Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften. Ulrich Wackerbarth
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Die Unterschiede sollen anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden:
Beispiel 1 zur Vermögensbindung:
Die X-GmbH (wie abgebildet, mit 3 Gesellschaftern A, B und C und dem Geschäftsführer G, Stammkapital 50.000 €, Geschäftsjahr = Kalenderjahr) betreibt einen Versandhandel von Software. Die Geschäfte gehen gut, die Gesellschaft hat keine Verbindlichkeiten, sondern ein durch den Softwareverkauf innerhalb von 2 Jahren erwirtschaftetes Guthaben von 200.000 € auf dem einzigen Konto der GmbH bei der D-Bank. Als A im Juni 2000 dringend Geld braucht, überweist ihm G auf seinen schriftlichen Wunsch hin mit dem Einverständnis von B und C 7.000 € von dem Konto als „Gewinnvorschuss“.
Diese Zahlung ist nach dem GmbH-Recht zulässig, da auch nach der Zahlung noch ein das Stammkapital deckendes Vermögen vorhanden ist (vgl. § 30 Abs. 1 GmbHG). Wie sähe es nun aus, wenn X eine AG mit einem Grundkapital von 50.000 € und G ihr Vorstand gewesen wäre? Hier wäre die Zahlung gem. §§ 57 Abs. 1 und 3, 59 AktG unzulässig, da von einem Bilanzgewinn im Sachverhalt nicht die Rede ist und auch nicht von einer Satzungsregelung, die gem. § 59 AktG eine Abschlagszahlung auf den Gewinn ermöglichen würde.
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Beispiel 2 zur Weisungsbefugnis:
Im Beispiel 1 weigert sich der G, das Geld an A zu überweisen. Daraufhin beruft A seine beiden Mitgesellschafter zu einer Gesellschafterversammlung ein und sie beschließen gemeinsam, den Betrag von 7.000 € an A als Gewinnvorschuss auszuzahlen.
Muss G diesem Beschluss Folge leisten? Ja, vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG.
Wie wäre es, wenn G Vorstand einer AG gewesen wäre? Nein! Zwar muss auch ein Vorstand Gesellschafterbeschlüsse (in der AG Hauptversammlungsbeschlüsse) gem. § 83 Abs. 2 AktG befolgen, aber nur dann, wenn sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit gefasst sind. In Fragen der Geschäftsführung (und dazu gehört die Zahlung eines „Gewinnvorschusses“) kann die Hauptversammlung aber gem. § 119 Abs. 2 AktG nur entscheiden, wenn der Vorstand es von ihr verlangt. Daran fehlt es im Sachverhalt, so dass der Beschluss unwirksam ist.
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Wie ist die Situation zu bewerten, wenn G als Vorstand einer AG nach dem Auszahlungswunsch sich nicht vollständig verweigert hätte, aber zunächst einmal einen Beschluss durch A, B und C verlangt hätte? In diesem Falle scheint nach dem Gesagten aus § 119 Abs. 2 i.V.m. § 83 Abs. 2 AktG eine Folgepflicht des Vorstands zu bestehen. Doch da, wie bereits oben zu Beispiel 1 erörtert, §§ 57 Abs. 1 und 3, 59 AktG hier eine Abschlagszahlung untersagen, handelt es sich um einen rechtswidrigen Beschluss der Hauptversammlung, den G also doch nicht befolgen darf. Anders wäre es nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 59 AktG erfüllt wären, was man hier aufgrund fehlender konkreter Angaben im Sachverhalt jedoch nicht unterstellen darf.
3. Andere Rechtsordnungen
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Die Unterscheidung zwischen AG und GmbH ist ein Problem, das z.B. das US-amerikanische Gesellschaftsrecht nicht hat. In den USA gibt es nach dem Motto „one size fits all“ nur die corporation. Aber sobald die corporation keine an der Börse gehandelte Publikumsgesellschaft ist, sondern personalistische Züge aufweist, d.h. aus nur wenigen Gesellschaftern besteht (dann nennt man sie close corporation), finden Sonderregeln auf sie Anwendung, die dem kleinen Gesellschafterkreis Rechnung tragen.
