Cynthia Silbersporn. Fred Keller

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Cynthia Silbersporn - Fred Keller

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zwar mehr als rätselhaft, aber sie vertraute ihrem langjährigen Freund Marius Maca und ließ sich von ihm beruhigen. Abwarten und sehen, was kommt, hieß die Devise.

      Lautstark knurrte ihr Magen, das Frühstück war die letzte Mahlzeit gewesen. Sie schielte auf die Papiertüte, die Marius mitgebracht hatte.

      »Was ist da drin?«

      »Och, nur ein paar Leckereien, süße Stückchen, zwei oder drei Nussecken aus der Bäckerei, aber du wolltest ja keinen Kuchen. Bleib sitzen, ich kenn mich aus, weiß wo dein Geschirr steht.« Zielstrebig holte er das Benötigte und eine Kuchengabel.

      »Ich esse natürlich mit. Bring mir auch einen Teller und eine Gabel. Wenn ich mich auf eins im Leben verlassen kann, dann darauf, dass der Hunger immer wieder zurückkehrt.«

      »Genau das habe ich geahnt. Ist Schokosahne recht?«

      »Aber sicher.«

      Zwei Tortenstücke später hatte sich Cynthia zufrieden in ihrem Küchenstuhl zurückgelehnt.

      »Ich bin gespannt, wie das alles noch weitergehen wird.«

      »Ja, das kannst du auch. Neue Erfahrungen sind wohl die geeignetste Umschreibung. Es wird interessant, soviel verspreche ich dir.«

      In dieser Nacht fand Cynthia wenig Schlaf.

       Ein Energieblitz aus dem Handgelenk

      Als Cynthia Silbersporn am frühen Morgen zum Fenster hinausschaute, ahnte sie nichts Gutes für diesen Tag. Lieschen Müller kam angelaufen. Ihre langweilige Schwester wohnte mit dem noch langweiligeren Waldemar am Anfang der Straße, an deren Ende ihr eigenes Haus stand. Schon letzte Woche hatte die Jüngere angekündigt, wichtige Familienangelegenheiten besprechen zu wollen.

      Wer würde sich um den alten, gebrechlichen Erbonkel kümmern, der immer unselbstständiger wurde und ganz in der Nähe in seinem kleinen Häuschen wohnte?

      Lieschen vertrat die Meinung, Cynthia hätte mehr Zeit zur Verfügung. Denn diese besaß zwar auch ein Haus, aber keinen Mann, der versorgt werden wollte. Männer können ja so abhängig sein. Allerdings nur, weil die Herren zuerst von ihren Müttern und dann von den Ehefrauen in der Meinung bestätigt wurden, sie bekämen alles abgenommen. Das verlieh den Frauen Macht. Dem weiblichen Teil der Bevölkerung gefiel dieses Spiel solange, bis sie merkten, das eigene Leben bestand nur noch aus Haushalt und dem Bemuttern erwachsener Männer. Plötzlich waren sie überrascht, wenn ihre vierzigjährigen Kinder sich im eigenen Haus verliefen, sollten sie zufällig mal die Waschküche betreten, oder nicht wussten, wo frische Handtücher aufbewahrt wurden und die gebrauchten hinkamen, in welchem Schrank Socken und Unterwäsche lagen, wo die Butter, der Kühlschrank oder die Küche überhaupt waren.

      Lieschens Vorschlag, Cynthia solle alle anfallenden Aufgaben bei Onkel Erwin übernehmen und später natürlich auch die Haushaltsauflösung arrangieren, stieß bei Cynthia auf kein Verständnis. Auch Lisas Vorschlag, das Erbe gerne zu teilen, stimmte sie nicht um, lebte sie doch als Single mit hochbetagter Katze ganz glücklich und zufrieden.

      Für den Vormittag hatte sie geplant, der alten Katzendame eine hübsche Portion Reiki angedeihen zu lassen. Diese machte ihrem Namen »Diva« alle Ehre. Um ihren Willen durchzusetzen, maunzte sie solange lautstark das Personal an, also Frauchen Cynthia, bis diese alles tat, um sie wieder auf Zimmerlautstärke zu dimmen.

      Als die Klingel unverändert mit Beethovens Fünfter Auskunft über die Ankunft ihrer Schwester gab, schaute Cynthia durch das Fenster neben der Tür.

