Juristische Methodenlehre. Mike Wienbracke
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Im Unterschied zu sittlichen (moralischen; z.B. finanzielle Unterstützung notleidender Geschwister untereinander[8]), gesellschaftlichen (sozialen; z.B. Erwiderung eines Grußes) und technischen (z.B. DIN-)Normen zeichnen sich Rechtsnormen („Rechtssätze“[9]) dadurch aus, dass sie staatlich garantiert sind, d.h. vom Gesetzgeber erlassen wurden bzw. von den Gerichten angewendet werden („Gerichtsfähigkeit“[10]).[11] Sie gelten zwischen den von ihnen jeweils Betroffenen unabhängig davon, ob diese das wollen oder nicht.[12] Ihre Einhaltung kann vom Staat erzwungen (vollstreckt, z.B. nach dem VwVG) werden bzw. drohen im Fall eines Verstoßes gegen sie staatliche Sanktionsmaßnahmen (z.B. Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz z.B. nach § 823 Abs. 1 BGB im Gegensatz zu gesellschaftlichen Sanktionen wie etwa Isolation).[13]
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Räumt eine Rechtsnorm dem Einzelnen eine Befugnis gegenüber einem anderen Bürger (z.B. § 433 Abs. 2 BGB) oder dem Staat (z.B. Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. Art. 1 Abs. 3 GG) ein, so handelt es sich um ein subjektives Recht, das entweder (absolut) gegenüber jedermann (erga omnes; z.B. Eigentum) oder aber nur (relativ) gegenüber einer bestimmten anderen Person (inter partes; z.B. vertraglicher Anspruch) besteht. Nicht jedem objektiven Recht (z.B. § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB: „Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen“) muss ein subjektives entsprechen (z.B. § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB: „Auf die Aufstellung von Bauleitplänen […] besteht kein Anspruch“).[14]
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Im vorstehenden Sinn verbindlich sind in dem durch das Grundgesetz verfassten Rechtsstaat primär „Gesetze“, d.h. das in diesen niedergeschriebene (sog. „positive“) Recht, siehe Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG.[15] Der daneben in Art. 20 Abs. 3 GG noch enthaltene Hinweis auf das „Recht“ sei nach teilweise vertretener Auffassung tautologischer Natur,[16] wohingegen nach a.A. hierdurch das überpositive (Natur-)Recht erfasst werde.[17] Relativiert wird dieser Streit dadurch, dass „der Gesetzgeber des Grundgesetzes in seine Grundentscheidung Normen einbezogen und damit im Grundgesetz positiviert hat, die vielfach als übergesetzlich bezeichnet werden (etwa in Art. 1, aber auch in Art. 20 GG).“[18] Gleichwohl ist dem BVerfG zufolge „[d]as Recht […] nicht mit der Gesamtheit der geschriebenen Gesetze identisch. Gegenüber den positiven Satzungen der Staatsgewalt kann unter Umständen ein Mehr an Recht bestehen, das seine Quelle in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen besitzt und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv zu wirken vermag.“[19]
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Nicht selten haben Gesetze ihren Ursprung in einer außerrechtlichen Norm (z.B. lautet eines der Zehn Gebote als „Urform eines Normenkatalogs“[20]: „Du sollst nicht töten“; vgl. § 212 Abs. 1 StGB) bzw. erklären eine solche auch für rechtlich verbindlich (z.B. § 138 Abs. 1 BGB: „gute Sitten“).[21] Zwingend ist dies allerdings nicht, wie diejenigen Rechtsnormen belegen, die keinerlei Bezug zu einer sittlichen, gesellschaftlichen oder technischen Norm aufweisen (so z.B. § 8 Abs. 1 S. 1 StVO: „An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt“).[22] Infolge dessen kann es schließlich auch Gesetze geben, die – gemessen an außerrechtlichen Wertmaßstäben – als ungerecht empfunden werden (z.B. §§ 218 ff. StGB).[23] Solange derartige Gesetze vom hierfür zuständigen Organ jedoch nicht geändert bzw. aufgehoben werden, bleiben sie grundsätzlich rechtsverbindlich;[24] schließlich kann im Ausgangspunkt „[j]eder beliebige Inhalt […] Recht sein.“[25] Eine hiervon abweichende Entscheidung aufgrund von Überlegungen der „Billigkeit“ wäre mit der Bindung der Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“ (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht zu vereinbaren.[26] Abweichendes gilt nur ganz ausnahmsweise dann, wenn „der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht hat, dass das Gesetz als ,unrichtiges Recht‘ der Gerechtigkeit zu weichen hat.“[27] Diese sog. Radbruch'sche Formel wurde vom BVerfG in Bezug auf bestimmte Vorschriften des NS- und des DDR-Rechts angewandt.[28]
