Substantieller Rechtsschutz im Mitarbeitervertretungsrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland. Johannes Hempel
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Diese Auslegung des § 62 MVG.EKD erscheint aber schon deshalb zweifelhaft, weil das erstinstanzliche Schlichtungsverfahren (Hauptverfahren) keinen Verweis auf staatliche Verfahrensvorschriften vorsah. Wenn dem Gesetzgeber aber daran lag, das erstinstanzliche Hauptverfahren eigenständig zu regeln, so fragt sich, warum dann im Eilverfahren Rückgriff auf die Vorschriften der VwGO und der ZPO genommen werden sollte. Anscheinend wurde mithin aus der Verwendung des Begriffs „einstweilige Anordnung“ geschlossen, dass es sich um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren i.S.d. § 123 VwGO handeln muss. Demgegenüber wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass zu den inhaltlichen Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung keine Angaben gemacht werden. „Aus der Formulierung kann lediglich geschlossen werden, daß es noch ein späteres Hauptsacheverfahren geben kann. Ob hier ein echter vorläufiger Rechtsschutz im Sinne des § 123 VwGO gemeint ist, muß zumindest bezweifelt werden. Der Wortlaut der Bestimmung mutet eher wie ein Übergang zur Einzelrichterentscheidung auf Antrag an, wenn die Kammer verhindert ist. Ein gut geregeltes einstweiliges Anordnungsverfahren könnte u. U. bestehende Rechtsschutzlücken schließen …“86.
Die ersten Jahre praktischer Rechtsanwendung des MVG.EKD 1992 erwiesen sich durchaus als positiv87. Allerdings waren auch die Defizite insbesondere im Bereich des Rechtsschutzes nicht zu übersehen. Es fehlte an klaren Regelungen für das erstinstanzliche Verfahren, insbesondere auch für den einstweiligen Rechtsschutz. Auch das zweitinstanzliche Verfahren war durch den Hinweis in § 63 MVG.EKD 1992 auf den Verwaltungsrechtsweg und durch den Zuständigkeitskatalog nicht zufriedenstellend gelöst.
V. Das erste Änderungsgesetz zum MVG.EKD vom 6.11.1996 – (MVG.EKD 1996)88
Bereits vier Jahre nach Erlass des MVG.EKD 1992 trat mit Wirkung zum 1.1.1997 das erste Änderungsgesetz (MVG.EKD 1996) in Kraft mit zahlreichen Detailänderungen, jedoch mit dem Ausbau des Rechtsschutzes als Schwerpunkt.
In § 56 MVG.EKD wurde das erstinstanzliche Verfahren als „gerichtliches Verfahren“ bezeichnet und damit zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den „Schlichtungsstellen“ um Kirchengerichte handelt89. Bislang entschied die Schlichtungsstelle in nicht-öffentlicher Verhandlung (§ 61 V 2 MVG. EKD 1992). Der kirchengerichtliche Charakter der Schlichtungsstelle wird nunmehr dadurch unterstrichen, dass ihre Kammern öffentlich tagen, es sei denn, besondere Gründe erforderten den Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 61 V 3 MVG.EKD 1996)90.
Ferner wurde die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle neu geregelt. An die Stelle des Zuständigkeitskatalogs und der „kleinen Generalklausel“ in § 60 I MVG.EKD 1992 trat nunmehr eine umfassende Generalklausel, wodurch Auslegungsschwierigkeiten behoben wurden91.
Eine erhebliche Änderung brachte jedoch die Klarstellung in § 62 MVG.EKD 1996, wonach für das Verfahren vor der Schlichtungsstelle die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden sind. Dies bedeutete die Angleichung des Verfahrensrechts in erster und zweiter Instanz. Wie bereits in § 16 VVG.EKD wurde auch in § 62 S. 2 MVG.EKD 1996 die Vorschriften über Zwangsmaßnahmen für nicht anwendbar erklärt. Den bereits zum MVG. EKD 1992 geäußerten Bedenken, dass eine Vollstreckung der kirchengerichtlichen Entscheidungen, etwa eine Zwangsgeldfestsetzung, möglich sein müsse, weil die bisherigen innerkirchlichen Durchsetzungsmittel nicht ausreichend seien92, wurde nicht entsprochen.
Für den einstweiligen Rechtsschutz bedeutete die Regelung in § 62 MVG.EKD 1996 eine weitere Klarstellung; denn dadurch, dass die frühere Regelung des § 62 MVG.EKD 1992 (nunmehr § 61 X MVG.EKD 1996) zum Bestandteil des Verfahrens nach der Verwaltungsgerichtsordnung wurde93, waren zumindest die Bedenken, ob es sich um einen „echten vorläufigen Rechtsschutz“ handle94, ausgeräumt. Allerdings stellte sich damit aufgrund des Ausschlusses der Zwangsregelungen bereits das Problem der Vollziehung der einstweiligen Anordnungen.
