Wege zur Rechtsgeschichte: Gerichtsbarkeit und Verfahren. Peter Oestmann
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Münster, April 2015
Peter Oestmann [<<10]
1 Otto Mejer, Institutionen des gemeinen deutschen Kirchenrechtes, Göttingen 1845, S. VI.
Abkürzungsverzeichnis
Abh. | Abhandlungen |
ALR | Allgemeines Landrecht (1794) |
Beitr. | Beiträge |
BGB | Bürgerliches Gesetzbuch |
c. | canon im zweiten Teil des Decretum Gratiani |
C. | Causa im zweiten Teil des Decretum Gratiani |
CCC | Constitutio Criminalis Carolina = Peinliche Halsgerichtsordnung von 1532 |
Cod. | Codex Justinianus |
CPO | Reichszivilprozessordnung von 1877/79 |
D. | Distinctio im ersten Teil des Decretum Gratiani |
Dig. | Digesten |
Diss. | Dissertation |
EGMR | Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte |
ENZ | Enzyklopädie der Neuzeit |
ERV | Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte |
EuGH | Europäischer Gerichtshof |
FdtRg | Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte |
Fgn. | Forschungen |
ff. | Digesten |
Fs. | Festschrift (für) |
GU | Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, begründet von Otto von Gierke |
GVG | Gerichtsverfassungsgesetz |
HRG | Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte |
Hrsg. | Herausgeber |
Inst. | Institutionen |
jur. | juristisch |
JuS | Juristische Schulung |
Kap. | Kapitel |
Lnr. | Lehnrecht |
MGH | Monumenta Germaniae Historica |
Ndr. | Nachdruck/Neudruck |
NF | Neue Folge |
phil.-hist. | philosophisch-historisch |
q. | quaestio im zweiten Teil des Decretum Gratiani |
QFhGAR | Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich |
Rg | Rechtsgeschichte, zugleich: Zeitschrift des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte |
Rspr. | Rechtsprechung. Materialien und Studien |
RStPO | Reichsstrafprozessordnung von 1877/79 |
Rwiss./rwiss. | Rechtswissenschaft/rechtswissenschaftlich |
S. | Seite |
Sp. | Spalte |
Ssp. | Sachsenspiegel |
Ssp. Ldr. | Sachsenspiegel Landrecht |
StEuRg | Ius Commune. Sonderhefte/Studien zur europäischen Rechtsgeschichte |
TRG | Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis |
X | Dekretalen; Liber Extra |
ZHF | Zeitschrift für Historische Forschung |
ZNR | Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte |
ZPO | Zivilprozessordnung |
ZRG | Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte |
ZRG Germ. Abt. | Germanistische Abteilung der ZRG |
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1 Einleitung
1.1 Hinführung zum Thema
Die Gerichtsbarkeit zählt zu den tragenden Pfeilern des modernen Staates. Neben der Gesetzgebung und der Regierung bildet die Rechtsprechung die dritte Säule der Staatsgewalt. Mögen die Menschen sich in rechtlichen Angelegenheiten streiten, mag es Verbrechen und Kriminalität geben – heute ist es der Staat, der solche Fragen verbindlich löst. Wer seine vermeintlichen rechtlichen Interessen eigenmächtig durchsetzen möchte und auf eigene Faust zur Selbsthilfe schreitet, verlässt damit den Boden des Rechts. An etwas versteckter Stelle, mit doppelter Verneinung und in juristischer Kunstsprache, spricht § 229 BGB die heutige Selbstverständlichkeit aus:
Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.
Faustrecht ist damit grundsätzlich verboten. Nur dann, wenn staatliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und die Gefahr besteht, dass eigene Rechtspositionen unwiederbringlich verloren gehen, ist Selbsthilfe in engen Grenzen noch erlaubt. Auch die Rechtfertigungsgründe im Strafrecht errichten strenge Schranken und dämmen auf diese Weise private Gewalt ein. Aussicht auf Erfolg kann der Gesetzgeber aber nur haben, wenn eine Gerichtsbarkeit bereitsteht, die dem Einzelnen tatsächlich sein Recht verschafft. Nur wenn in überschaubarer Zeit und mit vertretbarem Kostenaufwand richterliche, also staatliche Entscheidungen die streitigen Ansprüche klären und ggf. auch vollstrecken, strafbare Handlungen bestrafen und auf diese Weise die Rechtsordnung verteidigen, gibt es keinen Grund mehr zur Selbsthilfe. Sie ist dann überflüssig.
Im Blick zurück sind das alles keine Selbstverständlichkeiten. Die Rechtsgeschichte bietet Beispiele dafür, wie verschiedene Zeiten unterschiedliche Antworten auf sehr [<<13] ähnliche Fragen gegeben haben. Das staatliche Gewaltmonopol, die feinmaschige Gerichtsverfassung und das umfassend kodifizierte Verfahrensrecht mit seinen wesentlichen Prozessmaximen gehören zu den wichtigsten Ausprägungen des heutigen Rechtsstaates. Vergegenwärtigt man sich die entscheidenden Bausteine der modernen Gerichtsbarkeit, ergeben sich unschwer einige Leitfragen. Sie ermöglichen es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den ausgewählten historischen Beispielen und dem Recht unserer Zeit deutlicher zu erkennen. Die Leitfragen dienen zugleich dazu, die Stofffülle zu begrenzen und die Darstellung von überflüssigem Ballast freizuhalten. Es geht beim Studium der Rechtsgeschichte nicht darum, möglichst viele Einzelheiten zu wissen. Entscheidend sind die Einblicke in die jeweiligen Eigenarten verschiedener Epochen und die Fähigkeit, über die langen Zeiträume hinweg Regelungsprobleme und Lösungsmöglichkeiten miteinander zu vergleichen.
1.2 Leitfragen
Die Aufgabe des Historikers und damit auch des Rechtshistorikers besteht vor allem darin, den überkommenen Stoff zu sichten und zu ordnen. Die Leitfragen schlagen einige Breschen in die Quellenmassen. Sie tragen auf diese Weise dazu bei, das Kurzlehrbuch schlank zu halten. Im Wesentlichen geht es um drei große Fragen: 1. Welche Rolle spielte die Staatsgewalt für die Rechtsdurchsetzung in verschiedenen Zeiten? 2. Wie sah die jeweilige Gerichtsverfassung aus, welche Gerichte gab es, und welche Personen waren dort tätig? 3. Was waren die Prozessmaximen des jeweiligen Verfahrensrechts, und welche Möglichkeiten bestanden, gerichtliche Entscheidungen anzugreifen?
1.2.1 Staatsgewalt
An erster Stelle steht die Frage nach der Staatsgewalt. In welcher Weise sind und waren die Gerichtsverfassung und das Verfahrensrecht an den Staat oder einen Herrscher gebunden? Im modernen Recht fällt die Antwort leicht. Gerade in der älteren Zeit, der sog.