      »Du liebe Göttin«, dachte sie entsetzt, »was sie nur wieder für einen Fummel trägt. Ein ganzes Haus, und anscheinend in keinem Raum ein Spiegel.«

      Angenehm waren Lisas Besuche nie, nur mit Forderungen verbunden. Schon als Kind ein Fremdkörper in der eigenen Familie, verkam sie mit diesem Bürohengst an der Seite zum Heimchen am Herd.

      Missmutig öffnete Cynthia die Tür.

      »Hallo, Schwesterherz, was kann ich gegen dich tun?«

      »Guten Tag, Cynthia, nett wie immer. Du hast dich kein bisschen verändert.«

      »Warum auch? Ich gefalle mir ganz gut.«

      »Willst du mich nicht hereinbitten?«

      Cynthia überlegte kurz, ob sie ehrlich oder höflich antworten sollte, und schob dann die Tür auf, um ihre Schwester durchzulassen.

      Lisa nahm unaufgefordert in der Küche Platz. Ohne langes Hin und Her kam sie gleich auf das Thema zu sprechen, das ihr am Herzen lag.

      »Es geht um Onkel Erwin. Du musst dich um ihn kümmern. Neulich fand ich sein Telefon im Kühlschrank. Nächsten Monat ist sein Achtzigster, und er wird immer seltsamer.«

      »Das ist wohl keine Altersfrage. Du gehst ja in der Rolle als Hausfrau total auf und kannst bestimmt auch zwei Häuser in Schuss halten. Es gibt Wichtigeres als Onkel Erwins Kühlschrankinhalt.«

      »Was denn, außer Hokuspokus, Magie und Reiki?«

      »Ein bisschen Magie schadet nie. An mir liegt’s nicht, dass dein Beamter die Fantasie, die du zweifelsohne mal hattest, abgewürgt hat. Nur noch Zahlen, Daten, Fakten und im Geiste schon die Hälfte von Erwins Kontostand zu deinem eigenen addiert. Heute hat drei Tage altes Weißbrot mehr Intelligenz als du.«

      »Du lässt mich also mit Onkel Erwins Betreuung allein?«

      »Was ist denn schon passiert? Sein Telefon lag im Kühlschrank! Und ...? Wenn er es braucht und dort findet, ist doch alles in bester Ordnung. Kein Grund, gleich die Vormundschaft an sich reißen zu wollen. Jeder muss das Recht haben, sein Leben so zu gestalten, wie er es möchte. Selber Denken macht Spaß, solltest du auch mal probieren.«

      Lisa sprang auf und verließ wutschnaubend das Haus.

      »Oh, oh, Cynthia. Jetzt hast du es wieder mal geschafft, deine empfindliche Schwester ist eingeschnappt«, schalt sie sich selbst, nachdem Lisa die Tür zugeworfen hatte.

      Cynthia sah ihr betrübt nach und ließ ein paar Hallo-wach-Gedanken in Lisas Kopf fahren, das konnte sie locker aus dem Handgelenk.

      Cynthia war seit jeher die Selbstständigere von beiden gewesen. Ein Meinungsaustausch bestand darin, dass Lisa mit eigener Ansicht kam und mit Cynthias Standpunkt ging. Als starke alleinlebende Frau lief alles wunderbar. Vielleicht, weil sie allein lebte. Kein Mann im Haus.

      Aber Lisa machte auf Cynthia den Eindruck, als ob sie ohne Waldemar auf der Strecke bleiben würde. Ständig am Jammern, wer sollte den Müll runterbringen, die schweren Aufgaben im Haushalt übernehmen und das Geld verdienen?

      Vielleicht war es an der Zeit, ihr mal gehörig den Kopf zu waschen und Selbstvertrauen zu vermitteln, sie sollte ihr Selbstbild überdenken. Als Vorbild nicht mehr Mutter Beimer aus der Lindenstraße haben, sondern Alice Schwarzer oder doch eher die graue Maus aus der Bibliothek. Die verdiente zumindest ihr eigenes Geld. Klein anfangen.

      Cynthia setzte sich an den Tisch, konzentrierte sich, fokussierte ihre Gedanken auf Lisa und konnte auch spüren, wie die mentale Arbeit bei ihrer Schwester Wirkung zeigte. Es war zwar unhöflich, sie meinte es jedoch nur gut und stöberte deshalb ein wenig in den Hirnwindungen Lisas.

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