Besonderes Verwaltungsrecht. Группа авторов
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![Besonderes Verwaltungsrecht - Группа авторов Besonderes Verwaltungsrecht - Группа авторов C.F. Müller Lehr- und Handbuch](/cover_pre1171346.jpg)
Gerade dieser Einsatz hatte die Raumordnung bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig in Misskredit gebracht. Die NS-Zeit hinterließ überdies eine allgemeine Abneigung gegen staatliche Planung[27]. Auf der anderen Seite setzte sich durch die verstärkte Bevölkerungsdichte infolge des Flüchtlingsstroms sowie durch die Notwendigkeit eines umfassenden Wiederaufbaus der zerstörten Städte und den immer stärker werdenden Trend zur Bildung von Ballungsräumen die Erkenntnis durch, dass eine umfassende Raumordnung unabdingbar war. Die in den einzelnen Ländern ergangenen Aufbaugesetze aus den Jahren 1948 bis 1952[28] sahen somit eine Abstimmung der gemeindlichen mit der überörtlichen Planung vor. Zudem entstanden in den Ländern Bayern und NRW[29] Landesplanungsgesetze, welche die Landesplanung als übergeordnete, zusammenfassende und überörtliche Planung beschrieben. Jedoch hatte die Raumordnung weiterhin mit großem Misstrauen zu kämpfen. Insbesondere betrachteten die Bundesländer die Raumplanung weiterhin primär als Länderangelegenheit[30], obwohl ihnen die zur wirkungsvollen Landesplanung notwendigen Instrumente noch fehlten. Die Planer gingen davon aus, dass es dem Wesen der Landesplanung entspräche, wenn sie ihre Vorstellungen im freiwilligen Ausgleich der Interessen durchsetzen würden. Dies sollte durch die Überzeugung der jeweiligen Beteiligten geschehen (persuasorische Landesplanung[31]).
II. Die Phase der Planungseuphorie
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Die entscheidende Aufwertung erfuhr das Raumordnungsrecht durch § 1 Abs. 4 des Bundesbaugesetzes von 1960. Diese Bestimmung verlangte ebenso wie nunmehr § 1 Abs. 4 BauGB, dass die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. Im Anschluss daran erkannte auch die Bundesregierung in einer Erklärung vom November 1961 ausdrücklich an, dass die Raumordnung ein notwendiger Bestandteil einer verantwortungsbewussten Wirtschaftspolitik sei[32]. Diese Anerkennung der Raumordnung hatte den Erlass weiterer Landesplanungsgesetze in den Ländern Baden-Württemberg[33], Hessen[34], Rheinland-Pfalz[35] und Saarland[36] in den Jahren 1962 bis 1966 zur Folge. Den vorläufigen Abschluss dieser Entwicklung bildete das Raumordnungsgesetz vom 8. April 1965[37].
Zwar ist das Bundesraumordnungsgesetz in mancher Hinsicht noch der vorangegangenen Phase verpflichtet gewesen – so begnügte sich der Bund, obwohl ihm das BVerfG im Baurechtsgutachten von 1954[38] kraft Natur der Sache eine Vollkompetenz für die Raumordnung im Gesamtstaat zugesprochen hatte, auf Drängen der Länder[39] damit, seine damals bestehende Rahmenkompetenz gemäß Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GG a.F. wahrzunehmen. Daher enthielt das Raumordnungsgesetz zunächst lediglich einige Ansätze für eine Bundesraumordnung, die im weiteren Verlauf aber immer detaillierter ausgestaltet wurden. Mit Inkrafttreten des Bundesraumordnungsgesetzes wurde die Raumordnung jedoch endgültig als Staatsaufgabe etabliert.
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Mit der Überwindung der Rezession von 1966/67 gewann die staatliche Planung erheblich an Ansehen. Gerade die staatliche Planungsaktivität als „Tochter der Krise“ galt als maßgebliche Ursache für die Bewältigung der Wirtschaftsprobleme. Die Aufwertung staatlicher Planung zeigte sich nachhaltig in der Ländergesetzgebung zur Landesplanung. Die zunehmende „Vergesetzlichung“ oder „Parlamentarisierung der Landesplanung“[40] machte deutlich, dass Planung mehr und mehr als eine Aufgabe angesehen wurde, die der Exekutive und der Legislative gemeinsam zustand[41].
Auch in diesen Jahren der Planungseuphorie[42] konnte in der Praxis jedoch weder eine integrierte Entwicklungsplanung in vollem Umfang verwirklicht werden, noch konnte von einer gezielten Lenkung und Verknüpfung des Finanzeinsatzes mit den Zielen der Landesplanung die Rede sein. Häufig wurde der für die Koordinierung zuständige Raumordnungs- bzw. Landesplanungsminister von den für die Mittelvergabe zuständigen Fachressorts nicht einmal umfassend informiert.
