Rechtsgeschichte. Stephan Meder
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12WuG, 662, 664. Zur besonderen Art des Gehorsams, den das Charisma fordert, vgl. bereits R. Sohm (Kirchenrecht, Bd. I, 1892, 26).
13An die Stelle eines durch lebenslange Gewaltunterworfenheit bestimmten Status (S. 39) ist eine weitgehende Gleichstellung der Geschlechter getreten. Denn das klassische Recht hat den Begriff persona (S. 68, 109) auch auf Frauen erstreckt. Frauen waren zwar weiterhin von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Diese Ungleichbehandlung haben die klassischen Juristen aber nicht geschlechtsspezifisch, etwa mit dem Hinweis auf geringere Befähigung oder mangelndes Urteilsvermögen, sondern gewohnheitsrechtlich begründet. Das Gewohnheitsrecht erkannten sie als wichtige Rechtsquelle zwar an, haben ihm jedoch nicht das gleiche Maß an innerer Rationalität wie dem universalen ius gentium beigemessen (vgl. O. Behrends, Die geistige Mitte des römischen Rechts, 25, 34).
Die römische Spätzeit bis zur Justinianischen Kodifikation
Unter den Nachfolgern des Augustus werden die innerhalb der Monarchie verbliebenen republikanischen Strukturen allmählich abgebaut. Die Folge ist ein steter Machtzuwachs des Prinzeps. Seit Domitian (81 – 96 n. Chr.) lassen sich die Kaiser immer wieder mit Domine anreden, was etwa Augustus noch ausdrücklich abgelehnt hat. Die Bündelung von Entscheidungskompetenzen führt zunächst zu einer besseren Verwaltung der Provinzen, deren Bewohner 212 n. Chr. alle das römische Bürgerrecht erhalten (constitutio Antoniniana). Im zweiten Abschnitt der Kaiserzeit tritt an die Stelle des gemäßigten das absolute Kaisertum. Diokletian (284 – 305 n. Chr.) führt das orientalische Hofzeremoniell ein, welches ihm die Majestät eines höheren Wesens mit beinahe metaphysischem Symbolgehalt verleiht. Als absoluter Herr und Gott (dominus et deus) ist der Kaiser nunmehr unbestrittener Mittelpunkt des Reiches. Die Thronbesteigung Diokletians (284) markiert den Beginn der römischen Spätantike. Die durch den allmächtigen Kaiser bestimmte Herrschaftsform der Spätantike pflegt man als ‚Dominat‘ zu bezeichnen (Mommsen).14
Die nachklassische Periode der römischen Jurisprudenz reicht vom 3. Jahrhundert n. Chr. bis zum Ausgang der Antike. Sie zeigt Zeichen des Niedergangs, wenngleich einige Kaiser – allen voran Diokletian – bemüht sind, an die klassische Jurisprudenz anzuknüpfen. Das absolute Kaisertum erhebt sich zum alleinigen Gesetzgeber und lässt einer freien, [<<99] nur dem eigenen Gewissen des Juristen verantwortlichen Rechtspflege und Rechtswissenschaft kaum noch Raum. Die Entwicklung mündet in den spätantiken Zwangsstaat mit einem umfassenden bürokratischen Apparat. Die republikanischen Institutionen sind bald völlig verschwunden. Die äußeren Bedingungen werden durch eine sich zunehmend verschärfende Notlage der Massen – hohe Steuern, Rückgang des Handels und Verkümmerung des Geldwesens – geprägt. Der wirtschaftliche Verfall geht Hand in Hand mit einem kulturellen Niedergang, welcher auch in der Pflege der Jurisprudenz deutliche Spuren hinterlässt. Infolge der Abwendung von der klassischen Tradition kommt es allmählich zu einer Vulgarisierung des Rechts.
