Strafrecht Allgemeiner Teil II. Sabine Tofahrn
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Beispiel
A und B haben geplant, ein Lebensmittelgeschäft zu überfallen. Sie beabsichtigen, die Inhaberin durch Bedrohung mit einem Messer zur Herausgabe des in den Kassen befindlichen Geldes zu „überreden“. Einen weitergehenden Einsatz des Messers haben sie zum Zeitpunkt der Planung jedoch ausgeschlossen. Nach dem Betreten des Geschäfts geht dementsprechend A auf X, die hinter der Theke stand zu, hält ihr das Messer vor und sagt: „Geld her“. Als X jedoch zur großen Überraschung von A und B entgegnet „Ihr kriegt hier nichts“, entschließen sich beide, das Geschäft unverrichteter Dinge wieder zu verlassen.
Der BGH[22] hat den Vorwurf der versuchten schweren räuberischen Erpressung nicht bestätig. Er hat deutlich gemacht, dass bei der Abgrenzung des unbeendeten vom fehlgeschlagenen Versuch nicht auf den Tatplan, sondern auf den Erkenntnishorizont nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung abzustellen sei. Mithin war es unbeachtlich, dass die Täter ursprünglich einen weitergehenden Einsatz des Messers ausgeschlossen hatten. Wesentlich war allein, ob er nach ihrer Vorstellung zum letzten Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre. Der BGH hat deswegen einen strafbefreienden Rücktritt gem. § 24 Abs. 2 als möglich angesehen.
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Achten Sie in der Klausur darauf, dass Sie auch tatsächlich den letzten Zeitpunkt der Aufgabe der Ausführungshandlung als Beurteilungszeitpunkt wählen. Es ist denkbar, dass die Vorstellungen des Täters sich währenddessen ändern. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Korrektur des Rücktrittshorizonts“.
Beispiel
A sticht B mit einem Messer nieder und geht nach dem Stich davon aus, B tödlich verletzt zu haben. Tatsächlich steht B aber unmittelbar danach auf. A erkennt nun, dass er B nur am Arm getroffen hat und unterlässt weitere Handlungen.
Beispiel
A sticht erneut B nieder und geht dieses Mal davon aus, dass er ihn nur am Arm verletzt habe. Tatsächlich steht B auch zunächst auf, bricht jedoch keine 30 Meter später bewusstlos zusammen. A erkennt, dass B nur mit ärztlicher Hilfe überleben kann, entschließt sich nun jedoch, B liegen zu lassen.
Sofern ein Täter in unmittelbarem zeitlich-räumlichen Zusammenhang mit der letzten Ausführungshandlung seine Beurteilung korrigiert, ist der Zeitpunkt der Korrektur der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt.[23]
Im ersten Beispiel muss mithin ein unbeendeter Versuch angenommen werden, von welchem der Täter durch bloßes Aufgeben der Tat zurücktreten kann. Im zweiten Beispiel hingegen liegt ein beendeter Versuch vor, von dem der Täter nur zurücktreten kann, wenn er Gegenmaßnahmen ergreift, die zum Ausbleiben des Erfolges führen, was A nicht getan hat.
Beispiel
Abgelehnt hat der BGH[24] eine Korrektur des Rücktrittshorizonts in einem Fall, in welchem der Täter, der zuvor mit 2 lebensgefährdenden Messerstichen sein Opfer töten wollte, sich von dem Opfer abwandte, als dieses auf dem Boden saß, und zu seinem Auto lief. Als er sich im Laufen umdrehte, sah er, dass das Opfer wieder aufgestanden war und ebenfalls weglief. Er sah nun davon ab, dass Opfer weiter zu verfolgen und fuhr mit seinem Auto weg. Hier wurde als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Rücktritts der Moment des Entfernens vom Opfer angesehen. Ging der Täter in diesem Augenblick aufgrund der Gefährlichkeit der Messerstiche davon aus, das Opfer tödlich verletzt zu haben, dann lag ein beendeter Versuch vor, von welchem der Täter nicht durch bloßes Aufgeben der Tat zurück treten konnte. Der Umstand, dass der Täter das Opfer liegen ließ, spreche dafür, dass er die Tat nicht habe aufgeben wollen. Eine spätere Korrektur sei dann, so der BGH, unbeachtlich.
