Handbuch des Strafrechts. Группа авторов
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Im Juli 1997 stellte das Land Hessen, geführt von einer rot-grünen Landesregierung (SPD/Grüne; Hans Eichel), einen Diskussionsentwurf[34] vor, der die Aufnahme eines Achten Titels in den AT (Verbandsstrafe und Maßregeln, §§ 76b–76h StGB) vorschlug. Als Sanktion war insb. die Verbandsgeldstrafe vorgesehen, als Maßregeln sollten Weisungen und die treuhänderische Zwangsaufsicht möglich sein. Rund ein Jahr später stellte die 69. Justizministerkonferenz in Rostock-Warnemünde (17./18. Juni 1998) fest, im Hinblick auf die Unternehmenskriminalität und im Einklang mit der Entwicklung im Ausland und bei internationalen Rechtsinstrumenten bestehe die Notwendigkeit, die Sanktionsmöglichkeiten zu verbessern.[35] Bereits am 9. Juli 1998 präsentierte das Land Hessen einen Entschließungsantrag „zur Einführung strafrechtlicher Verantwortlichkeit für juristische Personen und Personenvereinigungen“ (BR-Drs. 690/98), der rund 11 Monate später, am 8. Juni 1999, durch die neue schwarz-gelbe Landesregierung (CDU/FDP; Roland Koch) zurückgenommen wurde (BR-Drs. 385/99).
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Im Januar 1998 setzte der damalige, einer schwarz-gelben Koalition (CDU/CSU/FDP; Helmut Kohl) angehörende Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig (FDP) eine Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems ein, die aus Vertretern der Wissenschaft und Praxis, des Bundesjustizministeriums und der Justizverwaltungen der Länder bestand. Vorausgegangen war u.a. eine Große Anfrage der SPD-Fraktion zur „Besonderen Verantwortlichkeit von Unternehmen“ (BT-Drs. 13/9682). Bereits die vorbereitende Arbeitsgruppe[36] stand der Einführung der Verbandsstrafe skeptisch gegenüber und bezeichnete sie als „Weg in ein anderes Strafrecht“, das „vielschichtige Probleme in verfassungsrechtlicher, strafrechtlicher und strafverfahrensrechtlicher Hinsicht“ aufwerfe. Auf ihrer Sitzung am 29./30. November 1999[37] sprach sich die Kommission dann mit großer Mehrheit gegen
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In den 2010er Jahren ist die Diskussion neu entbrannt. Verantwortlich hierfür dürfte nicht nur sein, dass mittlerweile fast alle EU-Staaten ein Verbands- bzw. Unternehmensstrafrecht eingeführt haben (Rn. 130), sondern auch, dass Großverfahren die Grenzen des bisherigen Systems aufzeigten und insb. die strafrechtliche Aufarbeitung der schweren Finanzkrise der Jahre 2008/09 als unbefriedigend angesehen wurde.[38] Im November 2011 befasste sich das 4. ECLE-Symposium[39] mit dem „Unternehmensstrafrecht“. Auf der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 15. November 2012[40] wurde erörtert, ob die Verhängung von Geldbußen „noch ausreicht“ und „noch zeitgemäß“ ist. Im April 2013 stellte die SPD-Fraktion im Bundestag den Antrag „Wirtschaftskriminalität effektiv bekämpfen“ und regte die Prüfung eines Unternehmensstrafrechts an.[41] Im September 2013 befasste sich die Gesellschaft für Rechtsvergleichung mit der Strafbarkeit juristischer Personen.[42]
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Am 18. September 2013 präsentierte der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden“ (Verbandsstrafgesetzbuch – VerbStrG)[43], der sich an das österreichische „Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten“ (Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, VbVG)[44] anlehnte (Rn. 120 ff.). Der Entwurf, der „demnächst“ in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden sollte, wurde zwar von der Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 14. November 2013[45] begrüßt, stieß aber im Schrifttum auf starke Vorbehalte (Rn. 130 ff.). Als Alternativvorschlag präsentierte der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) im April 2014 einen Vorschlag zur Reform der §§ 30, 130 OWiG.[46] Der Entwurf des VerbStrG wurde bis Ende der Legislaturperiode nicht aufgegriffen, obwohl die Rahmenbedingungen als „günstig“[47] galten. Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition (CDU/CSU/SPD; Angela Merkel) für die 18. Legislaturperiode von Ende November 2013 hatte in Aussicht gestellt, das Ordnungswidrigkeitenrecht auszubauen und ein „Unternehmensstrafrecht für multinationale Konzerne“ zu „prüfen“.[48]
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In der Wissenschaft wurde die Diskussion um ein Unternehmensstrafrecht intensiv fortgeführt.[49] Anfang 2016 bildete sich in Köln im Rahmen eines von der Volkswagenstiftung finanzierten Forschungsprojektes eine Expertengruppe aus Wissenschaft, Justiz, Rechtsanwaltschaft und Ministerialverwaltung. Bereits am 6. Dezember 2017 wurde der „Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes“ (VbSG-E) vorgestellt,[50] der materiell- und verfahrensrechtliche Regelungen vorsah und erneut Elemente des österreichischen VbVG aufgriff.[51] Im Januar 2018 wurden die „Frankfurter Thesen“ präsentiert, deren Verfasser für eine „parastrafrechtliche“ Regelung der Unternehmensverantwortlichkeit eintraten.[52] Auch der Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI) und der Berufsverband der Compliance Manager e.V. (BCM) setzten sich für die Modernisierung des Unternehmenssanktionsrechts ein.[53] Am 7. Februar 2018 kündigte die wiedergewählte Große Koalition in ihrem Koalitionsvertrag an, das Sanktionsrecht für Unternehmen neu zu regeln.[54] Mitte August 2019 präsentierte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht auf einer Pressekonferenz den (ersten) Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“,[55] das in Art. 1 das „Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten (Verbandssanktionengesetz – VerSanG)“ enthielt. Der Entwurf wurde allerdings im Anschluss nicht offiziell freigegeben, was nahelegt, dass sich die Ressortabstimmung sehr schwierig gestaltete. Kurz darauf, am 5. September 2019, wurde der „Münchener Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes“ vorgestellt, den Frank Saliger und die Kanzlei Tsambikakis & Partner mit Unterstützung des Verbandes „Die Familienunternehmer“ erarbeitet hatten. Dieser Entwurf versteht sich als „Gegenentwurf“,[56] da er kleine Verbände (Stiftungen, nicht wirtschaftliche Vereine und Unternehmen) aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausnehmen möchte.
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Am 21. April 2020 wurde vom BMJV der finale Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ vorgelegt,[57] dessen Art. 1 eine modifizierte Fassung des Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) enthält (Rn. 134 ff.). Der neue Titel des Entwurfs, der die Stärkung der Wirtschaft in den Mittelpunkt stellt, dürfte der Corona-Pandemie geschuldet sein, die im Frühjahr 2020 zu einem weltweiten „Lockdown“ führte und die Weltwirtschaft in die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg stürzte. Dem entspricht es, dass das BMJV in dem Schreiben, das die Verbände um Stellungnahme bis zum 12. Juni 2020 bat, ausführt, gerade in wirtschaftlich schweren Zeiten sei es wichtig, „die große Mehrzahl der Unternehmen zu stärken, die sich an die Regeln halten und die nicht die Notsituation vieler ausnutzen, um sich selbst ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen“. Ungeachtet der zahlreichen kritischen Stellungnahmen[58] und Änderungsvorschläge, die zum Referentenentwurf abgegeben wurden, präsentierte