Recht des geistigen Eigentums. Thomas Ahrens
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Gemessen an der zeitlichen Ausdehnung der bekannten Menschheitsgeschichte ist die Herausbildung des „Rechts“ als Instrument menschlicher Ordnung eine vergleichsweise moderne Entwicklung. Sie setzt ein mit der Entwicklung der Hochkulturen, die im 4. vorchristlichen Jahrtausend zunächst in Ägypten und Mesopotamien, im 3. vorchristlichen Jahrtausend dann auch auf der Insel Kreta (Minoische Kultur) entstehen. Die Entwicklung des Rechts folgte dabei stets der zivilisatorischen Entwicklung nach – als Versuch einer Antwort auf die Anforderungen an die Ordnung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer sich immer differenzierter entwickelnden KulturKultur. Obgleich die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft – von den vorgeschichtlichen Anfängen, über die Antike, das MittelalterMittelalter und die NeuzeitNeuzeit – seit jeher von herausragenden Ergebnissen geistiger Schaffenstätigkeit des Menschen – erfinderischen Leistungen auf dem Gebiet der Technik, kreativen Leistungen im Bereich von Kunst und Kultur – getragen wurde, war der Gedanke eines Schutzes der geistigen Leistung als solcher, gar der Gedanke eines individuellen geistigen Eigentums dem sich entwickelnden Recht über die längste Zeit bis hinein in die Anfänge der Neuzeit weitgehend fremd.
II. AntikeAntike und MittelalterMittelalter
Die Wirtschaft der Antike war agrarisch, d.h. durch Ackerbau und Viehzucht sowie durch Handel und durch Handwerk geprägt. Die natürlichen Ressourcen waren noch nicht annähernd erkannt oder gar erschöpft und zur Verrichtung schwerer körperlichkörperlichArbeitener Arbeiten standen nicht nur Lasttiere, sondern vielfach Sklaven zur Verfügung. Es bestand mithin noch keine Notwendigkeit, die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch die gezielte Erforschung der Naturkräfte und die Entwicklung immer neuer Technologien zu gewährleisten. Vielmehr beschränkte sich der Einsatz der Technik überwiegend auf einfache, leicht beherrschbare Naturkräfte, deren Nutzung – wie etwa die des Windes, des Wassers oder der Schwerkraft – nicht als erfinderische Leistung eines Einzelnen hervortrat. Unter derartigen gesellschaftlichen Umständen war für die Frage nach einem Schutz technischer Erfindungen noch kein Raum. – Auch die Idee eines Rechtes an einem geistig-schöpferischen Werk und ein Recht des Urhebers ist zu dieser Zeit völlig unbekannt. Gleichwohl existiert bereits in der Antike ein Bewusstsein für „geistiges Eigentums“. Der römische Dichter Marcus Valerius Martialis (42 bis 104 n. Chr.) verglich seine Gedichte mit freigelassenen Sklaven und bezeichnete einen anderen Dichter, der seine Gedichte als eigene ausgab, scherzhaft als Menschenräuber (lat. plagiariusplagiarius) – was zugleich den Ursprung des Wortes „PlagiatPlagiat“ (franz. plagiaire) erklärt, das bis heute für die Kennzeichnung auf geistigem Diebstahl beruhender Werke geläufig ist.1 Derjenige, der den „Diebstahl“ begeht, ist mithin der PlagiatorPlagiat-or!2 Ein Autorenrecht, das dem Bestohlenen ein Klagerecht gegen den Plagiator gegeben hätte, war im Altertum jedoch noch nicht bekannt.
