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Besonderes Verwaltungsrecht - Группа авторов C.F. Müller Lehr- und Handbuch

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zu[885]. Um diesen zu erfüllen, bedarf die Behörde allerdings einer Ermächtigungsgrundlage gegenüber dem Bauherrn, die wiederum regelmäßig im Ermessen steht. Hier ist es dann die Folgenbeseitigungslast, die die Bauaufsichtsbehörde regelmäßig zu einem Einschreiten verpflichtet[886].

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      Zu einer besonderen Konstellation im baurechtlichen Nachbarschutz kann es durch die im Zuge der Deregulierung eingeschränkten Prüfprogramme im Baugenehmigungsverfahren kommen, insbesondere bei der vereinfachten Baugenehmigung. Denkbar ist nunmehr ein Verstoß gegen eine nachbarschützende Vorschrift, die außerhalb des Prüfungsprogramms der Bauaufsichtsbehörde liegt (etwa Regelungen zu Abstandsflächen[887]). Da die Feststellungswirkung der (vereinfachten) Baugenehmigung nur auf die zu prüfenden Vorschriften beschränkt ist, würden hier Anfechtungswiderspruch bzw. -klage ins Leere zielen[888]. Vielmehr muss der Nachbar im diesem Fall einen Anspruch auf behördliches Einschreiten geltend machen[889]. Es kann damit zu einer Aufspaltung oder Zweigleisigkeit des öffentlichen Nachbarrechtsschutzes kommen, sofern die Anlage sowohl gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt, die innerhalb des Prüfprogramms liegen, als auch gegen solche, die nicht mehr vom Prüfungsprogramm umfasst sind[890]. Anfechtungsklage gegen die (vereinfachte) Baugenehmigung und Verpflichtungsklage auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde müssen dann kombiniert werden (§ 44 VwGO).

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      Schließlich bietet auch die Möglichkeit der Bauaufsichtsbehörde, die Baugenehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses zu versagen, dem Nachbarn keinen Ausweg aus dem Problem der Aufspaltung des Rechtsschutzes. So kann die Baugenehmigung nicht etwa mit dem Argument angefochten werden, die Bauaufsichtsbehörde hätte im Wege des Sachbescheidungsinteresses die an sich außerhalb des Prüfungsprogramms liegenden nachbarschützenden Normen doch einbeziehen und die Baugenehmigung bei erkannten Verstößen versagen müssen. Denn die Möglichkeit der Ablehnung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses erweitert einzig die Handlungsmöglichkeiten der Bauaufsichtsbehörde und ist nicht drittschützend[891]; eine entsprechende Ablehnung des Bauantrags stellt für den Nachbarn lediglich einen günstigen „Rechtsreflex“ dar[892]. Selbst wenn man diejenigen Regelungen, die die Ablehnung der Baugenehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses ausdrücklich vorsehen[893], als Ermessensnorm verstehen wollte, so diente das Ermessen jedenfalls nicht nachbarlichen Interessen[894]. Allerdings führt die Möglichkeit der Bauaufsichtsbehörde, Bauanträge wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses abzulehnen, in der Tat dazu, dass es letztlich in ihrer Hand liegt, ob sich der Nachbar oder der Bauherr im späteren Rechtsschutzverfahren in der Angreiferrolle wiederfindet[895].

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      Bei der Entscheidung über den Antrag auf behördliches Einschreiten stellt sich analog zur Verfahrens- bzw. Genehmigungsfreistellung schließlich auch beim vereinfachten Genehmigungsverfahren die Frage, ob bei einem Anspruch auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde das behördliche Ermessen aus kompensatorischen Gründen reduziert ist[896]. Dies wird mit den oben dargelegten Argumenten zu bejahen sein[897]. Insgesamt zeigt sich, dass die im Zuge der Deregulierung eingeschränkten Prüfprogramme den Rechtsschutz des Nachbarn nicht unwesentlich verkompliziert und damit letztlich weniger bürgerfreundlich gemacht haben[898].