III. Die Phase der Planungsernüchterung und Konsolidierung
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Mit der Energiekrise von 1973 war erneut ein deutliches Abflachen des Wirtschaftswachstums verbunden. Damit einher ging eine gewisse Enttäuschung über das mit der Raumordnung und Landesplanung bisher Erreichte[43]. Dies führte zu einer neuen Diskussion über die Bedeutung der Planung, insbesondere der zentralen Entwicklungsplanung.
Auf der einen Seite erschien eine ordnende Gestaltung durch einheitliche Planung notwendig, da sich durch die neu geschaffenen Erwerbsmöglichkeiten im Industrie- und Dienstleistungsbereich große Verdichtungsräume wie der Großraum Berlin oder das Rhein-Main-Gebiet gebildet haben, die nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtfläche ausmachen, aber über die Hälfte der Bevölkerung aufnahmen. Auch hatte sich durch den hohen Grad an Motorisierung und die damit verbundenen veränderten Lebensgewohnheiten das Verhältnis des Menschen zum Raum verändert: Durch die Trennung von Wohnort und Arbeitsplatz, die Nutzung der Bildungs-, Kultureinrichtungen und Naherholungsgebiete mehrerer Gemeinden veränderte sich die Struktur dieser Gebiete erheblich[44].
Auf der anderen Seite betrachtete man eine Totalplanung als durchaus freiheitsgefährdend. Während in den Jahren der Planungseuphorie der Versuch im Vordergrund stand, einen möglichst gleichen Stand der Arbeits- und Lebensbedingungen mittels zentraler Planung zu erreichen, begann man sich nun wieder auf die freiheitssichernden Grenzen staatlicher Planung zu besinnen, die aus den Grundrechten – verstanden als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat – und dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind[45].
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Damit einher ging eine gewisse Planungsernüchterung[46]. Jedoch war diese Entwicklung auch eine Chance für Raumordnung und Landesplanung, welche nicht mehr der Gefahr ausgesetzt waren, dass überzogene Erwartungen an sie geknüpft wurden, die sie ohnehin nicht erfüllen konnten. Zentrale Entwicklungsplanung hatte weiterhin eine durchaus nicht geringe Bedeutung, wenn auch begrenzt durch die stärkere Betonung der Freiheitsrechte. Somit offenbarten sich zu der Zeit der Planungsernüchterung die klaren Grenzen staatlicher Raumordnungspolitik. Angesichts der Freiheitsrechte scheiden etwa Umsiedlungsgebote in dünn besiedelte ländliche Räume oder Zuzugsverbote in Ballungsgebiete als mögliche Mittel der Raumordnung jedenfalls aus. Das bestehende Wirtschaftssystem, das trotz der so genannten wirtschaftlichen Neutralität des Grundgesetzes[47] wegen der Grundrechte aus Art. 14 und 12, 2 Abs. 1 GG nicht in eine sozialistische Planwirtschaft umgestaltet werden darf[48], lässt keine Festsetzung von Produktionszahlen für Wirtschaftszweige und Regionen und – anders als in einer staatlich und zentral gelenkten Wirtschaft – nur begrenzt staatliche Sonderbestimmungen zu[49].
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Entscheidend ist zudem, dass die Grundrechte nicht nur Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat sind. Die öffentliche Hand ist vielmehr auch gehalten, im Bereich der darbietenden und vorsorgenden Verwaltung günstige tatsächliche Voraussetzungen für die Verwirklichung der Grundrechte zu schaffen. Zwar begründet dies keinen Rechtsanspruch auf bestimmte staatliche Maßnahmen, aber die Optimierung der Grundrechte muss eine Richtlinie staatlicher Planung sein[50]. Dies gilt insbesondere für das in Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip. Dieses Prinzip, das zu den unabänderlichen Grundentscheidungen der Verfassung zählt, ist als Auftrag, Handlungs- und Auslegungsrichtlinie an Gesetzgeber, Verwaltung und Rechtsprechung gerichtet. Es dient der Herstellung sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit und ist darauf angelegt, einen Zustand zu schaffen, in dem jeder Bevölkerungsgruppe die wirtschaftliche und kulturelle Lebensmöglichkeit auf einem angemessenen Niveau ermöglicht wird[51]. Dazu sind Raumordnung und Landesplanung unverzichtbar, da soziale Ungleichheiten nicht selten im Zusammenhang mit räumlichen Strukturen stehen. Der Auftrag der Raumordnung besteht also auch darin, mittels raumordnungsrechtlichen Maßnahmen die Voraussetzungen für wertgleiche