Cynthia Silbersporn. Fred Keller

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Cynthia Silbersporn - Fred Keller

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Ein arbeitsreicher Tag

      Cynthia Silbersporn war mittleren Alters und kannte sich gut mit Kräutern, Astrologie und Magie aus. Sie besaß den prächtigsten Garten in der ganzen Gegend und war stolz auf ihre »grünen Daumen«. Alles wuchs biologisch gedüngt. Vor allem Heilkräuter und Giftpflanzen, die oftmals dieselben waren und sich lediglich in der verwendeten Menge unterschieden.

      Grenzenlose Geduld und Gutmütigkeit zeichneten Cynthia aus, und zwar genau solange, wie alles nach ihrem Kopf ging. Sie wohnte allein in einem kleinen unauffälligen Haus am Ende einer Sackgasse, was den Vorteil brachte, alle Besucher schon von weitem kommen zu sehen. Cynthia beherrschte neben ihrer Muttersprache Deutsch mehrere Sprachen in Wort und Schrift, dazu gehörten Englisch, Französisch, Lateinisch und Sanskrit, wodurch es ihr leichtfiel, in vielen alten Schriften zu lesen.

      Soeben probierte sie ein altertümliches Rezept aus, das aus einem Buch eines befreundeten Antiquars stammte. Als er es ihr zukommen ließ, hatte er nicht geahnt, welch einen Schatz er da bei der Bibliotheksauflösung einer alten Villa nach mehreren Jahrhunderten ans Tageslicht beförderte, so sein Bericht an sie. Die Sprache sei ihm fremd, wie er erklärte, aber dafür gab es ja schließlich seine langjährige Bekannte Cynthia. Des Öfteren stand sie mit Rat und Tat an seiner Seite.

      Schon beim Anblick des dicken, in Leder gebundenen Buches hatte sie die Energie gespürt, die in ihm steckte und nach außen drängen wollte. Der Text offenbarte sich sogleich beim Aufschlagen. Natürlich hätte sie es übersetzen können, fand es aber unnötig, denn das Werk war direkt nach Fertigstellung mit einem magischen Bann belegt worden. Dieser bewirkte, dass die Inkunabel von Menschen mit der erforderlichen geistigen Reife auch im Original gelesen werden konnte. Allerdings wurde Cynthia, seit das Buch in ihr Haus gelangt war, von dem Gefühl verfolgt, beobachtet zu werden. Bohrten sich die Augen der Personen aus den wenigen aufgehängten Bildern in ihren breiten Rücken? Sie ertappte sich dabei, wie sie bei jedem Knacken der alten Holzbalken zusammenzuckte und einen Blick über die Schulter warf.

      Der Kupferkessel baumelte an einem schwenkbaren Haken. In ihm blubberte, dampfte und zischte es. Die Flammen leckten an den Seiten empor, weshalb er mit dunklen Rußspuren überzogen war.

      Seit dem frühen Morgen stand Cynthia in der Küche, die dunklen Haare als Knoten hochgesteckt, einen Schweißfilm auf der Stirn, und die müden Beine drohten mit Wadenkrämpfen. Bald würde das Gebräu fertig sein, nur noch wenige Zutaten fehlten zu seiner Vollendung. Jetzt mussten die Angaben genauestens befolgt werden.

      Eine Messerspitze getrockneter Fliegenpilz, dreimal rechtsherumrühren. Sieben Beeren der Tollkirsche zu Brei gemörsert, viermal linksherumrühren.

      Nun benötigte sie nur noch drei Zutaten. Keiner konnte sie aufhalten, das Elixier fertigzustellen. Das Rezept versprach nichts Geringeres als die Unsterblichkeit.

      Als nächstes wurden sechs Samen des Wunderbaums pulverisiert und in den Kessel gegeben. Vier, fünf, sechs. Cynthia hielt die Dose noch waagrecht über den Steintopf, in dem die Samen zerstoßen werden sollten, als lautstark die ersten vier Takte von Beethovens Fünfter durch das Haus schallten.

      Sie zuckte dermaßen zusammen, dass unzählige Samen aus der Dose fielen. Wie oft hatte sie sich schon vorgenommen, diesen Klingelton durch einen harmonischeren zu ersetzen. Das musste auf der To-do-Liste ganz nach oben. Zum Glück hielt sie die Hand über den Mörser. Kaum auszudenken, wenn sie von vorne hätte beginnen müssen.

      Konnte der Kessel bei kleiner Flamme über dem Feuer bleiben? Dazu fand sie keine Angabe im Rezept, nur was reinmusste und wie oft man in welche Richtung umrühren sollte.