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      Gem. § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Laut § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO gilt dies auch für Verwaltungsakte mit Doppelwirkung. Bliebe es bei diesen Regeln, bräuchte ein Nachbar lediglich Widerspruch bzw. Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung einzulegen, um den Bauherrn vorerst am Bauen zu hindern. § 212a Abs. 1 BauGB sieht indes gerade für die dargestellte Konstellation eine Ausnahme vor; dieser Regelung zufolge entfällt nämlich die aufschiebende Wirkung der genannten Rechtsbehelfe[899]. Möchte der Nachbar also verhindern, dass der Bauherr sein Bauwerk im Laufe des Hauptsacheverfahrens bereits errichtet und damit vollendete Tatsachen schafft, ist er auf den vorläufigen Rechtsschutz angewiesen.

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      Bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung wie der Baugenehmigung richtet sich der Eilrechtsschutz nach § 80a VwGO. Danach hat der Nachbar theoretisch drei Möglichkeiten, um die von ihm begehrte aufschiebende Wirkung seiner Rechtsmittel zu erreichen: Er kann erstens gem. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO bei der Ausgangsbehörde die Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung sowie den Erlass einstweiliger Maßnahmen zur Sicherung seiner Rechte beantragen[900]. Wie sich aus dem Verweis von § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO auf § 80 Abs. 4 VwGO ergibt, kann der Nachbar zweitens das Gleiche für die Dauer des Widerspruchsverfahrens auch bei der Widerspruchsbehörde tun[901]. Vor allem aber kann er nach § 80a Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO bei Gericht die Aussetzung der sofortigen Vollziehung beantragen[902]. In der Praxis hat allein der gerichtliche vorläufige Rechtsschutz Bedeutung[903]. Dabei kann sich der antragstellende Nachbar gleich an das Gericht wenden, ohne zuvor bei der Behörde nach § 80 Abs. 6 VwGO einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt zu haben[904]. Voraussetzung für die Aussetzungsentscheidung ist nach § 80a Abs. 1 VwGO, dass bereits ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, der bei positiver Entscheidung aufschiebende Wirkung entfalten kann[905].

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      Missachtet der Bauherr in der Folge eine auf diesem Wege erlassene gerichtliche Aussetzung der sofortigen Vollziehung und beginnt mit dem Bau bzw. setzt die Bauarbeiten fort, kann der Nachbar in entsprechender Anwendung des § 80a Abs. 3 S. 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO bei Gericht beantragen, die aufschiebende Wirkung festzustellen und gegebenenfalls Sicherheitsmaßnahmen zu erlassen[906]. Als Sicherungsmaßnahmen gegen eine solche faktische Vollziehung der Baugenehmigung kommen vor allem eine Baueinstellung oder eine Nutzungsuntersagung in Betracht[907]. Ein auf § 123 VwGO gestützter Antrag auf Erlass derartiger Sicherungsmaßnahmen ist hingegen nicht zulässig[908]; er kann allerdings in einen Antrag nach § 80a Abs. 3 S. 1, Abs. 1 Nr. 2 VwGO umgedeutet werden[909]. Auf der Ebene der Begründetheit ist dann allein Gegenstand der Prüfung, ob eine aufschiebende Wirkung tatsächlich missachtet wird[910].

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      Die Maßstabsbildung für die Begründetheit des Antrags auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung ist dem § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO (analog) zu entnehmen, auf den § 80a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO verweist[911]. Danach soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen[912]. Ob dies der Fall ist, richtet sich maßgeblich nach den Erfolgsaussichten der Hauptsache. Hierfür nimmt das Gericht eine summarische Prüfung vor[913]. Nur wenn die Erfolgsaussichten offen sind (non liquet), kommt es zu einer Interessenabwägung[914]: Für den Bauherrn und damit das Vollzugsinteresse mag die gesetzliche Wertung in § 212a BauGB sprechen[915]. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Errichtung eines Bauwerks vollendete Tatsachen schaffen würde, die bei Erfolg in der Hauptsache kaum mehr rückgängig gemacht werden könnten[916]. Diese Überlegung führt in der Praxis regelmäßig dazu, dem Suspensivinteresse des Nachbarn den Vorrang einzuräumen[917].

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      Die Deregulierung hat freilich auch Auswirkungen auf den vorläufigen Rechtsschutz. Denn ist eine bauliche Anlage nicht (mehr) genehmigungspflichtig, muss der Nachbar – wie zuvor schon beim Schwarzbau oder bei Überschreiten der Baugenehmigung durch den Bauherrn – ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde beantragen. In der Hauptsache sind Verpflichtungswiderspruch und -klage statthaft, der vorläufige Rechtsschutz

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