Recht des geistigen Eigentums. Thomas Ahrens

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Recht des geistigen Eigentums - Thomas Ahrens

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völlig neues Verständnis in der Beurteilung der Ergebnisse geistiger Schaffenstätigkeit konnte sich erst auf der Grundlage der Philosophie der AufklärungAufklärung (ab dem 17. Jahrhundert) entwickeln, also jener Geistesströmung, die sich im Denken und Handeln auf die Vernunft beruft und sich als Selbstbefreiung von aller Bevormundung durch Tradition und kirchliche Autorität versteht. Nach der in dieser Zeit zur Blüte gelangenden NaturrechtNaturrecht-slehreslehreLehreNaturrechts- ist das NaturrechtNaturrecht das Recht, das sich aus der menschlichen Natur ableitet und das demgemäß aus der reinen Vernunft, die allen Menschen eigen ist, erkennbar ist.1 Die Naturrechtslehre führte zu der Überzeugung, dass der geistig Schaffende auf das Ergebnis seiner Schaffenstätigkeit ein natürliches, nicht von einem fürstlichen Gnadenakt abhängiges Anrecht habe, das ähnlich wie das Sacheigentum ohne weiteres anzuerkennen sei. Zur vollen Geltung kam die damit begründete Theorie vom geistigen Eigentum in der Französischen Revolution, in deren Zuge mit der Anerkennung der Menschenrechte auch die Anerkennung des geistigen Eigentums (propriété industrielle und propriété littéraire et artistique) erfolgte.2

      V. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert/ReichsgesetzgebungReichsgesetzgebung

      Anders als in Frankreich und England – und den von diesen beiden Ländern beeinflussten Vereinigten Staaten von Amerika (USA) – konnte sich die Idee vom geistigen Eigentum in Deutschland, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch durch eine starke territoriale Zersplitterung und eine dadurch gehemmte industrielle Entwicklung gekennzeichnet ist, nur verzögert durchsetzen. So herrscht zu dieser Zeit in den deutschen Territorialstaaten – mit Ausnahme der linksrheinischen Gebiete, in denen französisches Recht gilt – allerorten weiterhin das Privilegienwesen.1 Um die Mitte des 19. Jahrhundert setzt zudem eine heftige Debatte ein, in deren Verlauf gewerbliche SchutzrechtSchutzrechte wegen der damit vermeintlich einhergehenden Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit als schädliche Überreste eines überholten Zunft- und PrivilegienwesenPrivilegienwesens generell in Frage gestellt werden (von der FreihandelslehreLehreFreihandels- beeinflusste sog. AntipatentPatentAntipatentbewegungbewegungAntipatentbewegung). Erst die intensiven Bestrebungen einer sich zunehmend entwickelnden Industrie sowie neu gebildeter ErfinderErfinder-vereinigungvereinigungen (sog. PatentbewegungPatent-bewegung) führen dazu, dass sich – unter Hinweis auf den Gedanken des geistigen Eigentums, die Patentgesetzgebung anderer Länder und das öffentliche Interesse – allmählich auch in Deutschland die Überzeugung von der Notwendigkeit eines Schutzes der geistigen Leistung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchzusetzen vermag.2 So kam es nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 – gestützt auf die Reichsverfassung von 1871, die die Gesetzgebungskompetenz für Erfindungspatente und den Schutz des geistigen Eigentums dem Reich zuwies – zu einer für alle deutschen Länder einheitlichen Reichsgesetzgebung:

       Gesetz betreffend das Urheberrecht an SchriftwerkSchriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken v. 1871,3 das durch die Gesetze betreffend das Urheberrecht an Werken der Bildenden Künste v. 9.1.1876 und betreffend den Urheberrechtsschutz an Werken der Photographie v. 10.1.1876 ergänzt wurde.

       MarkeMarke-nschutzgesetznschutzgesetzSchutzgesetzMarken- von 30.11.1874, das durch das Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen v. 12.5.1894 abgelöst wurde.

       Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen v. 11.1.1876 (GeschmacksmusterGeschmacksmuster-gesetzgesetz), das sich als das mit Abstand langlebigste Gesetz im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes erweisen sollte und erst durch das Gesetz zur Reform des Geschmacksmustergesetzes v. 12.3.2004 grundlegend neu gefasst wurde.