Ein ähnlicher Befund wie für die Antike, ergibt sich auch für das Mittelalter. Denn auch der durch die strengen Ordnungen der Zünfte und Gilden geprägten mittelalterlichen Wirtschaft war die Idee eines Schutzes individueller technischer Erfinderleistungen noch fremd. In einer durch fehlende GewerbefreiheitGewerbefreiheit, geringen Wettbewerb und starke Reglementierungen durch Zunftordnungen und Zunftzwang geprägten Wirtschaftsordnung – die entwickelte Technik ist Gemeingut der Zunft – ergeben sich weder nennenswerte Anreize für den individuellen ErfindergeistErfinder-geist noch die Notwendigkeit, den Erfindergeist durch ein Verwertungs-Monopol zu stimulieren und zu belohnen.3 Auch im Bereich des religiös motivierten Kulturschaffens ist die materielle Existenz des Schaffenden durch die Zugehörigkeit zu einem Orden, einer Korporation oder durch adelige Herkunft gesichert. Für die Frage nach einem Schutz der geistig-schöpferischen Leistung des individuellen Urhebers, der – verstanden als bloßer Mittler zwischen Gott und Mensch – zudem häufig anonym bleibt, existiert noch keine Bewusstseinslage.4
III. PrivilegienwesenPrivilegienwesen
Erste Ansätze eines ErfinderErfinder-schutzschutzes brachte das sog. Privilegienwesen an der durch eine Vielzahl bedeutender Entdeckungen und Erfindungen gekennzeichneten Wende zur NeuzeitNeuzeit (ab dem 15. Jahrhundert). Die sich in unterschiedlicher Ausgestaltung entwickelnden Privilegien bestanden in einem vom jeweiligen Territorialherren gewährten, regelmäßig befristeten Monopolrecht, durch das im Interesse der Allgemeinheit der Unternehmer- und Erfindergeist gefördert und die Einführung eines neuen Gewerbes (GewerbeprivilegGewerbeprivilegien) bzw. die erfinderische Leistung (ErfinderErfinder-privilegprivilegien) belohnt werden sollte. Die Erteilung des Privilegs erfolgte durch eine landesherrliche Urkunde in Form von offenen Schutzbriefen (lat.: litterae patentes), durch die – im Falle des Erfinderprivilegs – der Erfinder vom Zunftzwang befreit, zur alleinigen gewerblichen Nutzung berechtigt und vor Nachahmung geschützt wurde. Auf die Erteilung eines Privilegs, dessen Gewährung Gnadensache des jeweiligen Landesherrn war, bestand kein Rechtsanspruch. Gleichwohl entwickelte sich aus den Privilegien im Laufe der Zeit eine feste Rechtspraxis, aus der heraus sich die wesentlichen Grundlagen des heutigen Patentrechts entwickelt haben.1 Nicht nur im Bereich der technischen Erfindungen, auch im Bereich der Geisteswerke entwickelte sich im ausgehenden 15. Jahrhundert das Privilegienwesen, als dessen Ausgangspunkt die Erfindung des Buchdrucks (um 1450) und das damit entstandene Bedürfnis nach einem rechtlichen Schutz gegen Nachdruck gesehen wird.2 Im Laufe der langen Geschichte des Privilegienwesens bildeten sich unterschiedliche Privilegientypen heraus, die – je nach Sachlage und gesellschaftlicher Situation – der Gewerbeförderung (sog. DruckprivilegienPrivilegienwesenDruckprivileg zugunsten der Drucker), dem Investitionsschutz (sog. BücherprivilegienPrivilegienwesenBücherprivileg zugunsten der Drucker/Verleger), dem Leistungsanreiz (sog. TerritorialprivilegienPrivilegienwesenTerritorialprivileg – territorial begrenzte Nachdruckverbote zugunsten der Verleger) oder der Belohnung der geistigen Schöpfung (sog. AutorenprivilegienPrivilegienwesenAutorenprivileg) dienten. Obgleich die zuletzt genannten Autorenprivilegien die ideellen Interessen der Autoren schützten und bereits Ansätze enthielten, die Autoren materiell zu belohnen, sind auch diese noch nicht als Beginn des Urheberrechts im heutigen Sinne zu verstehen, da sie das Geisteswerk allenfalls mittelbar schützen und primär am Druck des privilegienwürdigen Werkes anknüpfen.3 In England führten sachfremde Auswüchse der Privilegienerteilung auf Waren des täglichen Bedarfs in einer Gegenbewegung schließlich zum Erlass einer einschränkenden gesetzlichen Regelung durch das AntimonopolstatutAntimonopolstatut von 1624 (Statute of Monopolies – einem Vorläufer der europäischeuropäischPatentgesetzgebungen Patentgesetzgebung), durch das Monopole als Eingriffe in die Gewerbefreiheit grundsätzlich für unzulässig erklärt und im Interesse der Allgemeinheit nur wirklichen neuen Gewerbeerzeugnissen und Verfahren vorbehalten wurden (sog. MonopoltheorieMonopoltheorie).4