Umsatzsteuerrecht. Christian Möller
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Derzeit ist höchst umstritten, ob die Organschaft tatsächlich eine Anteilsmehrheit des Organträgers an der Organgesellschaft und damit ein Über-/Unterordnungsverhältnis voraussetzt. Der EuGH hat auf Vorlage des BFH jüngst entschieden, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der Organgesellschaft nur eine solche Einheit sein könne, die mit einem Organträger durch ein Über-/Unterordnungsverhältnis verbunden sei. Zulässig sei eine solche Beschränkung nur zur Verhinderung (u. a.) missbräuchlicher Praktiken.[94] Der V. Senat des BFH geht davon aus, dass die Verneinung einer Eingliederung zwischen Schwestergesellschaften der Missbrauchsverhinderung diene.[95] Der XI. Senat hält dies dagegen für „fernliegend“.[96] Womöglich wird auch in dieser Frage erst eine Entscheidung des Großen Senates des BFH Klarheit bringen.
4. Kein Wahlrecht
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Eine Organschaft tritt unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr 2 UStG ohne Wahlmöglichkeit der Beteiligten kraft Gesetzes ein. Weder das Umsatzsteuergesetz noch das Unionsrecht sehen ein Antragserfordernis, ein Wahlrecht oder einen speziellen Verfahrensakt für den Eintritt der Rechtsfolgen einer Organschaft vor.[97]
§ 3 Unternehmer und Unternehmen › D. Organschaft › III. Rechtsfolgen der Organschaft
III. Rechtsfolgen der Organschaft
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Liegt eine Organschaft vor, sind die im Inland gelegenen Unternehmensteile „als ein Unternehmen zu behandeln“ (§ 2 Abs. 2 Nr 2 S. 3 UStG). Im Ergebnis wird die Organgesellschaft damit für Zwecke der Umsatzsteuer (weitgehend) behandelt wie ein rechtlich unselbstständiger Betriebsteil des Organträgers. Dies hat vor allem zwei Konsequenzen:
• | Umsatzsteuerrechtlicher Unternehmer ist nur der Organträger. Dieser hat neben seinen eigenen Umsätzen auch die Umsätze der Organgesellschaft(en) zu versteuern; der Organträger macht auch den Vorsteuerabzug aus Leistungen geltend, die seine Organgesellschaften bezogen haben. Nur der Organträger gibt USt-Voranmeldungen und USt-Jahreserklärungen ab (verfahrensmäßige Vereinfachung). |
• | Umsätze zwischen Gesellschaften eines Organkreises sind nicht steuerbar (nicht steuerbare Innenumsätze). Darin kann ein wesentlicher Anreiz liegen, gezielt die Voraussetzungen einer Organschaft herbeizuführen. |
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Beispiel: [98]
Die P-AG ist die Konzernspitze eines „Pflege-Konzerns“. Sie hat zahlreiche Tochter-GmbHs („Pflege-GmbHs“). Die Pflege-GmbHs betreiben jeweils ein Pflegeheim für Senioren und erbringen dabei jeweils umsatzsteuerfreie Leistungen (§ 4 Nr 16 UStG). Weitere Tochter-GmbHs der P-AG erbringen konzernintern Catering- und Reinigungsleistungen an die Pflege-GmbHs. Wenn eine Organschaft nicht vorliegt, sind die Catering- und Reinigungsleistungen steuerbar und steuerpflichtig; die Pflege-GmbHs können die gezahlte USt aber nicht als Vorsteuer abziehen, weil sie die bezogenen Leistungen einsetzen, um steuerfreie Ausgangsumsätze zu erbringen (§ 15 Abs. 2 S. 1 Nr 1 UStG; s. noch Rn 753 ff). Die Umsatzsteuer führt daher zu einer definitiven Steuerbelastung des Konzerns. Sind die leistenden Gesellschaften und die Pflege-GmbHs dagegen durch eine Umsatzsteuer-Organschaft verbunden, sind die Catering- und Reinigungsleistungen nicht steuerbare Innenumsätze; die (definitive) Belastung mit Umsatzsteuer wird vermieden.[99]
Anmerkungen
UStAE Abschn. 2.1 Abs. 1 S. 1.
BFH, Urt. v. 18.12.1980 – V R 142/73, BeckRS 1980, 22005604; UStAE Abschn. 2.1 Abs. 2 S. 1.
UStAE Abschn. 2.1 Abs. 2 S. 2.
UStAE Abschn. 2 S. 3 unter Verweis auf BFH, Urt. v. 25.3.1993 – V R 42/89, DStR 1993, 1365, und BFH, Urt. v. 29.4.1993 – V R 38/89, DStR 1993, 1364 f.
UStAE Abschn. 2.1 Abs. 5 S. 1.
Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, 77. EL Juni 2016, § 2 Rn 29.
Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, 168. Lief. 07.2016, § 2 Rn 497.
UStAE Abschn. 2.2 Abs. 1 S. 1.
S. etwa BFH, Urt. v. 25.6.2009 – V R 37/08, DStR 2009, 1848 (1849).
UStAE Abschn. 2.2 Abs. 2 S. 1 unter Verweis auf BFH, Urt. v. 2.12.1998 – X R 83/96, DStR 1999, 711 (713); BFH, Urt. v. 11.10.2007 – V R 77/05, DStR 2008, 351 (353).
BFH, Urt. v. 14.4.2010 – XI R 14/09, BeckRS 2010, 24004137; BFH, Urt. v. 25.6.2009 – V R 37/08, BeckRS 2009, 24003758; UStAE Abschn. 2.2 Abs. 1 S. 8.
UStAE Abschn. 2.3 Abs. 5 S. 1.
UStAE Abschn. 2.3 Abs. 5, 6.
S. für den Nießbrauch BFH, Urt. v. 16.12.1971 – V R 41/68, BeckRS 1971 22001362.