Grundrechte. Daniela Schroeder
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Stellt man die Erfüllung originärer Leistungsrechte allerdings immer unter den „Vorbehalt des Möglichen“, werden die originären Leistungsrechte hierdurch permanent relativiert, so dass ihre normative Kraft gefährdet werden kann.[22] Dies alles spricht dafür, originäre Leistungsrechte generell nur unter größter Zurückhaltung anzunehmen.
JURIQ-Klausurtipp
In der Fallbearbeitung werden Ihnen originäre Leistungsrechte nur ausnahmsweise begegnen. Dann gehen Sie bei Ihrer Prüfung in zwei Schritten vor:
1. | Zuerst untersuchen Sie, ob eine Anspruchsgrundlage für die staatliche Leistung existiert. Bei den originären Leistungsrechten bilden die Grundrechte selbst die Anspruchsgrundlage. Ob ein Grundrecht taugliche Anspruchsgrundlage ist, ergibt sich aus seinem Wortlaut. |
2. | Existiert eine Anspruchsgrundlage, besteht der Anspruch auf die staatliche Leistung nur vorbehaltlich des Möglichen. Im zweiten Prüfungsschritt sollten Sie daher auf das Problem hinweisen, dass durch den „Vorbehalt des Möglichen“ die normative Kraft des Grundrechts gefährdet werden kann. Das Problem lösen Sie anschließend, indem Sie auf die grundrechtliche Gewährleistung unter Berücksichtigung der sozialen Wirklichkeit abstellen und die widerstreitenden Interessen abwägen (einerseits das Interesse des Anspruchstellers auf die staatliche Leistung, andererseits die öffentlichen Interessen [z.B. finanzielle Belange] und ggf. privaten Interessen [z.B. Belastungen Dritter]). |
bb) Derivative Leistungsrechte
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Im Gegensatz zu den originären Leistungsrechten handelt es sich bei den derivativen Leistungsrechten um Teilhaberechte. Hat der Staat Einrichtungen oder Förderungs- und Leistungssysteme geschaffen, die die Ausübung von Grundrechten erleichtern oder u.U. überhaupt erst ermöglichen, bedeutet Grundrechtsschutz für den Einzelnen Teilhabe am Vorhandenen.[23] Anders als die originären Leistungsrechte leiten sich Teilhaberechte vom bereits Bestehenden ab.[24]
Beispiel
P hat im Sommer endlich sein Abitur bestanden. Er möchte unbedingt BWL studieren. Für sein Studium hat er sich im Internet schon einige Unis in studentenfreundlichen Städten ausgesucht. Jetzt braucht er nur noch einen Studienplatz. Er weiß, dass es sehr viele Altersgenossen gibt, die ebenfalls BWL studieren wollen. Im Internet hat er auch schon gelesen, dass es mehr Bewerber als Studienplätze für BWL geben wird. Nun ist er sich nicht sicher, wie seine Chancen stehen, im nächsten Semester einen Studienplatz zu bekommen. Der studierwillige P kann sich auf sein Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Er hat ein Recht auf Zulassung zum frei gewählten Studium an einer staatlichen Hochschule. Da die Ausbildungskapazitäten an den staatlichen Hochschulen aber nicht unerschöpflich sind, werden die staatlichen Hochschulen wegen der großen Nachfrage nicht alle Studierwilligen zum Studium im nächsten Semester zulassen können. In seinem grundlegenden Numerus clausus-Urteil vertritt das Bundesverfassungsgericht die Auffassung, die Hochschulen seien zur Ausschöpfung ihrer Ausbildungskapazitäten verpflichtet.[25] Wegen des Bewerberandrangs werden die staatlichen Hochschulen aber eine Auswahl unter den studierwilligen Bewerberinnen und Bewerbern treffen müssen. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht im Numerus clausus-Urteil die Auffassung vertreten, das Recht auf Zulassung zum frei gewählten Studium nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG verwandele sich wegen der beschränkten Ausbildungskapazitäten in ein Recht auf eine sachgerechte, gleichheitsmäßige Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber um einen Studienplatz; dieses Recht ergebe sich aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip.
Das Recht auf eine sachgerechte, gleichheitsmäßige Auswahl beinhaltet das Recht auf ein sachgerechtes, gleichheitsmäßiges Auswahlverfahren unter Anwendung sachgerechter, gleichheitsmäßiger Auswahlkriterien.[26]
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Derivative Leistungsrechte folgen nicht allein aus dem thematisch einschlägigen Grundrecht, sondern bestehen i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip. Danach ist der Staat zur Gleichbehandlung der Anspruchsteller verpflichtet und darf einen Anspruchsteller nicht ohne sachlichen Grund von der staatlichen Leistung ausschließen.
JURIQ-Klausurtipp
Ein derivatives Leistungsrecht prüfen Sie daher in drei Schritten:
1. | Zuerst untersuchen Sie, ob die öffentliche Gewalt anderen Grundrechtsberechtigten bereits Leistungen gewährt hat. |
2. | Ist dies der Fall, prüfen Sie anschließend, ob der Anspruchsteller mit diesen Grundrechtsberechtigten vergleichbar ist. |
3. | Bejahen Sie dies, gehen Sie schließlich der Frage nach, ob der Anspruchsteller ohne sachlichen Grund von der staatlichen Leistung ausgeschlossen wird. Sie prüfen also, ob ein sachlicher Grund für den Leistungsausschluss vorliegt. Liegt ein sachlicher Grund vor, besteht kein Anspruch auf die begehrte Leistung; andernfalls ist der Leistungsausschluss des Anspruchstellers verfassungswidrig. |
c) Gleichheitsrechte
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Im Gegensatz zu den Freiheits- und Leistungsrechten, die primär ein bestimmtes staatliches Verhalten verbieten bzw. gebieten, zielen die Gleichheitsrechte primär auf ein relatives Verhalten der öffentlichen Gewalt. Die öffentliche Gewalt soll sich in bestimmten Fällen nicht anders verhalten, als sie sich in gleichgelagerten Fällen verhalten hat. Wenn sie sich in bestimmten Fällen anders verhält, darf sie dies nicht ohne sachlichen Grund. Sie muss hierbei zulässige Differenzierungskriterien anwenden oder eine ausreichende Legitimation der Ungleichbehandlung vorweisen. Bei den Gleichheitsrechten dominiert somit die Gleichbehandlungs- bzw. Nichtdiskriminierungsfunktion.
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Gleichheitsrechte gibt es im Grundgesetz an verschiedenen Stellen: Art. 3 Abs. 1 GG enthält das allgemeine Gleichheitsrecht. Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3, Art. 6 Abs. 5, Art. 33 Abs. 1–3 und Art. 38 GG garantieren spezielle Gleichheitsrechte (s.u. Rn. 674 ff.).
d) Mitwirkungsrechte
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Neben den herkömmlichen Freiheits-, Leistungs- und Gleichheitsrechten gibt es auch Grundrechte als Mitwirkungsrechte. Sie gewährleisten in erster Linie die Mitwirkung des Bürgers am inneren Staatsleben (sog. staatsbürgerliche Rechte). Hierzu gehören insbesondere die grundrechtsgleichen Rechte des Wahlrechts (Art. 38 GG) und des Zugangs zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 Abs. 2 GG).
3. Objektiv-rechtliche Funktionen der Grundrechte
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