       Reichs-Patentgesetz v. 25.4.1877, das nach auftretenden Mängeln in der Organisation und im Verfahren des Patentamtes durch ein neues Patentgesetz v. 7.4.1891 abgelöst wurde, das gleichzeitig mit dem ersten Gebrauchsmustergesetz v. 1.6.1891 am 1.10.1891 in Kraft trat.4

       Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 27.5.1896. Das auf Einzelfälle zugeschnittene und daher wenig taugliche Gesetz wurde alsbald durch das (zweite) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7.6.1909 ersetzt, das den Mangel des ersten Gesetzes durch die „berühmte Generalklausel“ (§ 1) überwand und dem – bis zum Inkrafttreten des UWG-Reformgesetzes 2004 – eine fast 100-jährige Geltungsdauer beschieden war.

      § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums

      Die Frage des internationalen Rechtsschutzes ist im Bereich des Schutzes von geistigem Eigentum seit jeher von besonderer Bedeutung, weil sich die Schutzgegenstände des geistigen Eigentums aufgrund ihres immateriellen Charakters beliebig vervielfältigen und sich technisch ohne nennenswerten Aufwand über Landesgrenzen hinweg weltweit verbreiten lassen.

      I. Ausgangspunkt

      Wie bereits einführend dargestellt (s.o. § 1 II.), ist ein wesentliches Charakteristikum der vom Immaterialgüterrecht erfassten Schutzgegenstände – sowohl im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes als auch im Bereich des urheberrechtlichen Werkschutzes – ihre sog. UbiquitätUbiquität. Sie ermöglicht, dass das betreffende geistige Gut – sofern es erst einmal öffentlich zugänglich, bekanntgemacht bzw. veröffentlicht wurde – weltweit genutzt und verwertet werden kann. Bereits seit jeher stellt sich daher für den Gewerbetreibenden, der nicht nur auf dem nationalen Heimatmarkt, sondern auch grenzüberschreitend tätig ist, die Frage nach dem internationalen Schutz seiner gewerblichen Leistungen, d.h. danach, wie es etwa um den Schutz seiner technischen Erfindungen, seiner Leistungen im Bereich des Designs oder seiner Kennzeichen im Ausland bestellt ist. Die Frage nach einem internationalen Schutz des geistigen Eigentums stellt sich in jüngerer Zeit umso drängender, da mit der Entwicklung der modernen IuK-Technologien die Infrastruktur für eine globalisierte, vernetzte Wirtschaft bereit gestellt wurde, durch die sich die Bedingungen für eine weltweite („ubiquitäre“) Nutzung und Verwertung geistiger Güter ganz entscheidend verändert haben (vgl. bereits o. § 1 III., IV; § 2 VI. 2.).

      II. Beschränkter Anwendungsbereich der nationalen Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums

      Voraussetzung für das Verständnis der Notwendigkeit eines internationalen rechtlichen Systems zur Sicherstellung eines grenzüberschreitenden Schutzes im Bereich des geistigen Eigentums ist es, sich zu vergegenwärtigen, dass der Anwendungsbereich der nationalen Sondergesetze zum Teil in persönlicher und insbesondere durchgängig in räumlicher Hinsicht beschränkt ist.

      1. Persönlicher Anwendungsbereichpersönlich-er Anwendungsbereich

      Hintergrund für den in vielen Rechtsordnungen noch auf Inländer beschränkten persönlichen Anwendungsbereich der Sondergesetze zum Schutz gewerblicher Leistungen ist der Umstand, dass der jeweilige Staat in der Regel nur das inländische Gewerbe schützen und fördern will. Auf die mit der Erteilung eines gewerblichen SchutzrechtSchutzrechtgewerblicheses verbundene „Rechtswohltat“ soll daher – so die Erwägung – im Grundsatz nur der InländerInländer einen AnspruchAnspruchInländerAnspruch haben, während diese Ausländern versagt wird oder zumindest von der Verbürgung der Gegenseitigkeit – d.h. der Gewährung eines gleichwertigen Schutzes für die eigenen Staatsbürger in dem fraglichen Ursprungsland – abhängig gemacht wird. Auch die Konzeption der deutschen Sondergesetze im Bereich des gewerblichen Rechts beruhte zunächst auf entsprechenden Erwägungen. Im Zuge der Rechtsentwicklung wurde die Zurücksetzung von Ausländern im deutschen gewerblichen Rechtsschutz jedoch weitgehend abgebaut.1 Im Urheberrechtsgesetz ist ein auf Inländer beschränkter persönlicher Anwendungsbereich für das Urheberrecht nach wie vor verankert (s.u. § 78 I.).

      2.

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