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Gesetze i.S.v. Art. 20 Abs. 3 GG sind
• | zum einen solche im formellen Sinn, d.h. Hoheitsakte, die von einem Parlament (z.B. Bundestag) in dem hierfür durch die jeweilige Verfassung vorgesehenen Verfahren (auf Bundesebene: Art. 76 ff. GG) als Gesetz erlassen wurden;[29] |
• | zum anderen solche im materiellen Sinn, d.h. Regelungen, die ein Träger hoheitlicher Gewalt für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen (abstrakt) und Personen (generell) erlassen hat und die Rechte oder Pflichten für den Bürger oder sonstige Rechtspersonen[30] begründen, ändern oder aufheben.[31] |
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Hinweis
Die maßgeblich an den jeweiligen Urheber (Parlament oder Exekutivorgan) anknüpfende Unterscheidung zwischen Gesetzen einerseits im formellen und andererseits im materiellen Sinn ist nicht zu verwechseln mit der Differenzierung zwischen dem Prozessrecht (geregelt z.B. in der StPO, VwGO, ZPO) und dem sachlichen Recht, innerhalb dessen sich weiter zwischen dem sog. formellen Recht (= Vorschriften über die Zuständigkeit, das Verfahren und die Form von Rechtsakten wie z.B. Gesetzen, siehe z.B. Art. 70 ff., 76 ff., 82 GG) und dem sog. materiellen Recht (= Vorschriften, welche die Entstehung, die Veränderung und den Untergang von Rechten und Pflichten regeln) unterscheiden lässt.[32]
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Die meisten Gesetze im formellen Sinn (z.B. BGB, StGB, VwVfG) sind zugleich auch solche im materiellen Sinn (vgl. z.B. § 433 Abs. 1 BGB, § 242 Abs. 1 StGB, § 28 Abs. 1 VwVfG).[33] Demgegenüber handelt es sich etwa bei Haushaltsgesetzen, durch welche der jeweilige Haushaltsplan festgestellt wird (siehe z.B. Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG), lediglich im formellen Sinn um Gesetze, nicht aber auch im materiellen Sinn.[34] Denn durch den Haushaltsplan wird gem. § 3 BHO allein die Verwaltung vom Gesetzgeber ermächtigt, Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen; Ansprüche oder Verbindlichkeiten werden hierdurch hingegen weder begründet noch aufgehoben. Umgekehrt sind Rechtsverordnungen[35] (vgl. Art. 80 GG, z.B. Straßenverkehrsordnung, StVO; Rn. 40 f.) und Satzungen (z.B. Bebauungsplan, siehe § 10 Abs. 1 BauGB; Rn. 42 f.), die jeweils nicht von einem Parlament, sondern von der Exekutive erlassen werden, Gesetze nur im materiellen Sinn.[36]
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Zusätzlich zu den vorgenannten Gesetzen auf nationaler Ebene existieren noch folgende weitere Rechtsquellen:[37]
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Völkerrecht
Quellen des Völkerrechts (ius gentium), das die Rechtsbeziehungen zwischen souveränen Staaten und sonstigen Völkerrechtssubjekten regelt,[38] sind nach Art. 38 Abs. 1 lit. a) – c) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs (IGH) „internationale Übereinkünfte“, das „internationale Gewohnheitsrecht“ sowie „die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze“. Als „Hilfsmittel“ zur Feststellung dieser Völkerrechtsnormen, d.h. als bloße „Rechtserkenntnisquellen“[39], dienen nach Art. 38 Abs. 1 lit. d) des IGH-Statuts „richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinung der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen“. Unmittelbare Geltung innerhalb der deutschen Rechtsordnung entfalten
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