       Da da da daaa.

      Okay, wer immer da draußen stehen würde und den Klingelknopf malträtierte, sollte einen guten Grund haben.

      Bevor sie zur Tür marschierte, griff Cynthia nach ihrer kleinen japanischen Freundin, die immer in Reichweite lag. Eine zusammenklappbare Handsäge, die eigentlich Pocketgirl hieß, Cynthia aber Fushigi nannte. Das gefiel ihr besser und hörte sich persönlicher an. Es bedeutete »Wunder«, und es war wirklich wunderbar, was diese Säge alles leistete. Vom Verkäufer empfohlen für Äste und dünne Stämme, aber, wie sie herausgefunden hatte, auch durchaus für andere Gelegenheiten, die im Haushalt anfielen, geeignet.

      Sie riss die Tür auf und sah den ausgestreckten Zeigefinger direkt vor der Klingel in der Luft schweben. Der Mann hinter dem Zeigefinger erstarrte aufgrund ihres plötzlichen Erscheinens und wirkte irritiert. Vermutlich glaubte er, sie hätte sich direkt hinter der Tür materialisiert. Wär schön, wenn sie das könnte.

      »Stopp!«, herrschte sie ihn an. »Nur weil Beethoven programmiert ist, bin ich noch lange nicht taub.«

      »Hätten Gnädigste wohl ein paar Minuten Zeit, um mit mir über die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu reden?«, gab der ungebetene Störer seinen sichtlich auswendig gelernten Satz leise von sich.

      Wichtiger als mein Kupferkessel?, überlegte Cynthia.

      Der Magier Marius Maca hatte einmal einem aufdringlichen Sektenanhänger die »Gespräche mit Gott«-Bücher empfohlen, was diesen zur augenblicklichen Flucht veranlasste, um seine festzementierte Glaubensanschauung nicht mit neuen Ideen ins Wanken zu bringen. Aber eine solche Schlagfertigkeit brauchte Cynthia heute nicht einzusetzen. Für Leute, die andere beim Ausprobieren neuer Rezepte unterbrachen, gab es ein besonderes Programm.

      Ein listiges Grinsen zog ihr die Mundwinkel nach oben. Es kam ihr vor, als bemächtigte sich ihrer ein fremder Geist, der mit diesem Vertreter des Hauskreises etwas Besonderes plante. Lag es an dem Buch, von dem sie langsam ahnte, was es alles beinhaltete? Freundlich bat Cynthia Silbersporn den Besucher in die vordere Küche.

      Die hintere, in der der schöne Kessel hing, hatten bis jetzt nur wenige betreten, und noch weniger auf eigenen Beinen verlassen.

      Wie Cynthia annahm, wurde dem zerknitterten Herrn nur selten ein Tee angeboten, weshalb er die Einladung freudig annahm. Ein Earl Grey wurde kredenzt.

      Mit seinem kräftigen Bergamottöl und dem herben Geschmack war »Der Graue Graf«, so nannte sie diese Sorte allzu gern in der deutschen Übersetzung, hervorragend geeignet, die Bitterkeit gewisser ziemlich ungesunder Kräuter zu überdecken.

      Den Gast im Rücken, schenkte sie zwei Tassen ein. Eine erhielt einen Spritzer aus einem braunen Fläschchen, das sie vom Gewürzregal nahm, und dann noch einen. Sicher war sicher. Wieder befiel sie das Gefühl fremder Augen, die sie über die Schulter hinweg beobachteten.

      Cynthia Silbersporn ging freundlich lächelnd an den Tisch, stellte die beiden Trinkgefäße ab und nahm Platz. Ja, sie konnte richtig nett sein oder zumindest so tun als ob.

      Freudig erregt holte der Mann Luft und fragte: »Sie sind doch bestimmt sehr einsam hier, oder?«

      Es sollte eine seiner letzten Fragen sein.

      »Ich bin nicht einsam. Ich bin nur alleine mit meiner Katze, und das ist auch gut so.«

      Bevor das Palaver ins Unendliche ausufern würde, musste Cynthia die Gesprächsführung, beziehungsweise dessen Beendigung, übernehmen. So wie ein starker Magnet Metall anzieht, glaubte sie fast, den Kessel rufen zu hören. Langsam zog sie die Luft ein, atmete tief durch, doch die Ungeduld wuchs.

      »Ich bin hierher gezogen, um meine Ruhe zu haben. Das mag vielleicht schwer nachvollziehbar sein, aber es gibt Menschen, die sind lieber alleine als mit den falschen Individuen zusammen.«

      Sie

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