Umsatzsteuerrecht. Christian Möller
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Beispiel 1:
Unternehmer Uhle übergibt am 1. April in Hamburg Ware an den Kommissionär Kjell. Kjell transportiert die Ware am 3. April in sein Lager in Bremen. Am 5. April findet er einen Abnehmer in Oldenburg, an den er die Ware ausliefert. Der umsatzsteuerrechtliche Zeitpunkt beider Lieferungen ist der 5. April (Inlandssachverhalt).
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Beispiel 2 (Abwandlung):
Kjell ist in Dänemark ansässig. Dorthin verbringt er am 3. April die Ware und dort verkauft er sie am 5. April. Bejahte man auch hier eine Lieferung des Uhle an Kjell erst am 5. April, ergäbe sich für Uhle am 3. April nach deutschem Umsatzsteuerrecht ein (steuerbefreites) innergemeinschaftliches Verbringen. Vor allem müsste Uhle dann aber in Dänemark einen innergemeinschaftlichen Erwerb (entsprechend § 1a Abs. 2 deutsches UStG) und eine Lieferung an Kjell versteuern. Den damit verbundenen Verfahrensaufwand (das Verfahren würde dänischem Umsatzsteuerrecht unterliegen und in dänischer Sprache geführt werden), erspart die Finanzverwaltung dem Uhle. Nach der Vereinfachungsregelung[20] kann eine Lieferung des Uhle an Kjell bereits beim Grenzübertritt nach Dänemark bejaht werden. Dann hat Kjell den innergemeinschaftlichen Erwerb in Dänemark zu deklarieren und dort den Vorsteuerabzug vorzunehmen. Das fällt ihm – als dänischem Unternehmer – leichter als es Uhle fallen würde.
§ 5 Lieferung und sonstige Leistung › A. Lieferung › III. Gehaltslieferung
III. Gehaltslieferung
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Die Gehaltslieferung betrifft den Fall, dass ein Lieferer einem Abnehmer Gegenstände zur Bearbeitung oder Verarbeitung überlässt, und dass bei der Bearbeitung oder Verarbeitung Nebenerzeugnisse oder Abfälle entstehen, die der Abnehmer an den Lieferer zurückgibt. § 3 Abs. 5 UStG regelt, dass sich hier die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands beschränkt, der beim Abnehmer verbleibt.
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Beispiel:
Ein Landwirt liefert Zuckerrüben an eine Zuckerfabrik. Die Rübenschnitzel erhält er nach Verarbeitung zur Nutzung als Viehfutter zurück. Hier ist nach § 3 Abs. 5 UStG ausschließlich von einer Lieferung des extrahierten Zuckers durch den Landwirt an die Zuckerfabrik auszugehen. Verfehlt wäre es, einen Tausch mit Baraufgabe (Tausch von Zuckerrüben gegen Rübenschnitzel und Geld) anzunehmen.
§ 5 Lieferung und sonstige Leistung › A. Lieferung › IV. Innergemeinschaftliches Verbringen
IV. Innergemeinschaftliches Verbringen
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§ 3 Abs. 1a S. 1 UStG regelt den speziellen Umsatzsteuertatbestand des innergemeinschaftlichen Verbringens („IGV“). Danach gilt als Lieferung gegen Entgelt „das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung…“. Die Fiktion („gilt“) erklärt sich daraus, dass es tatsächlich an einer Leistung i. S. d. Umsatzsteuerrechts fehlt, weil mit dem verbringenden Unternehmer nur eine Person an dem Vorgang beteiligt ist („Innenumsatz“, s. bereits Rn 181).
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Zum Verständnis des IGV ist es wichtig, einen Überblick über weitere Regelungen des Mehrwertsteuerrechts zu haben, die damit in engem Zusammenhang stehen. Dabei ist zu beachten, dass die relevanten Vorschriften durch das Unionsrecht harmonisiert sind, in anderen Mitgliedstaaten also im Wesentlichen inhaltsgleich gelten.
• | Zunächst ist im Ausgangsmitgliedstaat die in § 3 Abs. 1a sowie § 4 Nr 1 lit. a) i. V. m. § 6a Abs. 2 UStG geregelte Steuerbefreiung zu beachten. Das IGV ist danach nicht nur hinsichtlich der Steuerbarkeit einer Lieferung (IGL) gleichgestellt; vielmehr findet auch die für eine IGL geltende Steuerbefreiung auch auf das IGV Anwendung (s. im Einzelnen Rn 487 ff). Das IGV ist danach im Ausgangsmitgliedstaat zwar steuerbar, aber regelmäßig steuerbefreit. |
• | Im Bestimmungsmitgliedstaat ist das IGV unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 2 UStG (bzw. der entsprechenden Vorschriften des ausländischen Rechts) einem innergemeinschaftlichen Erwerb (IGE) gleichgestellt und damit steuerbar. Nach § 1a Abs. 2 UStG gilt als IGE gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung. |
• | Ebenfalls im Bestimmungsmitgliedstaat kann der verbringende Unternehmer regelmäßig die durch den IGE ausgelöste Mehrwertsteuer als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr 3 UStG abziehen (Vorsteuerabzug). Im Einzelfall ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, so etwa i. d. R. bei beabsichtigter Verwendung zur Ausführung steuerfreier Ausgangsumsätze (§ 15 Abs. 2 S. 1 Nr 1 UStG). |
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In der Zusammenschau verwirklichen die Vorschriften zum IGV/IGE das Bestimmungslandprinzip, das das EU-Mehrwertsteuerrecht prägt (s. bereits Rn 60 f). Das Verbringen ist im Ausgangsmitgliedstaat steuerbar, aber regelmäßig steuerfrei. Zugleich ist es im Bestimmungsmitgliedstaat steuerpflichtig, die Steuerlast wird aber regelmäßig durch den Vorsteuerabzug des verbringenden Unternehmers neutralisiert. Im Ergebnis gelangen die verbrachten Gegenstände damit unbelastet von Mehrwertsteuer über die innergemeinschaftliche Grenze. Eine Belastung mit Mehrwertsteuer tritt erst ein, wenn im Bestimmungsmitgliedstaat an einen „Endverbraucher“ geliefert wird.
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Ein Verbringen ist innergemeinschaftlich, wenn der Gegenstand auf Veranlassung des Unternehmers vom Ausgangsmitgliedstaat in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt.[21] Der Gegenstand muss zudem im Ausgangsmitgliedstaat bereits dem Unternehmen zugeordnet gewesen sein und sich bei Beendigung der Beförderung oder Versendung im Bestimmungsmitgliedstaat weiterhin in der Verfügungsmacht des Unternehmers befinden.[22]
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Weitere Voraussetzung ist, dass der Gegenstand zu einer nicht nur vorübergehenden Verwendung durch den Unternehmer in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt. Mit dem negativen Tatbestandsmerkmal der „nicht nur vorübergehenden Verwendung“ in § 3 Abs. 1a UStG soll Richtlinienrecht umgesetzt werden. Art. 17 Abs. 2 MwStSystRL enthält indes nicht das genannte oder ein ähnliches Ausschlusskriterium.