Grundrechte. Daniela Schroeder
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1. | Soweit Landesgrundrechte enger als Bundesgrundrechte gefasst sind oder im Widerspruch zu ihnen stehen, gehen die Bundesgrundrechte gemäß Art. 31 GG vor. |
Beispiel
Art. 29 Abs. 5 Verf. Hessen enthält ein Verbot der Aussperrung. Diese Bestimmung widerspricht Art. 9 Abs. 3 GG und ist deshalb unwirksam.[5]
2. | Soweit Landesgrundrechte mit Bundesgrundrechten inhaltlich übereinstimmen oder hinsichtlich ihrer Gewährleistungen über die Bundesgrundrechte hinausgehen, sind sie gemäß Art. 142 GG gültig und binden die öffentliche Gewalt des Landes entsprechend. |
Beispiel 1
Art. 141 Abs. 3 S. 1 Verf. Bayern (s.o. Rn. 6) begründet ein subjektiv-öffentliches Recht, das auf Bundesebene grundrechtlich nicht gewährleistet ist.
Beispiel 2
Art. 4 Abs. 2 S. 1 Verf. Nordrhein-Westfalen gewährleistet ein Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten und damit ein subjektiv-öffentliches Recht, das das Grundgesetz nicht (ausdrücklich) garantiert.
Beispiel 3
Das in Art. 78 Abs. 2 Verf. Sachsen verbürgte Recht auf rechtliches Gehör deckt sich inhaltlich mit dem grundgesetzlich gewährleisteten Recht auf rechtliches Gehör in Art. 103 Abs. 1 GG.[6]
In allen drei Beispielen sind die grundrechtlichen Gewährleistungen der Landesverfassungen daher gemäß Art. 142 GG gültig und binden die öffentliche Gewalt des jeweiligen Landes.
Hinweis
Art. 142 GG schränkt Art. 31 GG teilweise ein. Die Formulierung „. . . auch insoweit . . ., als . . .“ ist leichter zu verstehen, wenn Sie statt dessen „. . ., soweit . . .“ in den Verfassungstext hineinlesen.
2. Teil Grundlagen › A. Allgemeine Grundrechtslehren › III. Rang der Bundesgrundrechte innerhalb der (inländischen) Normenhierarchie
III. Rang der Bundesgrundrechte innerhalb der (inländischen) Normenhierarchie
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Wiederholen Sie an dieser Stelle zunächst die (inländische) Normenhierarchie und ihre einzelnen Bestandteile im Skript „Staatsorganisationsrecht“!
Die Grundrechte des Grundgesetzes stehen als Bestandteil des Bundesverfassungsrechts an der Spitze der (inländischen) Normenhierarchie und nehmen daher eine herausragende Stellung innerhalb der Normenhierarchie ein. Dies hat zur Folge, dass die Grundrechte für das Handeln der öffentlichen Gewalt richtungsweisend sind. Die gesamte (inländische) öffentliche Gewalt ist gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht gebunden (s. oben Rn. 5 und unten Rn. 51). Alle (Bundes- und Landes-)Gesetze gelten daher nur im Rahmen der grundrechtlichen Verbürgungen des Grundgesetzes.[7]
Beispiel
Der einfache Gesetzgeber kann das Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG nur insoweit einschränken, als eine solche Einschränkung ihrerseits am Maßstab des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG gerechtfertigt ist.
2. Teil Grundlagen › A. Allgemeine Grundrechtslehren › IV. Funktionen der Grundrechte
1. Doppelfunktion der Grundrechte
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Zumindest die meisten Grundrechte haben eine Doppelfunktion, nämlich eine subjektiv-rechtliche und eine objektiv-rechtliche Funktion.
Hinweis
„Funktion“ der Grundrechte ist die herkömmliche Bezeichnung. Gemeint ist damit die rechtliche Wirkung der Grundrechte zugunsten ihres Schutzguts.[8] Zurückzuführen ist die Bezeichnung „Funktion“ wohl auf die sog. Statuslehre von Jellinek. Nach dieser Lehre sind drei Kategorien von Grundrechten zu unterscheiden: der status negativus (die Grundrechte als Abwehrrechte), der status positivus (die Grundrechte als Leistungsrechte) und der status activus (die Grundrechte als Rechte zur aktiven Teilnahme).[9]
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In ihrer subjektiv-rechtlichen Funktion sind die Grundrechte subjektiv-öffentliche Rechte (s.o. Rn. 4 f.). Dies ist verfassungsrechtlich festgelegt. Als subjektiv-öffentliche Rechte enthalten die Grundrechte eine konkrete Begünstigung des Einzelnen. Die subjektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte zeigt sich oft schon am Wortlaut eines Grundrechts: Manche Grundrechte werden ausdrücklich als „Recht auf“ (Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 GG) oder als „Recht“ (Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 7 Abs. 4, Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 S. 1, Art. 17 GG) gewährleistet. Andere Grundrechte verwenden den Begriff der „Freiheit“ (Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG), der ebenfalls ein rechtliches Dürfen zum Ausdruck bringen soll.[10]
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Die objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte ist demgegenüber maßgeblich das Produkt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat eine auch objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte früh und seitdem in ständiger Rechtsprechung[11] anerkannt. Nach seiner Auffassung enthalten die Grundrechte, genauer die Freiheitsrechte, „nicht allein Abwehrrechte des einzelnen gegen die öffentliche Gewalt, sondern stellen zugleich objektiv-rechtliche Wertentscheidungen der Verfassung dar, die für alle Bereiche der Rechtsordnung gelten und Richtlinien für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben.“ In ihrer objektiv-rechtlichen Funktion enthalten die Grundrechte damit objektive Gewährleistungen, die den Staat allgemein, d.h. unabhängig vom Einzelnen, binden und i.d.R. durch den Gesetzgeber zu konkretisieren sind.[12]
Beispiel
Das Grundrecht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG begründet nicht nur ein Abwehrrecht des Bürgers gegen Eingriffe der öffentlichen Gewalt in das Rechtsgut Leben, sondern konstituiert das menschliche Leben auch als einen zentralen „Wert“ der Verfassung, an den der Staat allgemein gebunden ist.[13]
2. Subjektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte