Rechtsgeschichte. Stephan Meder
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Rechtsgeschichte - Stephan Meder страница 23
Von den hochklassischen Meistern der Rechtsanwendung zu unterscheiden sind Juristen, die den Unterricht in den Mittelpunkt ihrer schriftstellerischen Arbeit rücken. Hierzu gehört der bereits mehrfach genannte Pomponius, ein Zeitgenosse Julians. Pomponius ist sehr produktiv gewesen, seine Schriften übertreffen an Zahl und Umfang die der meisten übrigen römischen Juristen. Von den verschiedenen Werken sei besonders sein Enchiridium (Handbuch, wahrscheinlich ein Einführungslehrbuch) hervorgehoben. Der wichtigste Teil des auszugsweise im Corpus iuris wiedergegebenen Werks ist eine rechtsgeschichtliche Einleitung (D. 1.2.2), auf die vorstehend bereits wiederholt Bezug genommen wurde. Eine noch größere Wirkung hat freilich der ebenfalls schon mehrfach erwähnte Gaius (2. Jahrhundert) auf die Nachwelt ausgeübt. An erster Stelle seines Werks stehen die um 161 n. Chr. veröffentlichten Institutionen (3. Kapitel 2, S. 82.). Es wird vermutet, dass im 5. Jahrhundert von den Institutionen noch einige Exemplare in Umlauf waren. Der Historiker Barthold Georg Niebuhr (1776 – 1831) hatte im Jahr 1816 das Glück, auf eines dieser Exemplare in der Stiftsbibliothek von Verona zu [<<87] stoßen. Gaius zeigt sich wiederholt als Anhänger der Sabinianer (vgl. z. B. III, 141). Sein Ansehen ist unter den großen römischen Klassikern offenbar nicht allzu groß gewesen, da sie ihn nirgendwo zitieren.
Am Anfang der Spätklassik steht mit Papinian (um 150 – 212) eine herausragende Persönlichkeit, die an die besten Leistungen der klassischen Rechtswissenschaft anknüpft. Die Hauptwerke Papinians sind quaestiones (Rechtsfragen, hier kasuistisch-dogmatische Erörterungen) und responsa (Gutachten), von denen einige Fragmente auch außerhalb des Corpus iuris erhalten sind. Papinian wird 212 auf Befehl Caracallas hingerichtet, weil er nicht bereit ist, des Kaisers Mord an dessen Bruder und Mitkaiser Geta zu rechtfertigen. Auf Papinian folgt eine Zeit, in der das Sammeln und Ordnen des klassischen Rechts zur Hauptaufgabe wird. Die wichtigsten Juristen dieser Zeit sind Paulus und Ulpian (3. Jahrhundert). Von den überaus zahlreichen Schriften des Paulus haben die großen Kommentare zu den iuris civilis libri III des Sabinus (2. Kapitel 5.3, S. 71) und zum prätorischen Edikt sowie die aus seiner Respondiertätigkeit hervorgegangene Gutachtensammlung (responsa) und die ebenfalls der Tradition der hochklassischen Kasuistik verpflichteten quaestiones (Rechtsfragen) besondere Bedeutung. Der etwas jüngere, 223 bei einem Aufstand der Prätorianergarde ermordete Ulpian ist ein Schüler Papinians. Sein Hauptwerk sind die beiden, unter Caracalla geschriebenen großen Kommentare zum prätorischen und zum ädilizischen Edikt sowie zu den iuris civilis libri III des Sabinus. Auch Ulpian steht in höchstem Ansehen: Mehr als die Hälfte aller in Justinians Digesten aufgenommenen Auszüge aus Juristenschriften sind Fragmente der Schriften von Paulus und Ulpian. Etwa zwei Drittel davon entfallen auf Ulpian. Gerade die einführenden und grundlegenden Erörterungen zu den einzelnen Sachtiteln der Digesten sind häufig den Kommentaren des Ulpian entnommen.
4. Rechtsquellen unter dem Prinzipat
Auf Grund der Abneigung der Römer gegen eine umfassende Gesetzgebung bietet das römische Recht ein breites Spektrum unterschiedlicher Rechtsquellen. Die Rechtsquellen des altrömischen Rechts waren [<<88] Zwölftafelgesetz, Zivilrecht und Legisaktionen (2. Kapitel 2, S. 61.). Letztere sind später durch die Edikte der Prätoren und kurulischen Ädilen verdrängt worden (2. Kapitel 3, S. 62.). Hinzu kommen die Volksgesetze (leges publicae populi Romani). Sie werden in Form von Gesetzen (leges) oder Plebisziten (plebiscita) erlassen, wobei letztere anfänglich nur für Plebejer gelten. Seit der Lex Hortensia (286 v. Chr.) sind die Plebiszite den leges offiziell gleichgestellt, verpflichten also auch die Patrizier (Pomp. D. 1.2.2.8). Daneben werden auch Beschlüsse des Senats (senatus consulta) und Gutachten der Rechtsgelehrten (responsa prudentium) als Rechtsquellen anerkannt (Gaius I, 2).
