Besonderes Verwaltungsrecht. Группа авторов

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Besonderes Verwaltungsrecht - Группа авторов C.F. Müller Lehr- und Handbuch

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eine im Hauptsacheverfahren begehrte (Abriss-)Verfügung der Bauaufsichtsbehörde mit der Zeit immer unwahrscheinlicher wird, da die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme mit Fortschreiten der Bauarbeiten absinkt[918]. Der Nachbar ist also gehalten, möglichst frühzeitig zu reagieren.

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      Allerdings können in dieser Konstellation für den Nachbarn einige Hindernisse bei der Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes ausgemacht werden. Zum einen spielt das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache eine wichtige Rolle[919]. So kann eine Abrissverfügung – zu Recht – grundsätzlich nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes erreicht werden[920]; vielmehr ist an eine Baueinstellung zu denken[921]. Zum anderen besteht auch hier – ebenso wie im Hauptsacheverfahren – Streit darüber, ob jede Verletzung einer nachbarschützenden Norm das behördliche Ermessen beim Eingreifen schrumpfen lässt. Dies wird überwiegend bejaht, um den Nachbarn wieder so zu stellen, wie wenn es eine Baugenehmigung gäbe, und den Wegfall des für ihn günstigeren Verfahrens nach §§ 80, 80a VwGO zu kompensieren[922]. Diskutiert wird zudem, ob die Anforderungen an die Glaubhaftmachung (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) abgesenkt werden sollten, um eine weitere Angleichung der Anforderungen der Rechtsbehelfe nach §§ 80, 80a VwGO auf der einen und nach § 123 VwGO auf der anderen Seite zu erreichen[923]. Schließlich wirkt sich die Problematik des gespaltenen Rechtsschutzes auch im vorläufigen Rechtsschutz aus[924], so dass – gerade im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren – bisweilen ein Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO mit einem Antrag nach § 123 VwGO kombiniert werden muss.

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      Freilich birgt auch für den Bauherrn der vom Nachbarn angestrengte vorläufige Rechtsschutz Risiken. Hingewiesen sei nur auf das Schadensrisiko des Bauherrn, das dieser etwa nach einer Baueinstellung, die über § 123 VwGO erwirkt wurde, tragen muss. Denn während im Zivilprozess in einer zweipoligen Konstellation demjenigen, der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unterlegen war, nun aber in der Hauptsache obsiegt, ein Schadensersatzanspruch nach § 945 ZPO zusteht, geht der Bauherr im Verwaltungsprozess in der hier dreipoligen Situation leer aus[925]. Zwar findet § 945 ZPO über § 123 Abs. 3 VwGO durchaus Anwendung. Allerdings ist im Nachbarrechtsstreit der Bauherr nicht Gegner, sondern lediglich als Beigeladener beteiligt (§§ 63 Nr. 3, 65 VwGO). Gegner bleibt grundsätzlich der Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde[926]. Vereinzelt wird für die Freistellungsverfahren eine analoge Anwendung des § 945 ZPO befürwortet, da mit dem Wegfall der präventiven Prüfung gerade eine Entstaatlichung des bauaufsichtlichen Verfahrens und eine Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten bezweckt worden sei, so dass der Bauherr nunmehr der eigentliche Gegner sei[927]. Diese Ansicht verkennt allerdings, dass dies zu einer weiteren Benachteiligung des Nachbarn bei genehmigungsfreigestellten Vorhaben führen würde: Neben dem Wegfall des für ihn günstigeren Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO wäre er zusätzlich noch mit etwaigen Schadensersatzforderungen konfrontiert[928].

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      Der Nachbar ist aber nicht ausschließlich auf den vorstehend beschriebenen öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz verwiesen. Alternativ oder parallel besteht die Möglichkeit, privatrechtlichen Rechtsschutz zu suchen[929]. Dafür maßgebend sind zum einen die Normen des BGB, zum anderen die in den Ländern bestehenden Nachbarrechtsgesetze[930]. Gem. § 1004 BGB (ggf. analog) kann der Inhaber eines absoluten Rechts einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch geltend machen (sog. negatorischer Anspruch)[931]. In Verbindung mit § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB gilt dies auch für deliktisch geschützte Rechtsgüter (sog. quasinegatorischer Anspruch)[932]. Die Nachbarrechtsgesetze, die gem. Art. 124 EGBGB fortgelten, beinhalten Regelungen etwa zum Abstand von Lichtöffnungen, zur Einfriedung von Grundstücken oder zur Nutzung des Nachbargrundstücks für temporäre Gerüstaufstellungen.

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      Das Öffentliche Recht bleibt von der daraus entstehenden partiellen Normenkonkurrenz unbeeindruckt[933]. So werden die Baugenehmigungen nach den Landesbauordnungen denn auch „unbeschadet privater Rechte Dritter“ erteilt[934]. Schwieriger ist der Einfluss des Öffentlichen Rechts auf das Zivilrecht im Nachbarrecht zu bestimmen[935]. Während die Baugenehmigung nicht zu einer Duldungspflicht des Nachbarn nach § 1004 Abs. 2 BGB führt[936], kann umgekehrt die Einhaltung behördlicher Auflagen vom begünstigten Nachbarn zivilrechtlich durchgesetzt werden[937]. Eine gewisse Harmonisierung von öffentlichem und privatem Baurecht erfolgt zwar im privaten Immissionsschutzrecht über die Auslegung des § 906 BGB[938]. Gem. § 906 BGB besteht für den Nachbarn eine gesetzliche Duldungspflicht (§ 1004 Abs. 2 BGB), soweit die Einwirkung nur eine unwesentliche Beeinträchtigung darstellt oder als „ortsübliche Benutzung“ angesehen werden kann. Für die Ortsüblichkeit stellt sich aber die Frage, ob auf den Bebauungsplan (soweit vorhanden) oder auf die tatsächliche Situation abzustellen ist. Zum Ärger der Öffentlichrechtler hat sich der BGH jedoch für letzteres entschieden und damit wieder für eine Trennung zwischen privatem und öffentlichem Nachbarrecht gesorgt[939].

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      Anmerkungen

       [1]

      Herzlich danke ich meinem ehemaligen Mitarbeiter Herrn Johannes Schäuble (Erstauflage) und meiner Mitarbeiterin Frau Hanna Buck (Zweitauflage) für ihre hilfreichen Recherchen.

       [2]

      Vgl. aber Christoph Möllers, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 70 (2011), S. 355.

       [3]

      Eberhard Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 22004, 1/14.

       [4]

      Andreas Voßkuhle, „Schlüsselbegriffe“ der Verwaltungsrechtsreform, VerwArch 92 (2001), S. 184 (207 f.).

       [5]

      Georg Franck, Die urbane Allmende. Zur Herausforderung der Baukultur durch die nachhaltige Stadt, Merkur 65 (2011), S. 567 ff.

       [6]

      Zu Steuerungsbegriff und Steuerungswirkung des Rechts s. Andreas Voßkuhle, Neue Verwaltungsrechtswissenschaft, in: Wolfgang Hoffmann-Riem/Eberhard

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