Bei uns ist die Unterscheidung nach Rechtsformen auf den ersten Blick einfacher, da die Gesellschafter ja selbst wählen, ob sie nun eine AG oder eine GmbH sein wollen. Problematisch aber ist auch das, weil die AG ja auch personalistisch sein kann (Familien-AG mit nur wenigen Gesellschaftern) und umgekehrt die GmbH eine Publikumsgesellschaft (freilich fehlt ihr die Börsenfähigkeit). Damit stellen sich dann ganz ähnliche Probleme des Abweichens der Realstruktur der Kapitalgesellschaft vom gesetzlichen Idealbild wie im US-amerikanischen Recht. In Deutschland müssen die Probleme von Abweichungen freilich gleich für zwei Rechtsformen gelöst werden, was die Sache nicht eben einfacher macht.
Teil 2 Die Organisation der Kapitalgesellschaft › § 2 Übersicht über das Recht der Kapitalgesellschaften und Rechtstatsachen › III. Hauptfragen des Kapitalgesellschaftsrechts
1. Hauptmerkmale der Kapitalgesellschaften
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Die wesentlichen Fragen und Probleme des Kapitalgesellschaftsrechts ergeben sich aus den Charakteristika der Kapitalgesellschaft selbst. Die Hauptmerkmale jeder Kapitalgesellschaft sind die folgenden:
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a) Es gibt eine Haftungsbeschränkung für die Investoren (Gesellschafter). Das dient ihrer Risikobeschränkung, die ihrerseits die Kapitalsammelfunktion der Rechtsform unterstützt. Wer nicht mit dem eigenen Vermögen für die Verluste haftet, ist eher geneigt in ein Unternehmen zu investieren, insbesondere wenn mit dem Investment, wie im Falle der Publikumsaktiengesellschaft weder die Absicht noch die Möglichkeit oder Notwendigkeit verbunden ist, mögliche Verluste durch eigenes unternehmerisches Tätigwerden in der Gesellschaft zu verhindern. M.a.W.: Der Initiator des Unternehmens, meist selbst einer der Gesellschafter, findet leichter Investoren (Mitgesellschafter), weil diese wegen der Haftungsbeschränkung nur ein begrenztes Risiko eingehen. Daher kommen als Investoren auch solche Personen in Betracht, die für den eigenen Konsum nicht erforderliches Kapital besitzen und nach einer Anlagemöglichkeit suchen, ohne die Investition selbst zu ihrem Hauptberuf zu machen und darauf zu achten, dass das Unternehmen der Gesellschaft floriert.
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b) Die juristische Persönlichkeit schafft die rechtliche Unabhängigkeit des betriebenen Unternehmens von den Gesellschaftern. Sie vereinfacht die Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr. Der Fortführungswert (going concern value) des Unternehmens der Gesellschaft kann über den Tod der Gesellschafter hinaus erhalten werden, weil im Zeitpunkt des Todes oder sonstigen Ausscheidens keine Auflösung der Gesellschaft mit Liquidation und entsprechender Besteuerung erforderlich ist. Auch dies stärkt die Kapitalsammelfunktion der Kapitalgesellschaft. Denn die Aussicht darauf, ein Investment wegen des Todes oder einer Kündigungsmöglichkeit anderer Investoren zwangsweise zu verlieren, schwächte die Bereitschaft zum Investment.
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c) Das Mehrheitsprinzip nach Kapitalanteilen bindet grundsätzlich unternehmerischen Einfluss an die in das Unternehmen geflossene Investition. Wer mehr Geld eingebracht hat, will auch mehr zu sagen haben. Ein Gesellschafter würde in eine Kapitalgesellschaft keinen größeren Geldbetrag als seine Mitgesellschafter