Der princeps beeinflusst die Rechtsfortbildung auf höchst unterschiedliche Weise, vor allem durch Entscheidungen von Einzelfällen (decreta), durch Antwortschreiben auf Eingaben (rescripta), durch Dienstanweisungen an Beamte (mandata), durch öffentliche Verordnungen (edicta) und durch Antworten auf Anfragen von Beamten oder Institutionen (epistula). Formell stehen ihm keinerlei Gesetzgebungsbefugnisse zu. Seine Erlasse sind aber vermöge der kaiserlichen Autorität als verbindliche Rechtsquelle anerkannt, gleichgültig ob sie als decretum, rescriptum, mandatum, edictum oder epistula ergangen sind. Später werden sämtliche kaiserlichen Rechtsetzungen als Konstitutionen (constitutiones) bezeichnet. Die vielleicht interessanteste Erscheinungsform kaiserlicher Rechtsetzung sind die Reskripte (rescripta). Den Anlass zur Entstehung dieser Art von Rechtsquellen bilden Anfragen, Petitionen, Bittschriften u. Ä., die von Beamten oder Bürgern an den Kaiser herangetragen werden. Die Antwortschreiben (rescripta) werden vom eigens dafür eingerichteten Büro a libellis der kaiserlichen Kanzlei ausgefertigt. Sie unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von anderen Rechtsgutachten. Während letztere auf der fachlichen Autorität des Gutachters ruhen, steht hinter den Schreiben der kaiserlichen Kanzlei die Staatsgewalt.
Die Reskriptenpraxis ist aber erst im 2. und 3. Jahrhundert zur wichtigsten Gattung kaiserlicher Rechtsetzung geworden (4. Kapitel 1, S. 100.). Augustus bevorzugt für seine Reformgesetzgebung die streng legitime Form des Volksgesetzes. Unter Augustus ist es noch einmal zu einer beträchtlichen Zahl von Volksgesetzen auf den verschiedensten Rechtsgebieten gekommen. Einen besonderen Rang nimmt hier seine Ehegesetzgebung [<<89] ein (3. Kapitel 5, S. 95.). Die regelmäßige Form des Gesetzes sind im Prinzipat aber nicht die Volksgesetze, die nur zu Anfang noch erlassen werden, sondern Senatsbeschlüsse. Während der Republik besaß der Senat nur die Befugnis, die Ausführung der Gesetze durch autoritative Auslegung zu regeln. Er gab den Jurisdiktionsmagistraten verbindliche Anweisung über die Handhabung ihrer Rechtsprechung. Diese Kompetenz erstarkt in der Kaiserzeit zur förmlichen rechtserzeugenden Gesetzgebungsgewalt. Seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. übernimmt der Beschluss des Senats (Senatus consultum) die Rolle, die vorher das Volksgesetz gespielt hat.
4.1 Das Senatus Consultum Velleianum als Beispiel
In der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. ergeht auf Antrag der Konsuln Silanus und Vellaeus ein Senatsbeschluss, den wir nach einem der Antragsteller Senatus Consultum Velleianum nennen. Die Frauen sind inzwischen rechtlich weitgehend selbständig, sie können für ihren Mann auch ein Darlehn aufnehmen oder für dessen Verbindlichkeiten eine Bürgschaft übernehmen. Das Senatus Consultum Velleianum bildet ein frühes Beispiel dafür, dass eine konsequente Durchführung der Gleichberechtigung auf die Interessen der Frauen negativ zurückschlagen kann.13 So kommt es zu Versuchen, zugunsten der Frau erneute Differenzierungen zwischen den Geschlechtern ins Spiel zu bringen. Durch den Senatsbeschluss werden [<<90] die Gerichte angewiesen, keine Ansprüche gegen Frauen zuzulassen, die sich darauf gründen, dass diese für Schulden ihres Mannes eintreten (intercessio). Häufigstes Beispiel ist – bis heute – die Übernahme einer Bürgschaft durch die Frau. In der Handhabung durch die klassischen römischen Juristen wurde das Verbot der Fraueninterzession auf ein breites und buntes Spektrum von Fallgruppen bezogen, in denen die Frau sich entweder neben dem Mann verpflichtete oder privativ dessen Schuld übernahm. Die somit erfassten Rechtshandlungen bezeichnete man als intercedere