1. Rechtsquellen und Rechtsliteratur in der Zeit der Nachklassik
Die klassischen Gesetzesarten (3. Kapitel 4, S. 88.) bleiben zwar weitgehend erhalten, werden aber zunehmend kaiserlicher Kontrolle unterworfen. Im Dominat darf nur noch der Kaiser das Recht fortbilden. Seine Rechtsetzungsakte treten jetzt als Gesetze (leges, constitutiones) dem überkommenen Juristenrecht (ius) gegenüber. Allgemeine Gesetze (leges generales) begegnen z. B. in Gestalt kaiserlicher Schreiben an hohe Beamte oder in Form von Edikten, worin sich der Kaiser an die Bevölkerung des ganzen Reiches oder eines Teilgebietes wendet. Als Gesetz (lex) werden immer häufiger auch sonstige kaiserliche Regelungen ohne Allgemeinverbindlichkeit bezeichnet. So rücken die kaiserlichen Reskripte (S. 89) ebenfalls zunehmend in die Nähe von Gesetzen und Ulpian kann schreiben, dass, was der Kaiser beschlossen habe, Gesetzeskraft besitze (D. 1.4.1). Darüber hinaus gewinnen persönliche Vergünstigungen oder Vergünstigungen für Körperschaften (adnotationes) an Bedeutung, die auch pragmaticum, pragmatica lex oder sanctiones pragmaticae genannt werden. Die Privilegien sollen nur für die Begünstigten und nur im Rahmen der Gesetze gelten, wogegen in der Praxis aber oft verstoßen wurde.
Die Kaiser haben ihre Gesetze nicht selbst verfasst, sondern in den großen Zentralkanzleien vorbereiten und ausformulieren lassen. Mit dieser [<<100] Aufgabe ist vor allem der quaestor sacri palatii (Chef des Justizwesens) betraut. Schon während des Prinzipats hat der kaiserliche quaestor Gesetzesanträge im Senat entworfen. So formulierte etwa Julian (S. 87) als quaestor Hadrians den berühmten Senatsbeschluss zur abschließenden Festlegung des prätorischen Edikts (S. 85). Als quaestor sacri palatii pflegt man den Justizchef erst seit Konstantin (306 – 337) zu bezeichnen. Das Amt gewinnt in der Spätantike erhebliche Bedeutung. Den quaestor sacri palatii unterstützen mehrere Kanzleibeamte, wobei etwa der magister libellorum die kaiserlichen Antwortschreiben (rescripta) auf Eingaben aus der Bevölkerung vorbereitet, der magister epistularum die Antworten auf Anfragen von Reichsbeamten und Eingaben hochgestellter Persönlichkeiten bearbeitet und der magister memoriae die kaiserlichen Vergünstigungen (adnotationes) entwirft und sie nach Unterzeichnung durch den Kaiser ausliefert.
Verlautbarungen im Namen des Kaisers sind uns in großer Zahl erhalten. Unter Diokletian werden die Kaiserkonstitutionen in zwei Sammlungen zusammengefasst – dem Codex Gregorianus und dem Codex Hermogenianus. Die Sammlungen tragen den Namen ihrer Herausgeber, Gregorius und Hermogenian, die jeweils als Kanzleivorsteher tätig waren. Von beiden Codices sind nur Bruchstücke erhalten. Der Codex Gregorianus ist in den Codex Justinians (4. Kapitel 4, S. 109.) eingegangen und lässt sich daher gut rekonstruieren. Außerdem enthält die Lex Romana Visigothorum (5. Kapitel 2.1, S. 129) einen schmalen Auszug aus dieser bis zum Jahr 291 geführten Sammlung. In dem ähnlich konzipierten Codex Hermogenianus sind die – überwiegend von Hermogenian während seiner Kanzleitätigkeit selbst entworfenen – Reskripte Diokletians aus den Jahren 293 und 294 gesammelt. In der Folgezeit entstehen Neuausgaben, die um jüngeres Material erweitert werden. Nach dem Vorbild der Codices Gregorianus und Hermogenianus ist eine amtliche Sammlung der Kaiserkonstitutionen durch Theodosius II. (408 – 450) zunächst im Osten verkündet, von Valentinian III. (425 – 455) für den Westen übernommen und für das Gesamtreich 439 in Kraft gesetzt worden (S. 107). Dieser fast vollständig erhaltene, ebenfalls in der kaiserlichen Kanzlei entstandene Codex Theodosianus umfasst sechzehn, in einzelne Titel gegliederte Bücher mit über 3000 chronologisch geordneten Konstitutionen. Die [<<101] maßgebliche moderne Ausgabe des Codex Theodosianus stammt von Th. Mommsen (s. Literaturhinweise).
Die Eingriffe der Kaiser in die Rechtspflege beschränken sich nicht auf den Erlass von Konstitutionen. Auch den Umgang mit der klassischen Rechtsliteratur