Umsatzsteuerrecht. Christian Möller
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Aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (s. dazu bereits Rn 188 f) liegt eine umsatzsteuerrechtliche Lieferung im Einzelfall auch ganz ohne zivilrechtlichen Eigentumsübergang vor:
• | Unwirksamer Vertrag: Sofern tatsächlich ein Leistungsaustausch stattfindet, steht es der Steuerbarkeit nicht entgegen, wenn die zugrunde liegenden Verträge unwirksam sind (etwa nach §§ 104 ff BGB wegen Beteiligung eines Minderjährigen).[13] |
• | Hehlerei und ähnliche Sachverhalte: Wer eine Sache verliert oder wem etwas gestohlen wird, der liefert nicht an den Finder oder Dieb. Verfügungsmacht wird in diesen Fällen nicht „verschafft“ (§ 3 Abs. 1 UStG), sondern genommen. Eine steuerbare Leistung ist dagegen zu bejahen, wenn der Finder oder Dieb (oder ein Hehler) die Sache an einen Dritten veräußert. Der Steuerbarkeit steht nicht entgegen, dass zivilrechtlich nach § 935 BGB ein (gutgläubiger) Erwerb des Eigentums zu verneinen ist. |
• | Lieferkommission: Bei der Lieferkommission (§ 3 Abs. 3 UStG) erwirbt der Kommissionär vom Kommittenten regemäßig kein Eigentum. Dennoch ist umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung (auch) zwischen diesen Unternehmern zu bejahen, s. u. Rn 243 f. |
• | Leasing: Das Leasing ist eine der Miete ähnliche Gebrauchsüberlassung, bei der (jedenfalls zunächst) der Leasingnehmer kein Eigentum am Leasinggegenstand erwirbt. Dennoch kann – abhängig von der Ausgestaltung des Leasingvertrages – im Einzelfall umsatzsteuerrechtlich eine Lieferung zu bejahen sein. Ist dies nicht der Fall, liegt eine sonstige Leistung vor (zur Abgrenzung s. u. Rn 270 ff). |
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Umgekehrt kann eine umsatzsteuerrechtliche Lieferung im Einzelfall trotz Übergangs des zivilrechtlichen Eigentums ausscheiden:
• | Sicherungsübereignung: Bei der Sicherungsübereignung erwirbt der Sicherungsnehmer zwar zivilrechtliches Eigentum. Dem wirtschaftlichen Gehalt nach wird aber ein Pfandrecht bestellt. Eine umsatzsteuerrechtliche Lieferung bei Begründung der Sicherungsübereignung ist daher abzulehnen.[14] Eine Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer ist erst bei Verwertung der Sicherheit zu bejahen.[15] |
• | Ähnlich wie bei der Sicherungsübereignung kann die Übereignung der Mietsache an den Leasinggeber im Rahmen eines Sale and Lease Back-Geschäfts lediglich eine Sicherungsfunktion für den Leasinggeber haben. Der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien beschränkt sich dann auf die Finanzierung der Mietsache. In diesem Fall ist eine sonstige Leistung zu bejahen, und zwar eine nach § 4 Nr 8 lit. a) UStG steuerfreie Kreditgewährung[16] (zum Leasing s. noch Rn 270 ff). |
§ 5 Lieferung und sonstige Leistung › A. Lieferung › II. Lieferkommission
II. Lieferkommission
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Beim Kommissionsgeschäft (§§ 383 ff HGB) kommt es zivilrechtlich in der Regel nicht zu einer Veräußerung des Kommissionsgutes durch den Kommittenten an den Kommissionär.[17] Zivilrechtlich ist die Kommission lediglich eine spezielle Geschäftsbesorgung. Umsatzsteuerrechtlich liegt daher eine sonstige Leistung nahe, und zwar eine Leistung des Kommissionärs an den Kommittenten. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 3 Abs. 3 UStG ist jedoch eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär zu bejahen. Damit kommt es zu einer Doppellieferung:
• | Der Kommittent liefert an den Kommissionär |
• | Der Kommissionär liefert an seinen Abnehmer. |
• | Die erste Lieferung findet regelmäßig erst in dem Zeitpunkt statt, in dem auch die zweite Lieferung stattfindet; die Lieferzeitpunkte fallen also regelmäßig zusammen (s. Rn 245 f). |
• | Eine sonstige Leistung wird nicht ausgeführt. |
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Beispiel:
Die Lederfeld GmbH produziert Hemden, die Herr Schenkenberg als Kommissionär an den Einzelhandel vertreibt. Das Tätigwerden als Kommissionär bedeutet nach § 383 Abs. 1 HGB, dass Herr Schenkenberg gegenüber den Einzelhändlern nicht als Vertreter (§§ 164 ff BGB) der Lederfeld GmbH auftritt, sondern im eigenen Namen. Herr Schenkenberg, nicht die GmbH, tritt also unter den Kaufverträgen mit den Einzelhändlern als Verkäufer auf. Zivilrechtlich erbringt hier Herr Schenkenberg als Kommissionär eine Geschäftsbesorgung an die Lederfeld GmbH als Kommittentin. Herr Schenkenberg erwirbt kein Eigentum an den Hemden (auch kein „Durchgangserwerb“). Umsatzsteuerrechtlich sind aber nach § 3 Abs. 3 UStG ausschließlich zwei Lieferungen zu bejahen, nämlich eine Lieferung der Lederfeld GmbH an Herrn Schenkenberg und eine Lieferung Herrn Schenkenbergs an den jeweiligen Einzelhändler. Eine sonstige Leistung wird nicht erbracht. Zur Bemessungsgrundlage: Unterstellt, Herr Schenkenberg ist verpflichtet, den von ihm erzielten Bruttoerlös abzüglich 10 % Provision an die Lederfeld GmbH abzuführen. Wenn er dann Ware für € 119 000 (brutto) verkauft, ergibt sich folgende Berechnung: Schenkenberg muss an die Lederfeld GmbH 90 % von € 119 000, also € 107 100, zahlen. Dieser Betrag (abzüglich der enthaltenen USt) ist Bemessungsgrundlage für die Lieferung der Lederfeld GmbH an Herrn Schenkenberg. Die Bemessungsgrundlage beträgt damit € 90 000, die USt € 17 100. In nämlicher Höhe ist Herr Schenkenberg zum Vorsteuerabzug berechtigt. Herr Schenkenberg schuldet für die Lieferung an seine Abnehmer USt i. H. v. (€ 119 000/1,19 * 19 % =) € 19 000. Damit ergibt sich für ihn (unter Berücksichtigung der Vorsteuer) eine Zahllast von (€ 19 000 ./. € 17 100 =) € 1900.
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Zum Zeitpunkt der Lieferungen im Falle einer Lieferkommission: Regelmäßig ist eine Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär im Sinne der Umsatzsteuer erst dann anzunehmen, wenn auch der Kommissionär an seinen Abnehmer liefert. Der Lieferzeitpunkt für beide Lieferungen ist also regelmäßig derselbe. Zwar erhält der Kommissionär den Besitz an der Ware zumeist deutlich vor der Weiterveräußerung. Diese Besitzverschaffung ist aber noch keine Lieferung i. S. d. Umsatzsteuerrechts, weil dadurch wirtschaftliche Substanz – und damit Verfügungsmacht i. S. v. § 3 Abs. 1 UStG – noch nicht auf den Kommissionär übergeht.[18]