Ius Publicum Europaeum. Andrzej Wasilewski
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Maßstäbe setzten die in der Detailinformation zuverlässigen und zugleich das jeweilige verwaltungsrechtliche Teilgebiet wissenschaftlich strukturierenden, wenn nicht konstituierenden Handbücher von Carl Hermann Ule und Hans-Werner Laubinger zum „Verwaltungsverfahrensrecht“ (41995), von Fritz Ossenbühl zum „Staatshaftungsrecht“ (51998) und Michael Kloepfer zum „Umweltrecht“ (32004). In anderer Weise versuchen nun die von Wolfgang Hoffmann-Riem, Eberhard Schmidt-Aßmann und Andreas Voßkuhle herausgegebenen, dreibändig angelegten „Grundlagen des Verwaltungsrechts“[211] die Konzeption einer „Neuen Verwaltungsrechtswissenschaft“ umfassend auszubuchstabieren. Unbeschadet ihrer Ausrichtung an der Paragraphenfolge des positiven Rechts vermochten aber auch die großen Kommentare namentlich zum Verwaltungsverfahrensgesetz[212] und zur Verwaltungsgerichtsordnung[213] wissenschaftliche Impulse zu geben, was für die inzwischen über 30 Lehrbücher zum Allgemeinen Verwaltungsrecht und über 15 Lehrbücher zum Verwaltungsprozessrecht nur in beschränktem Ausmaß zutrifft.[214] Eine didaktische Vorreiterrolle kommt hier dem erstmals 1980 erschienenen Standardwerk „Allgemeines Verwaltungsrecht“ von Hartmut Maurer (172009) zu, das das vormals führende „Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1“ von Ernst Forsthoff (101974) in der Studienpraxis ablöste.
Erster Teil Landesspezifische Ausprägungen › § 58 Wissenschaft vom Verwaltungsrecht: Deutschland › III. Lehre des Verwaltungsrechts
III. Lehre des Verwaltungsrechts
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Auf das öffentliche Recht entfällt im juristischen Universitätsstudium etwa ein Drittel der Pflichtfachveranstaltungen, wovon wiederum deutlich über die Hälfte das Allgemeine und Besondere Verwaltungsrecht samt Prozessrecht einnehmen. Im Pflichtfachbereich wird das Allgemeine Verwaltungsrecht, meistens im dritten Fachsemester und oftmals im Rahmen der für die Zwischenprüfung relevanten Leistungen, in einem Umfang von vier bis sechs Semesterwochenstunden gelesen. Die Verwaltung wird hierbei als ein durchaus eigengearteter, sich keineswegs im (Gesetzes-)Vollzug erschöpfender, sondern auch zu konkreter Gestaltung berufener Bereich öffentlicher Gewalt präsentiert,[215] der erst allmählich im Zuge dogmatischer und verfassungsrechtlicher Entwicklung juristisch diszipliniert wurde. Schwierigkeiten bereitet den Studenten anfangs die hochgradige Organisations- und vor allem Verfahrensgebundenheit des Verwaltungsrechts, die ihnen in dieser Form weder aus dem Bürgerlichen Recht noch Strafrecht vertraut ist. Eine Einführung in die eigene Komplexität verwaltungsrechtlicher Konstellationen und Phänomene einschließlich ihrer methodischen Implikationen ist von daher unerlässlich. Die Frontalvorlesung übersteigt inhaltlich schon seit geraumer Zeit den Horizont der lange tradierten nationalstaatlichen Erzählung vom „deutschen Verwaltungsrecht“, die nur noch gelegentlich anklingt.[216] Im Mittelpunkt stehen neben der europarechtlich ergänzten Rechtsquellenlehre der verfassungsrechtlich bestimmte Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, die Lehre von den unbestimmten Rechtsbegriffen, vom Ermessen und subjektiven öffentlichen Recht sowie die Handlungsformenlehre, die auch die vielfältigen administrativen Rechtsetzungsakte und inzwischen auch das informale Verwaltungshandeln einschließt. Gelehrt wird Dogmatik, illustriert und entwickelt insbesondere anhand der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder, aber auch der Leitentscheidungen namentlich des Bundesverwaltungsgerichts, mittlerweile aber auch des Europäischen Gerichtshofes. Begleitet wird die Vorlesung vielfach durch Arbeitsgemeinschaften oder Tutorien, die