Beispiel
Anders jedoch beurteilte der BGH[25] folgenden, ähnlich gelagerten Sachverhalt: A stach B mit Tötungsvorsatz ein 17 cm langes Messer in den oberen Rückenbereich. B, der nicht mitbekommen hatte, wer ihm den Stich versetzt hatte, bat A, ihn zum Auto zu begleiten und dort mit seinem im Auto liegenden Handy den Notarzt zu verständigen. A ergriff alsdann auch das Handy, tat aber nur so, als telefoniere er. Er nahm dabei an, dass sein Verhalten zum Tod des B führen würde. B, nunmehr skeptisch geworden, begab sich nun mit dem Messer im Rücken zu einer 700 m entfernt liegenden Gaststätte, um Hilfe zu holen. Unterwegs bat er 4 Personen vergeblich, ihm zu helfen. In der Gaststätte angekommen, telefonierte er wie beabsichtigt und konnte aufgrund einer sofort eingeleiteten OP gerettet werden. A unternahm nichts, um ihn am Betreten der Gaststätte zu hindern.
Hier bejahte der BGH eine Korrektur des Rücktrittshorizontes. Ging A zum Zeitpunkt des Telefonats noch davon aus, einen beendeten Versuch begangen zu haben, so kann unterstellt werden, dass er seine Annahme korrigierte, nachdem B mit dem Messer im Rücken zur Gaststätte ging. In diesem Augenblick muss A angenommen haben, er habe noch nicht alles Erforderliche zur Erfolgsherbeiführung getan. Problematisch ist nun jedoch, ob der Rücktritt in Anbetracht der 4 Zeugen, denen B begegnete noch freiwillig erfolgte.
Problematisch kann die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch auch bei einem Deliktswechsel werden. Wir haben bereits gesehen, dass bei mehraktigen Geschehen nach h.M. auf den letzten Akt abzustellen ist (Rücktrittshorizont). Voraussetzung dafür ist jedoch, dass es keine Zäsur beim Vorsatz gibt, der Täter also z.B. bei Tötungsdelikten durchgängigen Tötungsvorsatz hat. Fraglich ist nun aber, wie die Situation zu bewerten ist, wenn der Täter vom Tötungsvorsatz zum Körperverletzungsvorsatz und dann wieder zum Tötungsvorsatz wechselt.
Beispiel
A geriet in Streit mit seinem Vater V, setzte sich in dessen Auto und wollte losfahren, als sich V in den Weg stellte, um ihn daran zu hindern. A setzte das Fahrzeug einen Meter zurück, gab Gas und erwischte den mittlerweile weglaufenden V mit 10 km/h, so dass V hinfiel. Dabei war ihm bewusst, dass V durch dieses Fahrmanöver zu Tode kommen könnte, was er aber billigend in Kauf nahm. Nach der Kollision steig A aus, V war bei Bewusstsein und hob den Kopf an, woraufhin A nun nur noch mit Körperverletzungsvorsatz V einmal gegen den Kopf und zweimal in den Bauch trat. Anschließend lief er in der Vorstellung, V sei durch die Kollision doch lebensgefährdend verletzt worden, davon.
Unterstellt, A ging beim Aussteigen zunächst davon aus, den Vater noch nicht tödlich verletzt zu haben, dann läge ein unbeendeter Versuch vor. Von diesem könnte er durch Aufgeben der weiteren Tatausführung zurückgetreten sein. Nun erscheint einem ein Rücktritt in Anbetracht der nachfolgenden Körperverletzung zunächst nicht naheliegend zu sein. Abzustellen ist aber nur auf die konkrete Tat, also hier § 212. Diese Tatausführung habe A aufgeben, so der BGH[26]. Die nachfolgenden Handlungen waren nur noch vom Körperverletzungsvorsatz getragen. Das anschließende Liegenlassen des V in der Annahme, er sei doch tödlich verletzt, kann nun ein Totschlag oder Mord durch Unterlassen sein.
2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters › D. Rücktritt vom Versuch › V. Rücktritt vom unbeendeten Versuch
V. Rücktritt vom unbeendeten Versuch
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Haben Sie in der Klausur festgestellt, dass der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat noch nicht alles Erforderliche getan hat, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen, liegt ein unbeendeter Versuch vor. Von diesem unbeendeten Versuch kann der Täter zurücktreten, wenn er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt.
Auch ein untauglicher Versuch kann