Schließlich wurde klargestellt, dass es sich bei dem Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Schlichtungsstelle um „Beschwerden“ handelt (vgl. § 63 I MVG.EKD 1996). Diese Klarstellung war schon deshalb erforderlich, weil ansonsten wegen § 62 S. 1 MVG.EKD 1996 auf das Beschwerdeverfahren nach §§ 146 ff. VwGO hätte zurückgegriffen werden müssen Die Beschlüsse der Schlichtungsstelle haben jedoch die Qualität von Urteilen im Sinne des § 124 VwGO; denn § 63 I MVG.EKD stellte klar, dass es sich bei der „Beschwerde“ um ein der Berufung i.S.d. § 124 VwGO entsprechendes Rechtsmittel handelt, das den Weg zu einer vollwertigen zweiten Instanz in Mitarbeitervertretungssachen eröffnet95.
Der Zuständigkeitskatalog des § 63 MVG.EKD 1992 wurde erweitert: das Verwaltungsgericht ist nunmehr zuständig für alle Streitigkeiten von „grundsätzlicher Bedeutung von Rechtsfragen“ (§ 63 I lit. h) MVG.EKD 1996).
Mit der ergänzenden Heranziehung der VwGO für das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ergab sich allerdings die Frage, ob die nunmehr über § 62 MVG.EKD 1996 im Mitarbeitervertretungsverfahren anzuwendende Offizialmaxime (§ 86 VwGO) angemessen ist. Es wurde darauf hingewiesen, dass im Bereich der Verwaltungsgerichtsordnung eine solche Verfahrensgestaltung zwar sinnvoll sei, weil es sich um Verwaltungsvorgänge handele. Bei diesen seien in der Regel staatliche Behörden tätig, aus deren Akten sich dann der vom Verwaltungsgericht zugrunde zulegende Sachverhalt entweder ergebe oder zumindest ergebe, inwieweit rein tatsächlich Streit bestehe; eine solche aktenmäßige Vorbereitung in mitarbeitervertretungsrechtlichen Streitigkeiten sei jedoch weder geboten noch zu erwarten96.
VI. Das Vierte Änderungsgesetz vom 6.11.2003 – (MVG.EKD 2003)97
Das MVG.EKD 2003 ist als Artikel 5 (Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetzes) Bestandteil des Kirchengesetzes über die Errichtung, die Organisation und das Verfahren der Kirchengerichte der EKD (KiGOrG.EKD)98. Schwerpunkt der Gesetzesänderung bilden daher auch hier die Fragen des Rechtsschutzes.
Durch die Aufgabe des Begriffs „Schlichtungsstelle“ zugunsten der Bezeichnung „Kirchengericht“ (§ 56 S. 1 MVG.EKD 2003) sollte betont werden, dass es sich bei dem ersten mitarbeitervertretungsrechtlichen Verfahrenszug um eine vollwertige kirchengerichtliche Instanz handelt. Allerdings wird den Gliedkirchen durch § 56 S. 2 MVG.EKD 2003 eine abweichende Bezeichnung für die Kirchengerichte ermöglicht. „Kirchengericht“ bedeutet allerdings mehr als nur eine „Änderung im förmlichen Bereich“99: so wurden die Schlichtungsstellen in verfahrensrechtlicher Hinsicht und auch im Hinblick auf ihre Besetzung immer mehr der staatlichen Gerichtsbarkeit angenähert, was zu einer entsprechenden Akzeptanz ihrer Entscheidungen im staatlichen Bereich führte100. Die Bezeichnung „Kirchengericht“ erscheint daher nur als folgerichtig.
Entscheidender waren allerdings die Änderungen, die den prozessualen Bereich betreffen. Hier wurde der Kritik hinsichtlich der Einbeziehung der Verwaltungsgerichtsordnung in das mitarbeitervertretungsrechtliche Verfahren101 Rechnung getragen: § 62 S. 1 MVG.EKD 2003 erklärt die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlussverfahren (§§ 80 ff. ArbGG) „im Übrigen“ für entsprechend anwendbar. Die Vorschriften über Zwangsmaßnahmen wurden für nicht anwendbar erklärt (§ 62 S. 2 MVG. EKD 2003). Auch § 24 KiGG.EKD schließt staatliche Zwangsmaßnahmen aus. Die nichtamtliche Begründung zu dieser Vorschrift,