Juristische Methodenlehre. Mike Wienbracke
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Die in einer juristischen Klausur zu lösende Aufgabe besteht regelmäßig darin, eine in Bezug auf einen vorgegebenen Lebenssachverhalt (Tatsachen[1]) gestellte Fallfrage gutachterlich zu beantworten, d.h. eine rechtlich vertretbare Lösung zu erarbeiten.[2]
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Beispiel aus dem Privatrecht[3]
Als A kurz nach Betreten eines Restaurants seinen Mantel ablegen wollte, stieß er gegen eine neben der Garderobe aufgestellte Designerlampe (Wert: 500 €), welche daraufhin zerbarst. Hat I, der Inhaber des Restaurants, einen Anspruch gegen A auf Zahlung von 500 € als Ersatz für die zerstörte Lampe („Restaurant-Fall“)?
Beispiel aus dem Strafrecht[4]
A hat den letzten noch freien Sitzplatz in einer Cocktailbar ergattert. Als er zum Bezahlen sein Portemonnaie aus der Tasche holt, reißt Z ihm dieses gewaltsam aus der Hand. (Wie) Hat sich Z, der hierbei auf „reiche Beute“ hoffte, strafbar gemacht („Cocktailbar-Fall“)?
Beispiel aus dem Öffentlichen Recht[5]
A hat sich mit dem Betrieb einer speziell auf Raucher ausgerichteten Eckkneipe selbstständig gemacht. Nunmehr liest A in der Zeitung vom Inkrafttreten eines Gesetzes, wonach das Rauchen in Gaststätten ohne jede Ausnahme verboten ist. A meint, dass dieses Gesetz sein Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletze und erhebt daher in zulässiger Weise Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz. Wie wird das hiermit befasste BVerfG entscheiden, falls A mit seiner Meinung Recht haben sollte („Eckkneipen-Fall“)?
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Hinweis
Derselbe Sachverhalt kann unter verschiedenen Gesichtspunkten juristisch relevant sein.[6] So könnte etwa im „Restaurant-Fall“ (Rn. 2) anstatt nach – oder zusätzlich zu – einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch des I gegen A auch danach gefragt werden, ob sich A durch Umstoßen der daraufhin zerborstenen Designerlampe gem. § 303 Abs. 1 StGB wegen Sachbeschädigung strafbar gemacht hat (hierzu siehe Fn. 31 in Rn. 86).
Abweichend von derartigen speziell für Ausbildungszwecke konstruierten Situationen muss in der Lebenswirklichkeit die Fallfrage dagegen häufig erst noch herausgearbeitet werden und ist der Sachverhalt nicht selten streitig (z.B. ob der Angeklagte wirklich die maskierte Person ist, die beim Banküberfall von der Videokamera aufgezeichnet wurde), was sich in der Rechtspraxis sogar als weitaus problematischer erweisen kann als die juristische Beurteilung des Geschehens (z.B. nach § 239a Abs. 1, §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 bzw. §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB).[7] Auch muss dort das rechtlich Relevante aus dem vom Mandanten etc. mitgeteilten „Rohsachverhalt“ vom Juristen (z.B. Rechtsanwalt) regelmäßig erst noch herausgefiltert bzw. – bei aus juristischer Perspektive unzureichendem tatsächlichen Vorbringen – erfragt werden.[8]
Anmerkungen
Im Gegensatz zu (subjektiven) Meinungen sind (objektive) – äußere (z.B. § 242 Abs. 1 StGB: „Sache […] wegnimmt“) wie innere (z.B. § 242 Abs. 1 StGB: „Absicht […], die Sache sich […] zuzueignen“) – Tatsachen dem Beweis zugänglich („wahr oder falsch“), siehe Wienbracke, Einführung in die Grundrechte, 2013, Rn. 373, 375 m.w.N. Siehe auch Rn. 90 f.
Butzer/Epping, Arbeitstechnik, S. 32; Mann, Einführung, Rn. 152, 155. Siehe auch Rn. 223.
Nach Wank, Auslegung, S. 3.
Nach Wank, Auslegung. S. 5.
Nach Wienbracke, Einführung in die Grundrechte, 2013, Rn. 275 m.w.N.
Vgl. Muthorst, Grundlagen, § 6 Rn. 5.
Vogel, Methodik, S. 11, 101; Wank, Auslegung, S. 3 f.
Schwacke, Methodik, S. 57; Vogel, Methodik, S. 20 ff. Siehe auch Rn. 227.
1. Teil Einführung › A. Rechtsquellen
A. Rechtsquellen
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Maßstab für die Beantwortung juristischer Fragestellungen ist im Rechtsstaat (Art. 20 Abs. 3 GG) „weder Brauch noch Sitte, Moral, Religion oder Politik, sondern allein – das Recht“[1], vgl. auch § 313 Abs. 3 ZPO, § 267 Abs. 3 S. 1 StPO, § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG.
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„Recht ist […] die Summe aller geltenden Rechtsnormen“[2], das sog. objektive Recht.[3]
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Normen bestehen aus zumeist[4] sprachlichen Sätzen, die zur Steuerung menschlichen Verhaltens allgemein (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG), d.h. für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen (abstrakt) und Personen (generell), ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen gebieten, verbieten bzw. erlauben (Rn. 12; z.B. „Du sollst nicht stehlen“, sog. deontologische bzw. präskriptive „Sollens-Sätze“ im Gegensatz zu sog. ontologischen bzw. deskriptiven „Seins-Sätzen“, die etwas real Vorhandenes beschreiben, z.B. „A hat B einen Geldschein weggenommen“; „Dichotomie von Sein und Sollen“[5]).[6]
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Hinweis
Wer