die theoretisch-abstrakte Wissensvermittlung durch die Bearbeitung von Besprechungsfällen und Einübung der entsprechenden Gutachtentechnik ergänzen. Das für die Fallbearbeitung unverzichtbare Verwaltungsprozessrecht wird entweder in die Vorlesung zum Allgemeinen Verwaltungsrecht integriert oder folgt in einer separaten Veranstaltung. Hinzu kommen aus dem Bereich des Besonderen Verwaltungsrechts obligate Vorlesungen von je zwei Semesterwochenstunden zum Polizei- und Ordnungsrecht, Kommunal- und teils Bau- oder Wirtschaftsverwaltungsrecht. Auf diese Themenfelder rekurrieren die fallorientierten „Übungen im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene“, die eine unverzichtbare Voraussetzung für die Zulassung zum Ersten Juristischen Staatsexamen bilden, das unter der Beteiligung auch von Praktikern abgenommen wird. In den meisten Ländern sind dem öffentlichen Recht zwei der zumeist sechs Aufsichtsarbeiten gewidmet, wovon wiederum gut die Hälfte der Klausuren auf das Verwaltungsrecht entfallen, häufig verzahnt mit staats-, insbesondere grundrechtlichen Fragestellungen. Im Zweiten Juristischen Staatsexamen sind die öffentlich-rechtlichen regelmäßig verwaltungsrechtliche Klausuren. In beiden Staatsexamen umfasst die gewichtige mündliche Prüfung mit dem öffentlichen Recht auch das Verwaltungsrecht.
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Seit der Reform der Juristenausbildung im Jahre 2003 und der damit verbundenen Einführung der neuen Schwerpunktausbildung haben die Juristischen Fakultäten neben den Justizprüfungsämtern auch einen eigenen Gestaltungs- und verselbständigten Prüfungsanteil am Ersten Juristischen Staatsexamen erhalten, der sich auf immerhin 30 Prozent bemisst. Das breit gefächerte Angebot an Schwerpunktbereichen mit öffentlich-rechtlichen Inhalten oder jedenfalls modularisierten Komponenten umfasst teils klassisch den überkommenen nationalen Bereich des Verwaltungsrechts („Staat und Verwaltung“), zumeist aber das Verwaltungsrecht in seinen europäischen und internationalen Bezügen.[217]
Erster Teil Landesspezifische Ausprägungen › § 58 Wissenschaft vom Verwaltungsrecht: Deutschland › IV. Europäisierung der Wissenschaft vom Verwaltungsrecht
1. Perspektivenwandel und Omnipräsenz in Forschung und Lehre
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Führte das Europarecht in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine randständige Existenz in der rechtswissenschaftlichen Forschung und Lehre, so sind seine Einflüsse und Bedeutsamkeit jedoch keineswegs vollständig ignoriert worden, wie seine frühe Einbeziehung in den Kreis der verwaltungsrechtlichen Rechtsquellen belegt.[218] Periodisierungen sprechen hier von einer „Phase der Bestandsaufnahme“,[219] die auf eine „deskriptiv-ordnende“ Erfassung der in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entwickelten „Verwaltungsrechts-Grundsätze“[220] sowie der punktuellen fachrechtlichen Bezüge in den Rechtsetzungsakten der Gemeinschaft ausgerichtet war. Eine zweite, Ende der siebziger Jahre anhebende Phase der „Europäisierung“ habe den „ausgreifenden Regelungsanspruch des EG-Rechts in Verwaltungssachen“ und die durchschlagende Wirkung der EuGH-Rechtsprechung auf das nationale Verwaltungsrecht verdeutlicht,[221] was in der Wissenschaft zu euphorisch zustimmenden wie skeptisch abwehrenden, aber auch ausgleichend vermittelnden Reaktionen führte, kulminierend in den Referaten und der Diskussion der Mainzer Staatsrechtslehrertagung im Jahre 1993. Pointiert sprach der damalige Richter des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften Manfred Zuleeg den „Strukturen des nationalen Verwaltungsrechts“ einen „Eigenwert“ ab,[222] den Diskussionsredner hingegen als „Verwaltungsrechtskultur eines Rechtsstaats“[223] oder mit Hinweis auf die „historische Entwicklung“,