Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier
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LG München I BtPrax 1997, 245 f.; BayObLG BtPrax 1998, 78 f.
Schimke Datenschutz und Betreuungsrecht, BtPrax 1993, 77; Pardey Informationelles Selbstbestimmungsrecht und Akteneinsicht – Zum Erfordernis verfassungskonformer Eingrenzung der Akteneinsichtsrechte in FGG-Verfahren, NJW 1989, 1650.
Schimke Datenschutz und Betreuungsrecht, BtPrax 1993, S. 74, 78.
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › XI. Die Gewährung von Akteneinsicht › 2. Rechtsprechungsbeispiele zur Akteneinsicht
2. Rechtsprechungsbeispiele zur Akteneinsicht
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Dem Betroffenen bzw. einem nichtanwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich Einsicht in die Betreuungsakten auf der Geschäftsstelle und die Fertigung von Kopien zu gestatten. Die Nichterhebung von Auslagen für Ablichtungen wird dabei insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Einsichtsberechtigte geltend macht, dass er aus sachlichen Gründen benötigte Schriftstücke noch nicht erhalten habe oder aus nachvollziehbaren Gründen über diese nicht (mehr) verfüge.
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Der schriftlichen Anforderung von zu kopierenden Aktenbestandteilen muss nur entsprochen werden, wenn geltend gemacht werden kann, dass ein Aufsuchen der Geschäftsstelle zum Zweck des eigenhändigen Kopierens unzumutbar ist oder die angeforderten Schriftstücke zuvor unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht von Amts wegen übermittelt wurden.[1]
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Über die Gewährung der in einem Betreuungsverfahren beantragten Akteneinsicht ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten zu entscheiden. Dabei ist auf Seiten des Betroffenen insbesondere dessen informationelles Selbstbestimmungsrecht zu beachten, das als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist.
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Die Ablehnung der Akteneinsicht durch den geschäftsfähigen Betroffenen führt grundsätzlich dazu, dass selbst einem beschwerdeberechtigten nahen Angehörigen die zum Zwecke der Begründung der Beschwerde beantragte Akteneinsicht zu verweigern ist.[2]
Anmerkungen
OLG München FamRZ 2006, 1621 = Rpfleger 2006, 603.
LG Saarbrücken FamRZ 2009, 1000.
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › XII. Die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen
XII. Die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen
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§ 275 FamFG stellt fest (abweichend von § 9 FamFG), dass der Betroffene in allen Verfahren, die die Betreuung betreffen, uneingeschränkt verfahrensfähig ist. Es heißt dort wortwörtlich: „In Betreuungssachen ist der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig“ Die Fähigkeit zur Bildung eines natürlichen Willens ist nicht Voraussetzung für die Verfahrensfähigkeit.[1] Es ist jedoch zu klären, ob der Betroffene überhaupt eine mündliche, schriftliche oder konkludente Verfahrenserklärung abgab.
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Die Verfahrensfähigkeit ist die Fähigkeit des Betroffenen, in einem Verfahren als Beteiligter zu agieren und entspricht der Prozessfähigkeit im Zivilprozess, § 52 ZPO. Die Gewährleistung der vollen Verfahrensfähigkeit in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren (Parallelvorschrift für Unterbringungsverfahren in § 316 FamFG) seit 1992 durch den Reformgesetzgeber des BtG stellte sich als ein Kernstück des seinerzeit neuen Verfahrensrechts dar. Damit wurden die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Betroffene nicht zu einem bloßen Objekt von Verfahrenshandlungen und das Betreuungsverfahren insgesamt zu einem Entmündigungsverfahren alter Couleur verkommt.
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Der Betroffene ist durch diese Vorschrift in die Lage versetzt, seinen Willen nach besten Kräften selbst zu vertreten, ohne auf andere, insbesondere gesetzliche Vertreter, angewiesen zu sein.[2] Der Betroffene kann in allen Instanzen alle aus seiner Sicht gebotenen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergreifen.[3] Dementsprechend kann der Betroffene Prozessvollmacht[4] erteilen, Richter und Sachverständige ablehnen, Verfahrenskostenhilfe beantragen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehren etc. § 275 FamFG hat allerdings auch zur Konsequenz, dass der Betroffene ggf. nachteilige Rechtshandlungen vornimmt, wie beispielsweise die Erklärung einer Antragsrücknahme oder eines Rechtsmittelverzichts. Hiergegen wurde teilweise im Gesetzgebungsverfahren zum BtG Kritik angebracht, mit dem Argument, dass damit der Charakter der Schutzvorschrift untergraben werden würde.
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Besteht auf Seiten des Gerichts der Eindruck, dass der Betroffene seine Interessen nicht ausreichend im anhängigen Betreuungsverfahren wahrnehmen kann, so ist ihm von Amts wegen ein Verfahrenspfleger nach § 276 FamFG zu bestellen. Hiervon wird jedoch in keiner Weise die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen tangiert. Andererseits ist der Verfahrenspfleger in seiner Eigenschaft als objektiver Vertreter der Interessen des Betroffenen nicht an dessen Weisungen gebunden, so dass unterschiedliche Anregungen oder sich widersprechende Verfahrenshandlungen der Verfahrensbeteiligten möglich sind.
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Das Gericht ist aufgerufen, die Verfahrensäußerungen beider Beteiligter gleichermaßen zu berücksichtigen. Im Rahmen der dem Gericht obliegenden Amtsermittlung nach § 26 FamFG ist es ohnehin gehalten, die nach Lage der Dinge geeignet erscheinenden Beweise zu erheben und die für eine Entscheidungsfindung objektiv erforderlichen Tatsachen zu eruieren. Die voneinander abweichenden Äußerungen der Beteiligten sind auf diesem Hintergrund unschädlich. Allerdings ist es in jedem Fall Aufgabe des Verfahrenspflegers zu vereiteln, dass personell überlastete Gerichte in scheinbar „klaren Fällen“ den so genannten kurzen Prozess machen.
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Beispiel
Die vermögende Betreute B findet ihren Betreuer „scheußlich“ und beauftragt Rechtsanwältin R., ein Entlassungsgesuch bei dem zuständigen Betreuungsgericht einzureichen. Rechtsanwältin R. trifft mit der Betreuten eine Honorarvereinbarung, die einen Stundensatz von 200 € ausweist. Unter Vorlage einer der Kopie der Honorarvereinbarung schreibt Rechtsanwältin R. den Betreuer an und fordert diesen zur Zahlung eines Kostenvorschuss in Höhe von fünf Stunden à 200 €, mithin 1.000 € zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer auf. Zu Recht?