Handbuch Betreuungsrecht. Sybille M. Meier
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Die Beteiligungsrechte der Angehörigen des Betroffenen sind durch das FamFG seit 1.9.2009 verschlechtert worden. Während zuvor die Gelegenheit zur Stellungnahme obligatorisch war, ist eine verpflichtende Anhörung nach § 279 Abs. 1 FamFG nur noch dann gegeben, wenn der Angehörige einen Antrag auf Hinzuziehung als Verfahrensbeteiligter gestellt und diesem vom Gericht entsprochen wurde, § 274 Abs. 4, 7 Abs. 5 FamFG. Die in der Bestimmung genannten Angehörigen sind der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner, die Eltern, Pflegeeltern, Großeltern, Abkömmlinge und Geschwister des Betroffenen und eine Person seines Vertrauens. Sie sind gem. § 7 Abs. 4 FamFG auf ihr Antragsrecht hinzuweisen. Fraglich ist, wieweit die Amtsermittlungspflicht geht, um die Adresse solcher Angehörigen ausfindig zu machen, insbesondere, wenn der Betroffene keine Angaben machen will oder kann.
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Hinweis
Angehörige des Betroffenen müssen, wenn sie nicht von Amts wegen zu dem Verfahren hinzugezogen werden, § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG, durch das Stellen eines Antrages nach § 7 Abs. 4 FamFG vorgreiflich auf eine Verfahrensbeteiligung hinwirken. Die Beteiligung kann aber auch konkludent, zum Beispiel durch Übersendung von Schriftstücken und Ladung erfolgen.[5]
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Die Hinzuziehung der genannten Personen als Verfahrensbeteiligte liegt im Ermessen des Betreuungsrichters. Er soll hiernach berücksichtigen, ob die Hinzuziehung im Interesse des Betroffenen liegt. Gegen den Beschluss, durch den eine Hinzuziehung abgelehnt wird, ist die sofortige Beschwerde binnen 14 Tagen möglich (§ 7 Abs. 5 FamFG, §§ 567 ff. ZPO). Die Beteiligtenstellung kann jeweils nur für ein konkretes, nicht für alle zukünftig anhängig werdenden Verfahren erlangt werden.[6]
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Beispiel
Der Bruder der Betroffenen wurde in dem anhängigen Betreuungsverfahren wegen Bestellung eines Betreuers zugunsten seiner Schwester beteiligt. Es wurde ein familienfremder Betreuer bestellt. Nach einem Jahr erhebt der Bruder schwere Vorwürfe gegen die Amtsführung des Betreuers. Im Rahmen des betreuungsgerichtlichen Aufsichtsverfahrens nach §§ 1908i, 1837 Abs. 2 BGB ist der Bruder nicht beteiligt und dementsprechend nicht beschwerdeberechtigt. Dies ergibt sich aus § 274 Abs. 4 FamFG, in dem die Beteiligung naher Verwandter beschränkt ist auf Verfahren über die Bestellung eines Betreuers, der Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes.
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Die Anhörung des vorbezeichneten Personenkreises muss jedoch unterbleiben, wenn der Betroffene mit erheblichen Gründen widerspricht. Damit der Betroffene der beabsichtigten Anhörung entgegentreten kann, ist er seitens des Gerichtes von der beabsichtigten Anhörung zu unterrichten. Das Gericht darf also nicht hinter dem Rücken des Betroffenen Angehörigen Gelegenheit zur Äußerung einräumen. Das Betreuungsgericht muss im Falle der Ausübung des Widerspruchsrechtes durch den Betroffenen dessen schutzwürdige Belange (z.B. Wahrung seiner Intimsphäre) mit den Interessen Beteiligten abwägen.[7]
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Nach § 279 Abs. 3 FamFG kann der Betroffene verlangen, dass eine Vertrauensperson Gelegenheit zur Äußerung erhält. Das Gericht muss diesem Begehren allerdings nur dann entsprechen, wenn hierdurch keine Verfahrensverzögerung eintritt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der Betroffene ein an sich entscheidungsreifes Verfahren beispielsweise durch das Benennen schwer erreichbarer Personen zeitlich in die Länge ziehen kann.[8]
Anmerkungen
BT-Drs. 11/4528, 173.
BT-Drs. 11/4528, 174.
BVerfG BtPrax 1998, 144 f.
Details bei Deinert/Walther Handbuch Betreuungsbehörde, 4. Aufl. 2014.
BGH NJW 2014, 1885.
KG ZEV 2014, 163.
BT-Drs. 11/4528, 174.
BT-Drs. 11/4528, 174.
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › XI. Die Gewährung von Akteneinsicht
B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines Betreuers › XI. Die Gewährung von Akteneinsicht › 1. Grundsatz
1. Grundsatz
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In dem so genannten Volkszählungsurteil[1] statuierte das BVerfG das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, resultierend aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG und dem Recht auf Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG. Der Stellenwert des Datenschutzes kann nach Aussage unseres höchsten Gerichtes nicht hoch genug veranschlagt werden.
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Der wesentliche Inhalt des informationellen Selbstbestimmungsrechts besteht darin, dass ausschließlich der Einzelne über die Verwendung und Preisgabe seiner Daten bestimmen kann. Einschränkungen dieses Persönlichkeitsschutzes sind nur statthaft im überwiegenden Interesse des Allgemeinwohls. Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die nur unter strikter Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes zulässig sind, bedürfen danach einer präzisen, bereichsspezifischen und normklaren gesetzlichen Grundlage.[2] Das BVerfG hatte dem Gesetzgeber im Rahmen einer Übergangsfrist aufgegeben, für alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung „bereichsspezifische Datenschutzgesetze“ zu schaffen.[3] Dem Gesetzgeber des Betreuungsrechts ist vorzuwerfen, dass lediglich in