nach „ORWI“, WuW 2013, 959; Murphy, Stahlkonzern entschädigt Bahn, in: Handelsblatt (Nr. 224) vom 20.12.2013, S. 15; Rengier, Kartellschadensersatz in Deutschland – die ersten 15 Jahre in Zahlen und Lehren für die Zukunft, WuW 2018, 613; Stancke, Zu den Pflichten und Abwägungskriterien hinsichtlich der Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche, WuW 2015, 822; Stein/Friton/Huttenlauch, Kartellrechtsverstöße als Ausschlussgründe im Vergabeverfahren, WuW 2012, 38; Thomas, Der zivilprozessuale Nachweis eines Kartellverstoßes nach vorausgegangener Verpflichtungszusagenentscheidung, ZWeR 2018, 141; Weber/Kiefner/Jobst, Künstliche Intelligenz und Unternehmensführung, NZG 2018, 1131.

       Übersicht

       I. Potenziell erhebliche Schädigung durch Kartelle

       1.

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